Mit ERASMUS nach Madrid

Leben, Lernen und Lieben in Spaniens schöner Hauptstadt

GESCHRIEBEN VON: FRANZISKA WOLLSCHEID
LAND: SPANIEN
AUFENTHALTSDAUER: 12 MONATE
ERSCHIENEN IN: (NIX FÜR) STUBENHOCKER.
DIE ZEITUNG FÜR AUSLANDSAUFENTHALTE,
NR. 10 / 2020, S. 55-56

Schon zu Beginn meines Architekturstudiums stand für mich fest: „Ich möchte eine Zeit lang ins Ausland“. Sechs Studienjahre, zwei Praktika, ein Jahr Büroarbeit und zwei Umzüge später konnte ich dieses Vorhaben endlich in die Realität umsetzen.

Gerade erst mit dem Masterstudium an der TU Berlin angefangen, gingen für mich schon die Bewerbungsvorbereitungen für die Erasmusförderungen los, zusammen mit einem Spanischkurs, der mich auch sprachlich auf mein Auslandsjahr an der ETSAM Madrid vorbereiten sollte. Während des Masterstudiums Erasmus zu machen hat so seine Vor- und Nachteile: Es gibt nur wenige Masterstudienplätze an den Partneruniversitäten, die Studienzeit ist gegenüber der im Bachelor sehr kurz und die Abwicklung von Job und Wohnung muss schnell vonstattengehen. Nichtsdestotrotz freute ich mich unglaublich auf die Reise ins Ungewisse und die neue Freiheit, die mich erwartete – oder genauer gesagt, die ich erwartete. Meine beste Freundin brachte mich zum Flughafen. Meine Wohnung in Berlin war untervermietet. Mein Hab und Gut bei Freunden und Familie eingelagert. Zwei Koffer und ein Rucksack begleiteten mich auf meine Reise. Obwohl es nur ein Abschied auf bestimmte Zeit war, kamen uns die Tränen, denn wir beide wussten, dieses Auslandsjahr wird etwas verändern – und was, das wussten wir beide noch nicht.

Einen Monat vor Studienbeginn an der ETSAM kam ich im heißen Madrid an. Dass mein Zimmer auf Zwischenmiete direkt unter dem Dach auch nachts nicht unter 35° Celsius abkühlte, motivierte mich zu einer schnellen Wohnungssuche, die nach einer Woche auch zum Erfolg führte. Ende August fand ich mich also in einem 8 qm großen Zimmer, mit einem kleinen Balkon und sieben internationalen Mitbewohnerinnen wieder. Das Bewusstsein darüber, dass sich all mein Hab und Gut in fünf Kisten sicher verstaut bei Freunden und all die Dinge, die ich täglich nutze, nun in diesem kleinen Raum befanden, löste bei mir ein Gefühl von Freiheit aus, das sich gleich wie ein glücklicher Schleier um mein Herz legte – ich war angekommen. Zusammen mit meinen zahlreichen Mitbewohnerinnen und einigen schnell gemachten Bekanntschaften an der Universität genoss ich die ersten Wochen in vollen Zügen. Madrilenischer Sommer bedeutet: sich nach der Arbeit mit Freunden zu Tapas zu treffen und so gemeinsam den anfänglichen Abschiedsschmerz des Heimatlandes zu vergessen. Anfang September startete dann auch mein Studium an der ETSA Madrid und damit auch das etwas normalere Leben in der spanischen Hauptstadt. Das übersichtliche Gebäude der Architekturfakultät und klare, schulische Strukturen gestalteten mir meinen Einstieg in die neue Universität recht einfach. Jedem Studenten, der sich vor dem Auslandsaufenthalt sehr viele Sorgen über die Kurswahl macht, kann ich nur sagen, dass sich dies am besten vor Ort klären lässt. Die erste Woche kann man in viele verschiedene Kurse hineinschnuppern und sich nach einigen Tagen dann festlegen.

junger Mann sitzt an Holztisch und tippt auf Laptop
13. Juni
Online
Wherever you are
18 bis 20 Uhr
Museumsufer in Frankfurt
15. Juni
Frankfurt
Jahrhunderthalle
10 bis 16 Uhr
Maschsee in Hannover
15. Juni
Hannover
Tellkampfschule
10 bis 16 Uhr
Panorama von Köln mit dem Dom
22. Juni
Köln
TechnologiePark
10 bis 16 Uhr

