Leben und lernen in Brüssel

Ankommen in der französischen Sprache

weltweiser · Foto in der Brüsseler Altstadt
GESCHRIEBEN VON: JANA HILTHORST
LAND: BELGIEN
AUFENTHALTSDAUER: 4 WOCHEN
PROGRAMM: SPRACHREISE
ERSCHIENEN IN: (NIX FÜR) STUBENHOCKER.
DIE ZEITUNG FÜR AUSLANDSAUFENTHALTE,
Nr. 6 / 2016, S. 35-36

Hätte mir jemand während der Schulzeit gesagt, dass ich im Französisch-Unterricht mal etwas besser aufpassen sollte, weil ich in meinem Leben mal in einem französischsprachigen Land leben würde, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Französisch war damals eine Tortur für mich.

Ich hatte die Sprache nur gewählt, um die noch unbeliebteren Naturwissenschaften umgehen zu können, und danach so gut wie nie wieder aus den hintersten Ecken des Gehirns hervorgekramt. Aber manchmal kommt es anders, als man denkt. Und so saß ich in einem Umzugswagen und machte mich auf den Weg nach Brüssel, der Hauptstadt des kleinen, charmanten und etwas verrückten Belgien, um dort mit meinem Freund zusammenzuleben. Die Stadt war mir nicht ganz unbekannt, allerdings bisher nur durch Wochenendbesuche. Nun sollte ich hier also einen Job finden, eine Krankenversicherung beantragen, Administratives in der Kommune regeln, einkaufen, kurz, all das tun, was man im Leben so tut – nur eben auf Französisch. Zum Glück ist Brüssel eine internationale Stadt, nicht zuletzt durch die Tausenden sogenannten „Expats“, die in den Institutionen der EU arbeiten. Mit Englisch kam ich also zunächst auch ganz gut zurecht. Aber um so richtig anzukommen, war die Landessprache dann doch unumgänglich für mich. Und da man in Brüssel zwischen Flämisch und Französisch wählen kann, entschied ich mich dafür, mein Schul-Französisch wieder aus der Versenkung zu holen.

Mein erster Weg führte mich zu einem sogenannten „Meet Up“. Davon gibt es viele in der Stadt: Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern treffen sich in einer Bar, im Park oder an anderen Plätzen, um gemeinsam etwas zu unternehmen. Unter anderem ging es auch darum, Französisch (oder andere Sprachen) zu sprechen. So stand ich abends in einer kleinen Weinbar, hatte einen Sticker mit der Information „Beginner“ auf meinem Pullover kleben und war umringt von anderen Menschen, die ihr Französisch im Gespräch ausprobieren wollten. Auch bei ihnen konnte man gleich ihr Niveau erkennen, um sich dann mit anderen Anfängern, Fortgeschrittenen oder Muttersprachlern zu unterhalten. Der Abend war hilfreich, um erste Hemmungen abzubauen. Als ich zum ersten Mal wieder Französisch sprach und merkte, dass doch noch einiges an Wissen da war und die anderen mich auch verstehen konnten, da stieg das Selbstbewusstsein. Aber um Grammatik zu wiederholen und Fragen zu Herausforderungen wie dem französischen „subjonctiv“ zu stellen, war dies dann doch nicht der richtige Ort. Also machte ich mich auf die Suche nach einer Sprachschule. Da ich zu Beginn meiner Zeit in Brüssel noch keinen festen Job hatte, konnte ich bei der Wahl meiner Sprachschule und Kurse relativ frei entscheiden. Möglichkeiten gab es viele: Lernte man lieber morgens oder abends, für mehrere Monate oder doch eher intensiv am Stück? Sollte der Schwerpunkt auf Grammatik oder Konversation liegen? Sollte es gemeinsames Kochen oder kulturelle Ausflüge mit den anderen Teilnehmern als zusätzliche Aktivitäten geben? Auch die Preise unterschieden sich dementsprechend.

