Au-Pair im Land der unbegrenzten Möglichkeiten

Zwischen Bergen und Ozean

weltweiser · Au-Pair in den USA
  • GESCHRIEBEN VON: SOPHIA SCHINDLER
  • LAND: USA
  • AUFENTHALTSDAUER: 12 MONATE
  • PROGRAMM: AU-PAIR
  • ERSCHIENEN IN: (NIX FÜR) STUBENHOCKER.
    DIE ZEITUNG FÜR AUSLANDSAUFENTHALTE,
    Nr. 7 / 2017, S. 41-42

5:50 Uhr am Morgen, der Wecker klingelt und wieder stelle ich mir die Frage: „Brauche ich diesen Job wirklich?“. Aber letzten Endes werden die Gedanken, doch lieber liegen zu bleiben, beiseite geschoben und ich quäle mich schlaftrunken aus dem Bett. Ich werde mich wohl nie an dieses frühe Aufstehen gewöhnen.

Im Nebenzimmer höre ich schon mein Gastkind mit den Hunden spielen, sie wacht für gewöhnlich schon um 5 Uhr morgens auf. Für mich geht es erstmal an meine Morgenroutine im Badezimmer, die folgendermaßen aussieht: Haare kämmen und Zähne putzen, zehn Minuten lang, um wach zu werden. Jeden Morgen aufs Neue. Noch schnell in bequeme Sachen geschlüpft und ich bin fertig für den Tag. 6:15 Uhr: Immer noch müde, gehe ich hinunter in die Küche, um das Frühstück für mein Gastkind vorzubereiten. Crêpes, wie jeden Morgen, Crêpes mit Nutella. Sie kommt mit den Hunden hinunter und das Frühstück wird gegessen. Während sie isst, bereite ich ihr „Lunch“ für die Schule vor und räume die Küche auf. 6:45 Uhr: Zeit für etwas „Playtime“, immerhin haben wir noch ungefähr eine halbe Stunde, bis wir zur Schule aufbrechen müssen. In der Zeit beschäftigen wir uns mit den zwei Hunden, spielen Lego, sitzen einfach nur auf der Couch oder machen andere Dinge. 7:25 Uhr: Es geht Richtung Schule! Für den Weg dorthin brauchen wir circa 20 Minuten am Morgen, da der Verkehr hier wirklich schlimm ist. Die erste Stunde beginnt um 7:55 Uhr, und meistens sind wir so gegen 7:45 Uhr dort. Angekommen, heißt es Kind absetzen und heimfahren. 8:05 Uhr: Jetzt bin ich „off“, habe also meine Freizeit, normalerweise so bis 15 Uhr.

Meine Zeit kann ich gestalten, wie ich möchte. Ich gehe shoppen, treffe mich mit Freunden, gehe ins „Gym“ oder aber, ich gehe wieder in mein Zimmer, leg mich in mein Bett und schlafe für weitere drei Stunden, denn die Müdigkeit vom frühen Aufstehen steckt mir noch immer in den Knochen. Nun habt ihr hoffentlich einen ungefähren Einblick, wie der alltägliche Morgen eines Au-Pairs aussehen könnte, wie mein Morgen für gewöhnlich aussieht. Denn ich bin Au-Pair in Amerika. Seit fast einem Jahr lebe ich nun (meinen Traum) in den USA, in einer Gastfamilie, die ich zuvor nur durch Skype und E-Mail-Kontakt kannte, aber erst hier wirklich kennengelernt habe, und kümmere mich um ein elfjähriges Mädchen und zwei Hunde. Ich lebe hier in einem Vorort von Washington DC auf der Seite Virginias, scheinbar der „Au-Pair-Hochburg“ der USA. Dafür bin ich aber auch wirklich dankbar, denn somit gibt es hier viele Mädchen, die genau das Gleiche erleben und durchmachen wie ich, und das verbindet. Man schließt sehr schnell Freundschaften. Zudem ist die Umgebung hier ungemein schön – durch die „Blue Ridge Mountains“ im Westen und den Atlantischen Ozean im Südosten ist hier definitiv für jeden etwas dabei. Ich bin mehr als glücklich und obwohl ich schon elf Monate hier lebe, kann ich mich noch genau an den Anfang erinnern: Die Vorbereitungszeit, den Flug über den „großen Teich“, die „Orientation-Days“ in New York City und die ersten Tage in meiner Gastfamilie.