Allerdings fühlte ich mich in meiner gerade neu erlangten Freiheit direkt eingeschränkt: Der spanische Universitätsalltag ist geprägt von einem strikten Stundenplan mit Anwesenheitspflicht, den klassischen Lehrer- und Schülerhierarchien, die ich während meines Studiums in Deutschland so gar nicht vermisst habe. Wir haben immer davon profitiert, dass zwischen Studenten und Professoren ein Wissens- und Interessenaustausch besteht. Hier erlebte ich zum ersten Mal, wie frustrierend es ist, wenn die geleistete Arbeit, gerade in einem architektonischen Projekt, nicht persönlich honoriert wird, sondern nur als Abgabeleistung des gewählten Faches zählt. Wie schon zu Anfang erwähnt, ging es für mich in diesem Auslandsjahr weniger um die Erfahrungen im architektonischen Bereich als vielmehr um die Freiheit, die ich mir selbst in diesem Jahr erlaubte: Kunstkurse zu wählen, neue kreative Impulse zu finden, meine akademische Laufbahn aus einer anderen Perspektive heraus zu betrachten, meine bisherigen Ziele und Vorstellungen des Lebens zu hinterfragen.

„Was mir von den Reisen am meisten in Erinnerung geblieben ist, sind die kulinarischen Erlebnisse.“

Genau diese Gelassenheit fehlte mir allerdings, was meine Spanischkenntnisse anging: In der Universität war ich gezwungen, Präsentationen auf Spanisch zu halten, was mich jedes Mal Überwindung kostete, obwohl ich durch wöchentliche Spanischkurse immer wieder kleine Fortschritte erlebte. Der richtige Durchbruch kam zum Leiden meiner spanischen Freunde erst zum Schluss meines Aufenthaltes. Ein Tipp für alle neurotisch handelnden Deutschen (und vor allem für die, die denken, dass sie es nicht sind, so wie ich): Legt eure Ängste ab und sprecht in der neuen Sprache einfach drauflos, Fehler zu machen ist menschlich, und wenn ihr Glück habt, trefft ihr genau wie ich auf nette Menschen, die euch einfühlsam korrigieren. Gerade diese einfühlsamen Menschen machten mein Jahr in Spanien für mich unvergesslich. Dank der zentralen Lage Madrids waren Reisen nach Barcelona, Valencia, die umgebenden Städte wie Segovia oder die malerischen Dörfer im Norden der Sierra de Madrid einfach umzusetzen. Was mir von den Reisen am meisten in Erinnerung geblieben ist, sind die kulinarischen Erlebnisse. Meine Wohnung befand sich in der Nähe von hippen Vierteln wie Malasaña und La Latina, in denen sich zahlreiche traditionelle oder neuere Bars und Restaurants finden lassen. Generell dreht sich in Spanien viel um Essen, egal ob die Tapa zum Getränk oder die vielen galizischen, asturianischen oder andalusischen Spezialitäten, am Tisch geht es immer gesellig und auch ziemlich laut zu. Portionen werden geteilt, das Essen kann sich über mehrere Stunden hinziehen oder auch nur stehend an der Kneipentheke stattfinden, und das zu erstaunlich später Stunde.

„Kleine Gassen ohne Autoverkehr und großzügige Plazas mit einladenden Terrassen lassen die Stadt traditionell, aber authentisch wirken.“