Bundesverwaltungsgericht in Leipzig
13. April
Leipzig
Reclam-Gymnasium
10 bis 16 Uhr
St. Pauli Landungsbrücken in Hamburg
13. April
Hamburg
Gymnasium Oberalster
10 bis 16 Uhr
junger Mann sitzt an Holztisch und tippt auf Laptop
14. April
Online
Wherever you are
17 bis 19 Uhr
Neues Schloss in Stuttgart
20. April
Stuttgart
Eschbach Gymnasium
10 bis 16 Uhr

Am Ende entschied ich mich für einen einmonatigen Intensivkurs. Dreimal die Woche war ich von 9 Uhr bis 12:30 Uhr in einer kleinen Sprachschule. Um in den Kurs aufgenommen zu werden, musste ich aber erst mal an einem Einstufungstest teilnehmen. Ich machte mich auf den Weg nach Uccle, einen relativ zentral gelegenen Stadtteil Brüssels, den ich gut mit der Tram erreichen konnte. Eine unscheinbare Tür neben einem McDonalds sollte mich zur Sprachschule führen. Das Treppenhaus war bestückt mit Bildern und Zitaten in allen möglichen Sprachen. Es fiel gleich auf, dass es sich hier nicht um ein großes Institut handelte, bei dem mit Sprachkursen Unmengen von Geld gemacht wurde. Die familiäre Atmosphäre gefiel mir auf Anhieb. Ich wurde von einer netten Dame und ihrem etwas altersschwachen Terrier begrüßt. Der Einstufungstest stellte sich dann als ein Gespräch auf Französisch und ein kleiner schriftlicher Test heraus. Zu meiner Überraschung wurde ich daraufhin auf das Niveau C1 eingestuft. Niemals hätte ich mich selbst so eingeschätzt, und das nächste Gespräch mit dem Verkäufer im kleinen Supermarkt um die Ecke führte ich gleich mit einem ganz anderen Gefühl. Allerdings machte er mein neues Selbstbewusstsein schnell wieder zunichte, indem er mir mitteilte, dass ich für das Brot „nonante“ Cent zu bezahlen hätte. Als sich das Wort auch bei zweiter Nachfrage vor meinem inneren Auge nicht in eine französische Zahl verwandelte, tippte er auf seinen Taschenrechner und zeigte mir die Zahl 90. So musste ich lernen, dass die Belgier ihre Eigenarten hatten, auch bei ihrem Französisch.

„Unser Lehrer stellte sich als junger, motivierter Belgier heraus“

Der Kurs selbst begann ein paar Tage später. Aufgeregt kam ich an und setzte mich erst mal in den verkehrten Raum. Anfänger-Kurs: Da war ich falsch. Also schlich ich mich schnell wieder hinaus und verschwand ins Zimmer nebenan. Und nun stellte sich heraus, dass ich mich für eine gute Zeit entschieden hatte. Wer will schon morgens früh Französisch lernen, wenn er stattdessen auch schlafen könnte. Der Kurs hatte nur vier Teilnehmer, mich mit eingeschlossen. Da saßen nun zwei irische Hausfrauen, die schon einige Jahre in Brüssel lebten und darunter litten, dass sie mit ihren Nachbarn immer nur kurze Gespräche übers Wetter führen konnten, die Themen aber nicht darüber hinausgingen. Dies wollten sie nun mit einem Sprachkurs ändern. Außerdem gab es eine junge Portugiesin, die, wie ich, gerade erst nach Brüssel gezogen war und sich nun ebenfalls auf Jobsuche befand und die Zeit für einen Französisch-Kurs nutzen wollte. Unser Lehrer stellte sich als junger, motivierter Belgier heraus, der sich zum Ziel gesetzt hatte, uns zum Sprechen zu bringen und uns eine Portion Liebe für sein Land mitzugeben. Seine Stunden hatten immer den gleichen Rhythmus, und bald fanden wir uns ein. Jedes Mal bekamen wir am Ende des Kurses die Aufgabe, zu Hause einen kleinen Text zu schreiben. So begann der darauffolgende Unterricht damit, die eigenen Texte und die der anderen zu begutachten und auf Fehler zu untersuchen. Im Anschluss gingen wir im Schnellschritt die französische Grammatik durch und arbeiteten dort nach, wo sich Probleme oder Fragen auftaten.