Neues Schloss in Stuttgart
20. April
Stuttgart
Eschbach Gymnasium
10 bis 16 Uhr
junger Mann sitzt an Holztisch und tippt auf Laptop
21. April
Online
Wherever you are
17 bis 19 Uhr
junger Mann sitzt an Holztisch und tippt auf Laptop
25. April
Online
Wherever you are
18 bis 20 Uhr
Großer Wannsee in Berlin
27. April
Berlin
Dreilinden-Gymnasium
10 bis 16 Uhr

Angefangen hat alles letztes Jahr – oder eigentlich schon zu dem Zeitpunkt, an dem ich das erste Mal mit dem Gedanken gespielt habe, nach dem Abitur ins Ausland zu gehen. Im Sommer des Jahres vor der geplanten Ausreise konnte ich dann mit dem Bewerbungsprozess beginnen, und plötzlich ging alles wie von allein. Die Unterlagen waren schnell zusammengesammelt, das Interview mit meiner lokalen Betreuerin geführt und ich wurde für die amerikanischen Familien auf Au-Pair-Suche freigeschaltet. Dann folgte ein kleiner Dämpfer, denn um ehrlich zu sein, lief der „Matchingprozess“, also die Suche nach der passenden Gastfamilie, ziemlich schleppend. Man erwartet dutzende von Familienvorschlägen innerhalb einer Woche, aber so ist es nicht. Das Au-Pair-Jahr lehrt dich sehr viele Dinge, aber allem voran lehrt es dich, geduldig zu sein. It’s all about waiting. Darauf warten, sich endlich bewerben zu können, warten auf die Freischaltung und dann das Warten auf die Familienvorschläge. Im Nachhinein hat natürlich alles geklappt und ich kann mit einem Lächeln auf meine Zweifel zurückblicken, aber während ich auf die Familienvorschläge gewartet habe, wurde ich doch von Zweifeln geplagt. Nicht nur, ob ich jemals eine passende Familie finden würde, sondern auch, ob es wirklich das Richtige für mich ist, ein Jahr alleine in den USA zu leben und auf fremde Kinder aufzupassen. „Bin ich wirklich dafür gemacht?“ Doch all die Zweifel wurden mit dem Eintreffen des ersten Familienvorschlags weggewischt, die Aufregung war zu groß, zumal dieser völlig unerwartet kam.

„Would you like to be our Au-Pair?“

Allerdings wusste ich direkt, dass dies nicht die richtige Familie für mich sein würde. Schon alleine das Profil hat mich nicht angesprochen. Das Gleiche galt für den zweiten Familienvorschlag, obwohl ich mit dieser Familie immerhin in E-Mail-Kontakt stand, aber dann flatterte mein dritter und letzter Vorschlag ins Haus, und damit einhergehend das berüchtigte Bauchgefühl, von dem alle Au-Pairs sprechen. Angeblich würde ich daran erkennen, dass es sich um die passende Gastfamilie für mich handle. Wir vereinbarten ein Skype-Gespräch und darauffolgend noch ein zweites. Meine Daten wurden an das aktuelle Au-Pair weitergeleitet und ich skypte auch mit ihr. Ich hatte ein super Gefühl, alles stimmte, und kurz darauf hatte ich dann endlich die alles entscheidende E-Mail meiner Gastmutter in meinem Postfach, mit der Frage aller Fragen: „Would you like to be our Au-Pair?“ Nun stand meinem Traum wirklich nichts mehr im Weg! Ich war mehr als glücklich mit meiner Entscheidung und kaum hatte ich die Frage mit einem vehementen „JA“ beantwortet, steckte ich schon mitten in der Planung für mein Jahr: Der Visumstermin in der amerikanischen Botschaft musste vereinbart werden, die Programmgebühr musste bezahlt und alles Nötige für den baldigen Abflug gekauft werden – und das Schlimmste von allem: Mein deutsches Leben musste passend in anderthalb Koffern verstaut und in die USA gebracht werden. Wie sollte das möglich sein?