Und so gewann ich die Stadt und auch die spanische Kultur so langsam für mich. Im Winter genoss ich die täglichen Sonnenstrahlen trotz kühler Temperaturen, im Frühling machte ich die wohl prägendsten Bekanntschaften für mein kommendes Jahr, und der Sommer ließ sich unter sengender Hitze nur mit spanischer Siesta von 15 – 17 Uhr aushalten. Ich genoss das Gefühl, mich in der Stadt nun auszukennen, nicht ständig mit meinem Handy nach dem Weg oder der nächsten Bar Ausschau zu halten, sondern intuitiv zu meinen Lieblingsplätzen zu gehen. Durch die enorme Kompaktheit Madrids fühlte ich mich kaum wie in einer Großstadt, kleine Gassen ohne Autoverkehr und großzügige Plazas mit einladenden Terrassen lassen die Stadt traditionell, aber authentisch wirken. Rückblickend würde ich sagen, dass ich jeden Monat ein Stückchen spanischer geworden bin, und dabei hat mir vor allem mein spanischer Freund geholfen, den ich Anfang des Jahres in Madrid kennengelernt habe. Was soll ich sagen, meine mir selbst gegebene Freiheit und Gelassenheit führte wohl dazu, dass ich meinen Herzensmenschen finden konnte. Und dies war ein weiterer Anreiz, die vorhandenen Sprachbarrieren zu überwinden. Nachdem ich mein Jahr an der ETSAM mit einigen Klausuren und der Abgabe des Semesterprojektes erfolgreich abgeschlossen hatte, blieben noch drei Monate zur freien Verfügung – allerdings führte die finanziell eher schwierige Situation eines Erasmusstudenten dazu, möglichst sparsame Pläne in Madrid durchzuführen anstatt das Land weiter zu bereisen. Dennoch wollte ich noch nicht direkt zurück nach Berlin, es gab einfach zu viele Gründe, Spanien und damit auch meine komfortable „Erasmus-Bubble“, wie ich sie nenne, noch nicht zu verlassen: die gefundene Liebe, liebgewonnene Freunde, von denen ich mich sowieso bald verabschieden musste, wunderbares Wetter und die unglaublich nette und offene spanische Gesellschaft, die ich so zu schätzen gelernt hatte.

Sicherlich ist für jeden Studenten die Erfahrung eines Erasmusjahres anders, dennoch genießen wir wohl alle eine gewisse Unbeschwertheit und Leichtigkeit die der temporäre Auslandsaufenthalt mit sich bringt. Man befindet sich nicht im Urlaub, genießt aber mehr Freiheiten als die Studenten vor Ort, man vergisst ein wenig die übliche Verantwortung, die man im Heimatland übernehmen muss, man lernt so viele neue Menschen kennen, von denen viele nur flüchtige Bekanntschaften sind, einige wenige aber auch zu lebenslangen Freundschaften heranwachsen. Meine „Bubble“ war geprägt durch die genommene Freiheit, mein Leben mal nicht an meinem Architekturstudium auszurichten, und ich hatte stets den Moment im Hinterkopf, in dem ich wieder in meiner Berliner Realität ankommen würde. Das Schicksal versüßte mir diesen Übergang vom unbeschwerten Leben in Madrid zum Arbeitsalltag in Berlin aber mit einem sonnigen Monat in Barcelona. Der Liebe wegen brach ich meine Zelte in Madrid nämlich vorzeitig ab und verbrachte den Juli in der von Touristen geliebten Stadt in Katalonien. Erinnert ihr euch an den beschriebenen sprachlichen Durchbruch? Ja, wie gesagt, dieser kam spät. Um genau zu sein, erst einen Monat vor der Rückreise nach Deutschland. Initiiert durch neu gewonnenes Selbstbewusstsein, einen Intensivspanischkurs und meinen engagierten Freund, der mich jeden Tag aufs Neue motivierte und nun auch zu meinem sprachlichen Tandempartner geworden war. Rückblickend bin ich stolz auf das, was ich gelernt habe: persönlich wie auch akademisch, besonders natürlich auf meine nun vorhandenen Sprachkenntnisse. Dass ich mich auch in großen Gruppen auf Spanisch verständigen kann und mich nicht mehr fremd fühle. Um das Zerplatzen der Blase und damit den großen Knall nach der Rückkehr zu verhindern, trage ich all die positiven Ereignisse und das Glück mit mir nach Berlin, zusammen mit der Vorfreude auf den nächsten Besuch in Madrid.

Franziska Wollscheid, 26, ist Studentin der TU Berlin im Masterstudiengang Architektur. Ihr Erspartes bessert sie in einem Architekturbüro auf, damit es nach Abgabe der Masterthesis im April wieder auf Reisen gehen kann.

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Koala Bär
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