„Es war täglich sichtbar, wie wir Fortschritte machten“

Dann lasen wir gemeinsam aktuelle Artikel aus belgischen Zeitungen und verbesserten unsere Aussprache. Und danach wurde wild diskutiert, was wir gerade gelesen hatten. Sei es das Gedenken an den Ersten Weltkrieg, das System der Verteilung von belgischen Schülern auf die weiterführenden Schulen in Brüssel, die Umsetzung einer größeren Fußgängerzone im Stadtzentrum oder die Wohnungssituation von Flüchtlingen in der Stadt – immer sprachen wir über aktuelle Themen, und es war täglich sichtbar, wie wir Fortschritte machten. Unser kleiner Kurs wuchs zusammen, auch wenn wir alle recht verschiedene Hintergründe hatten und nicht im gleichen Alter waren. Den Start in ein Leben in Brüssel auf Französisch hatten wir alle gemeinsam, und schon bald wurde ein gemeinsamer Kaffee nach dem Kurs zum festen Ritual, bei dem wir uns gegenseitig Tipps gaben und von unseren Erfahrungen berichten konnten. Erst verständigten wir uns auf Englisch, dann immer mehr auf Französisch. Durch die kleinen, selbstverfassten Texte erfuhren wir in der kurzen Zeit viel aus dem Leben der anderen, sodass es sich bald so anfühlte, als würden wir uns schon lange kennen. Doch so intensiv der Kurs war, so schnell war er auch wieder vorbei. Ausgestattet mit Tipps von unserem Lehrer, wie wir auch alleine zu Hause weiterlernen könnten, einem Heft voll mit allen wichtigen Informationen zur Grammatik und einem neuen Gefühl, der französischen Sprache mächtig zu sein, kam ich wieder im Alltag an.

„Auch die Bibliothek um die Ecke wurde nun ein beliebter Ort für mich“

Parallel zum Kurs hatte ich eine Arbeit gefunden, bei der ich auch immer wieder Französisch sprechen musste. Zum Glück, denn so blieb ich bei der Sache und konnte das Gelernte gleich anwenden. Auch die Bibliothek um die Ecke wurde nun ein beliebter Ort für mich. Ich hatte immer gerne gelesen, also dachte ich mir: „Warum nicht das Hobby mit dem Französischlernen verbinden?“. Da ich erst einmal langsam beginnen und mit Kinderbüchern in leichter Sprache einsteigen wollte, machte es keinen Sinn, jedes Mal neue Bücher zu kaufen. Dafür war die Bibliothek eine gute Alternative. Für nur 5 € bekam ich eine Jahreskarte und war nun oft zwischen den Regalen unterwegs. Nach einer Weile verließ ich sogar die Kinder- und Jugendabteilung. Einige Zeit nach dem Sprachkurs merkte ich allerdings, dass ich zwar mein Niveau halten und auch durch das viele Sprechen und Lesen verbessern konnte. Ich hatte jedoch trotzdem oft das Gefühl, noch nicht so richtig in der Sprache angekommen zu sein. Daher überlege ich im Moment, einen neuen Kurs anzufangen: diesmal nach der Arbeit, und vielleicht gleich einen Konversationskurs. Oder soll ich mich doch lieber für Grammatik entscheiden? Oder ist ein Kurs mit Kochen und kulturellen Angeboten diesmal das Richtige? Zum Glück hat man in Brüssel ja die Auswahl!

Jana Hilthorst, 28, hat Kulturwissenschaften studiert. In Brüssel arbeitet sie inzwischen als persönliche Assistentin in einer internationalen Anwaltskanzlei, lernt nebenher fleißig Französisch und macht nähere Bekanntschaft mit Land und Leuten

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Koala Bär
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