Von Steaks, Gauchos und Tango

Zwei Monate Schüleraustausch in Argentinien

weltweiser · Schüleraustausch · Argentinien
GESCHRIEBEN VON: FRANCESCA HEMETSBERGER
LAND: ARGENTINIEN
AUFENTHALTSDAUER: 2 MONATE
PROGRAMM: SCHÜLERAUSTAUSCH
ERSCHIENEN IN: (NIX FÜR) STUBENHOCKER.
DIE ZEITUNG FÜR AUSLANDSAUFENTHALTE,
NR. 9 / 2019, S. 28-29

„Hola, me llamo Francesca, cómo estás?” – Mit kaum mehr als diesem doch recht eingeschränkten spanischen Wortschatz, einem großen Koffer und einer unbeschreiblichen Neugierde und Vorfreude, gemischt mit einer gehörigen Portion Nervosität und Unsicherheit, machte ich mich für einen Schüleraustausch auf nach Argentinien.

Ans andere Ende der Welt, wo ich ab Juni zwei Monate im argentinischen Winter bei einer Gastfamilie verbrachte. In San Carlos de Bariloche in Patagonien angekommen, empfing mich schon meine Gastfamilie, bestehend aus meinen Gasteltern, meiner Gastschwester Lucía, die schon im europäischen Winter zwei Monate bei mir verbracht hatte, und ihrer kleinen Schwester. Ich wurde von jedem herzlich umarmt, bekam ein Küsschen auf die linke Wange, eines auf die rechte, und wurde begrüßt, als hätte ich schon immer zur Familie gehört. Laut und fröhlich und vor allem schnell prasselten die Fragen auf mich ein, und so ganz schaffte ich es nicht, alle in meinem gebrochenen Spanisch zu beantworten. Außerdem hatten auch mehr als 20 Stunden Flug ihre Spuren hinterlassen und ich war todmüde. Jetzt vermisse ich diese Offenheit der Menschen, diese Freundlichkeit, dieses Vermögen, einen wildfremden Menschen ohne Vorbehalte in seine Arme zu schließen und ihm das Gefühl zu geben, zur Familie zu gehören. Wir Österreicher kommen mir da im Gegenzug um einiges kühler und distanzierter vor.

Daheim angekommen wurden gleich zwei Bleche „Empanadas“ in den Ofen geschoben. Diese gefüllten Teigtaschen begleiteten mich die gesamten zwei Monate meines Aufenthalts, meist ganz klassisch mit Hackfleisch, Ei und Oliven gefüllt. Generell isst der Argentinier eine wahrlich beachtliche Menge an Fleisch, oft auch zweimal am Tag. Ich probierte Schnitzel, hier „Milanesa“ genannt, Blutwurst und andere Würste, gewöhnungsbedürftige Innereien, Leber und Herz. Am liebsten grillte mein Gastvater ein traditionelles „Asado“, und weil das im Winter draußen über dem offenen Feuer schlecht möglich war, bereitete er die Rindersteaks einfach über dem Kamin zu. Und das in einer Menge, von der sogar ein Soldatenregiment satt geworden wäre. Beilagen gab es übrigens kaum, allerhöchstens einen Salat. Acht Wochen permanenter Fleischkonsum waren dann doch zu viel, sodass ich jetzt Vegetarierin bin. Neben Fleisch lieben die Argentinier das „Dulce de Leche“ über alles – eine Creme aus Milch und sehr viel Zucker. Es wird aufs Brot geschmiert, in Kekse gestrichen oder einfach so aus dem Glas gelöffelt. Was ich besonders am Anfang sehr gewöhnungsbedürftig fand, waren die Essenszeiten. Insbesondere das Abendessen war für mich schon mitten in der Nacht. 21 Uhr war früh und es gab Abende, an denen wir erst gegen 22:30 Uhr mit dem Essen begannen und vielleicht eine Stunde später fertig waren – wenn nicht etwas anderes dazwischenkam! Mit der Zeit gewöhnte ich mich jedoch daran und zum Glück hatte ich eine sehr verständnisvolle Gastfamilie, die auf mich Rücksicht nahm und mich gegen Mitternacht milde lächelnd und augenzwinkernd auch schon mal ins Bett schickte.

Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt
04. Mai
Darmstadt
Lichtenberg-Gymnasium
10 bis 16 Uhr
Basilika St. Ulrich und Afra in Augsburg
11. Mai
Augsburg
Barbarasaal
10 bis 16 Uhr
junger Mann sitzt an Holztisch und tippt auf Laptop
14. Mai
Online
Wherever you are
18 bis 20 Uhr
Schloss Onsabrück
01. Juni
Osnabrück
Gymnasium In der Wüste
10 bis 16 Uhr

Da es sich immerhin um einen Schüleraustausch handelte und ich nicht nur für einen Urlaub 13.000 km weit geflogen war, ging es am nächsten Montag in die Deutsche Schule von Bariloche. Der Unterschied im Umgang mit dem Lehrpersonal verblüffte mich. So etwas wäre daheim in Österreich nicht denkbar. Die Schüler duzen ihre Lehrer, reden sie mit Vornamen an, erzählen ihnen vom Wochenende, von der Familie, von den Freunden. Hin und wieder wird ein Lehrer zur Begrüßung umarmt oder bekommt ein Küsschen auf die Wange. Da ist es wohl kaum verwunderlich, dass ab und an ein Gespräch über das Wetter dem eigentlichen Unterricht vorgezogen wurde. Ich hatte in der Schule wenig zu tun, bekam einen eigenen Stundenplan und half hauptsächlich den Lehrern im Deutschunterricht. Manchmal las ich auch oder schrieb Tagebuch. Zum Glück war ich Teil einer Gruppe von rund 15 Austauschschülern aus Österreich und Deutschland. Vor allem mit einem Mädchen aus Graz und einem Jungen aus Klosterneuburg verstand ich mich auf Anhieb und wir unternahmen an unseren freien Nachmittagen oft etwas miteinander. Rückblickend betrachtet, verbrachte ich mehr Zeit mit ihnen als mit den argentinischen Schülern. Mit meiner Gastschwester Lucía lief es mittelmäßig. Wir hatten uns schon in Österreich nicht so blendend verstanden und wir gingen uns eher aus dem Weg, als dass wir etwas gemeinsam unternahmen. Trotzdem fühlte ich mich nicht einsam oder unwohl, ich verstand mich ausgezeichnet mit meiner Gastmutter, half ihr beinahe täglich im Haushalt und unterhielt mich nebenbei mit ihr. Schlussendlich waren es diese zahllosen lustigen, interessanten Gespräche, durch die ich schließlich Spanisch lernte. Ein argentinisches Spanisch, das Spanier einfach nur lustig finden. Ein ausschließlich mündliches Spanisch, denn schreiben musste ich nie. Ein unperfektes Spanisch, denn von Grammatikregeln habe ich nach wie vor keine Ahnung. Aber ein Spanisch, mit dem ich mich verständigen kann, ein Spanisch, das mir Spaß macht, ein Spanisch, das ich gerne spreche.

„Hin und wieder wird ein Lehrer zur Begrüßung umarmt“

Natürlich unternahm ich einige Ausflüge in diesen zwei Monaten, ich wollte schließlich das Land und seine Leute sehen und kennenlernen. Die erste Reise führte mich gemeinsam mit meiner Gastfamilie nach Chile. Eingezwängt auf der Rückbank des alten Fords, ging es über die Anden. Ich hatte davor die typischen Klischees über Chile im Kopf gehabt, mit anderen Worte Wüste überall – eine trockene Einöde. Aber ich wurde überrascht. Dieser Teil im Süden Chiles war viel grüner und feuchter als Bariloche und erinnerte mich ein wenig an die Tropen, nur war es kälter. Rinderherden bevölkerten die saftigen Wiesen und es regnete gefühlt pausenlos. Ich verliebte mich in dieses Land – in die kleinen Fischerdörfer mit den bunten Holzhäusern auf der Insel Chiloé, in die unbefestigten Straßen, den Lachs, den Vulkan Osorno, der einmal feuerrot in der untergehenden Sonne leuchtete, in die „Saltos de Petrohué“, die in den dunklen Stein gegrabenen Katarakte und Wasserfälle, Rinnsale und Wasserwirbel. Die zweite Reise, wenige Tage später, führte mich, gemeinsam mit einer zwölfköpfigen Gruppe von deutschen und österreichischen Austauschschülern – ganz ohne Erwachsene – nach Puerto Madryn, an die Atlantikküste, auf die andere Seite des Kontinents. Durch die 13-stündige Busfahrt quer durch Argentinien begann ich die Dimensionen dieses Landes zu erahnen. Stundenlang sah man nichts als die Weite der patagonischen Steppe. Ich liebe Puerto Madryn. Es steht für mich bis heute für Urlaub, Unabhängigkeit und grenzenlose Freiheit. Wir bestaunten Wale von einem Boot aus, welches vielleicht halb so lang war wie diese wunderschönen Tiere, sahen Seelöwen, fuhren einen Tag mit Fahrrädern die Küste entlang, erkundeten gestrandete, ausrangierte Schiffe, badeten im Atlantik oder genossen das schöne warme Wetter am Strand. Es war einfach herrlich und trotz der einen oder anderen Meinungsverschiedenheit die schönste Zeit meines Austausches.