„Abschied gehört dazu und Abschied leitet immer einen Neuanfang ein“

Nun ja, einige Abstriche musste ich schon machen, wie zum Beispiel nur einen anstelle von zwei bequemen Pullovern mitzunehmen oder ein weiteres paar Schuhe daheimzulassen, aber letzten Endes war die Idee, mir in den USA einfach einen komplett neuen Kleiderschrank zu kaufen, doch überzeugender und ich minimierte die Klamottenanzahl enorm. Dennoch nahm ich ziemlich viel unnützes Zeug mit, wie beispielsweise mehrere Sommerkleider, denn zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht: Au-Pairs tragen keine Sommerkleider. Vielmehr verbringen sie ihr Leben in Jogginghose und Schlabberpulli. Kaum waren alle Vorbereitungen getroffen, war auch schon der Tag gekommen, an dem sich mein Leben um 180 Grad wenden sollte. Die Szene am Flughafen war wohl nicht die schönste, aber Abschied gehört dazu und Abschied leitet immer einen Neuanfang ein. Der Flug nach New York verging schnell und dort angekommen, sind wir einfach nur noch müde ins Bett gefallen. Der Gedanke, am nächsten Tag um 6 Uhr aufstehen zu müssen, gefiel uns allen nicht, aber da muss nun mal jedes angehende Au-Pair durch. Es gibt geteilte Meinungen über die Orientierungstage in New York, ich persönlich finde sie hilfreich. Man wird nicht direkt in das neue, amerikanische Leben hineingeworfen, sondern Schritt für Schritt darauf vorbereitet. Man lernt, was einen im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ erwarten wird, und knüpft jede Menge neue Kontakte, was insbesondere in den ersten Wochen besonders wichtig ist, da das Heimweh in 90% der Fälle in dieser Zeit eintreffen wird. Während der „Orientations“ lernten wir, dass dies als die „Kulturschock-Phase“ bezeichnet wird und diese meistens eintrifft, nachdem die erste, aufregende Zeit endet und der Alltag langsam einkehrt. Bei mir traf diese ziemlich pünktlich zum Beginn des zweiten Monats ein und hielt ungefähr zwei Wochen lang an, aber auch das gehört nun mal dazu. Und wenn man das Heimweh erst einmal überwunden hat, geht man daraus immer stärker hervor.

„Ich habe es trotz Höhen und Tiefen niemals bereut, diesen Schritt gewagt zu haben“

Nun sitze ich hier nach elf Monaten und schreibe diesen Erfahrungsbericht, auf die vergangenen Monate zurückblickend. Es ist so viel passiert, so viel, das mich bewegt und verändert hat. Ich kann definitiv sagen, dass ich gereift bin und nun weiß, was ich in meinem Leben will. Ich habe nicht nur gelernt, für mich alleine zu sorgen, sondern noch ganz nebenbei Verantwortung für ein Kind zu übernehmen. Und obwohl ich sagen kann, dass ich inzwischen allergisch auf Kindergeschrei und frühes Aufstehen reagiere, liebe ich mein Leben hier doch mit allem, was dazugehört – ob es nun das Lachen mit meinem Gastkind ist, mit dem ich den gleichen Humor teile, das Spazieren durch Washington DC oder einfach nur das Herumfahren in meinem Auto ohne ein Navi zu benötigen, da ich die Straßen inzwischen wie meine Westentasche kenne. Und auch zu merken, dass ich mich hier wirklich eingelebt habe und ab und an sogar für eine Amerikanerin gehalten werde, da mein Englisch ganz nebenbei besser geworden ist, ist natürlich sehr zufriedenstellend. Alles in allem haben sich meine Erwartungen wirklich erfüllt: Ich liebe meine Gastfamilie, meine Freunde und mein amerikanisches Leben im Allgemeinen. Ich habe es trotz Höhen und Tiefen niemals bereut, diesen Schritt gewagt zu haben, und ich würde es jederzeit wieder tun. Aber auf der anderen Seite kann ich sagen, dass ich mich wirklich darauf freue, wieder nach Deutschland zurückzukehren, mein altes Leben wiederzuhaben und mit dem Studium anzufangen. So sehr ich mein Leben als Au-Pair in den USA auch genieße, irgendwann muss man auch in die Zukunft schauen. Immerhin kann ich nicht für immer Au-Pair bleiben…

Sophia Schindler, 20, hat sich nach ihrem Auslandsaufenthalt als Au-Pair in den USA an der Mannheimer Universität für den Studiengang Kommunikationswissenschaften eingeschrieben.

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