Doch auch in der Nähe von Bariloche unternahm ich kleinere, aber nichtsdestotrotz wunderschöne Tagesausflüge mit meiner Gastfamilie. Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, eine so bemühte und engagierte Familie angetroffen zu haben, die immer wieder ihre Freizeit für mich opferte und mir stundenlang ihre Heimat zeigte. Am ersten Tag in Südamerika stand gleich eine Stadtführung durch Bariloche auf dem Programm. Die Stadt an sich gefiel mir nicht so gut und ich war ein wenig enttäuscht. Sie kam mir ein wenig geistlos vor. Die grauen Wohnblöcke waren im typisch amerikanischen Schachbrettmuster angeordnet, die Leitungen hingen unverdeckt über die Straßen und hin und wieder fand sich ein Holzblockhaus, das seinen Vorbildern aus den Schweizer Alpen jedoch bei Weitem nicht das Wasser reichen konnte und folglich seltsam fehl am Platz wirkte. Überquerte man jedoch die Stadtgrenze, kam man aus dem Staunen nicht heraus: Die Sonne spiegelte sich im Nahuel-Huapi-See, dahinter erhob sich die majestätische Kette der Anden und der patagonische Wind blies einem die Haare aus dem Gesicht. Wer zuvor dachte, die österreichischen Alpen seien hohe, beeindruckende Berge, wurde rasch eines Besseren belehrt. Wie stolz, wie abweisend, wie wunderschön unter ihrer schneeweißen Decke diese Steingiganten auf mich wirkten. Blickte man in die andere Richtung, gen Osten, erahnte man die braune Kargheit der patagonischen Steppe, die sich scheinbar endlos bis zum Horizont erstreckte.

„Rinderherden bevölkerten die saftigen Wiesen und es regnete gefühlt pausenlos“

Was ich besonders zu Beginn vollkommen unterschätzt hatte, war der Winter. Es war so kalt. Ich kam direkt vom Sommer und fand mich plötzlich in Minusgraden wieder. Vom Bikini zum Wollpullover innerhalb von 24 Stunden. Kein Wunder, dass mein Körper sich beschwerte. Ich war überrascht, wie sehr sich die Menschen, vor allem auch die Erwachsenen, über die paar Zentimeter Schnee freuten. Ich verbrachte mit der Gastfamilie ganze Nachmittage schlittenfahrend, wir gingen in der schneebedeckten Landschaft spazieren und bauten einmal sogar einen Schneemann. Die Kehrseite der Medaille war, dass uns ein paar Tage lang die Leitungen in der Hauswand einfroren und wir somit in der Küche kein fließendes Wasser mehr hatten. Meine Gastmutter nahm es gelassen und meinte, sie würden schon irgendwann wieder auftauen und in der Zwischenzeit würde sich schon eine Lösung finden. Diese entspannte Haltung spiegelt so ziemlich alles wider, was die argentinische Lebenseinstellung ausmacht. Man macht sich einfach keinen Stress. Für mich eine ganz neue Erfahrung, die ich in vollen Zügen genoss. Was bleibt nach einem Jahr? Was ist mein Fazit von zwei Monaten Argentinien? Ich habe ein unglaubliches Land kennengelernt, unglaubliche Menschen, habe bereichernde Freundschaften geschlossen und viel, nein, sehr viel gelernt und nicht nur die Sprache. Ich habe gelernt, dass meine Art, die Welt zu sehen, nicht zwangsläufig die einzig richtige ist. Dass ich sehr gut alleine zurechtkomme. Ich habe gelernt, offen zu sein und die Dinge so anzunehmen, wie sie kommen, und nicht alles bis ins kleinste Detail planen zu müssen. Und ich habe gelernt, dass ein Lächeln im Gesicht jemanden manchmal sehr weit bringen kann. Wenn du also die Möglichkeit hast, einen Austausch in ein anderes Land zu machen, dann zögere nicht und ergreife sie. Es ist eine einzigartige Erfahrung, die dein Leben für immer bereichern wird!

Francesca Hemetsberger, 18, wird in diesem Jahr ihren Schulabschluss machen und möchte dann einen Europäischen Freiwilligendienst im Bereich Umwelt leisten.

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