Jobsuche auf dem roten Kontinent

Brisbane, Sydney, Melbourne

weltweiser · Schnorcheln im australischen Riff
  • GESCHRIEBEN VON: ANDREA GLIESCHE
  • LAND: AUSTRALIEN
  • AUFENTHALTSDAUER: 12 MONATE
  • PROGRAMM: WORK & TRAVEL
  • ERSCHIENEN IN: (NIX FÜR) STUBENHOCKER.
    DIE ZEITUNG FÜR AUSLANDSAUFENTHALTE,
    Nr. 4 / 2014, S. 65-66

„Warum willst du denn ausgerechnet ans andere Ende der Welt?“, fragten mich einige Leute in meinem sozialen Umfeld, als ich mich dazu entschloss, ein Jahr in Australien zu verbringen. Ich wollte die Zeit einerseits zum Reisen nutzen, andererseits erhoffte ich mir von dem Aufenthalt eine Aufwertung meines Lebenslaufs. Ein englischsprachiges Land sollte es sein, außerdem reizten mich die Aussicht auf ganzjährig schönes Wetter und Australiens beeindruckende Landschaften.

Ein weiterer Grund für meine Entscheidung war die australische Mentalität, von der ich oft gehört und gelesen hatte und die ich heute nur bestätigen kann: Australier sind das freundlichste Volk, das mir je begegnet ist. Das lässt sich möglicherweise dadurch erklären, dass dort verschiedenste Kulturen zusammenleben und man Rücksicht aufeinander nimmt. Häufig bot man mir Hilfe an, bevor ich überhaupt dazu gekommen war, jemanden anzusprechen. Zur Begrüßung fragen die Menschen „how are you?“, und oft entsteht gleich ein Gespräch daraus. Diese Freundlichkeit fiel mir insbesondere in Brisbane auf. Wildfremde Leute grüßten mich auf der Straße und plauderten mit mir, als wären wir seit 20 Jahren Nachbarn. Als ich einmal am Straßenrand wartete, um von jemandem abgeholt zu werden, winkte mir ein Pärchen von der anderen Seite zu und rief: „Du bist sicher neu zugezogen, oder? Hast du Lust auf Drinks?“ Auch beim Einkaufen war der Umgang viel persönlicher. Während in Deutschland das Bezahlen möglichst schnell gehen soll und abgesehen von der Begrüßung kein Gespräch zustande kommt, erzählt in Australien fast jeder an der Kasse eine kleine Geschichte zu seinem Einkauf. Ich kam mir manchmal fast unhöflich vor, wenn ich bloß grüßte und bezahlte.

Im Gespräch mit Arbeitgebern empfand ich die Atmosphäre ebenfalls als sehr angenehm. Diese verließen sich bei der Auswahl von Bewerbern in der Regel auf mündliche Aussagen, ohne nach schriftlichen Nachweisen zu fragen. Die entspannte Mentalität äußerte sich allerdings auch darin, dass anders als in Deutschland nicht viel Wert auf Pünktlichkeit gelegt wurde. Besonders im geschäftlichen Bereich erlebte ich es immer wieder, dass Termine verschoben wurden oder dass ich lange auf eine Person warten musste. Die Freundlichkeit der Australier konnte durchaus irreführend sein, wenn man eine Ablehnung für einen Job erhielt. Der typische Satz „Momentan haben wir keine freien Stellen, aber du kannst gern deinen Lebenslauf hier lassen!“ ließ im ersten Moment Hoffnung aufkommen, dabei wanderte das Dokument in den nächsten fünf Minuten in den Papierkorb. Jobs in Australien zu finden, sah in der Theorie simpler aus, als es tatsächlich war. Die Suche nach Arbeit scheint vor ein paar Jahren wesentlich einfacher gewesen zu sein, da sie in Blogs und Foren oftmals als „ganz easy“ beschrieben wird. Die Zahl der Backpacker nahm jedoch innerhalb der letzten Jahre immer mehr zu, sodass die Konkurrenz um die Jobs größer wurde. Die hohe Nachfrage wirkte sich zudem negativ auf die Gehälter aus. Trotzdem kann man Arbeit finden, mit Glück auch gut bezahlte, wenn man flexibel genug ist.

junger Mann sitzt an Holztisch und tippt auf Laptop
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Die meisten meiner Jobs waren nicht von langer Dauer, was natürlich auch daran lag, dass ich zwischendurch auf Reisen war. Ich fand es bereichernd, viele verschiedene Aufgaben zu übernehmen, auch wenn es meistens simple Tätigkeiten waren. Zuerst verkaufte ich Pflanzenbewässerungskügelchen auf Sonntagsmärkten. Der Job eignete sich gut für den Anfang, um viel mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen. Dann fing ich in einem deutschen Restaurant als Küchenaushilfe an, wo mich leider ein sehr respektloser deutscher Chef erwartete. Nachdem ich mich drei bis vier Wochenenden durchgekämpft hatte, war ich froh, dort wieder weg zu sein. In Sydney hatte ich die größte Vielfalt an Jobs: Ich verteilte Flyer und durfte nebenbei an einem Zumba-Kurs teilnehmen, putzte für zwei Firmen und war für die Reinigung und Schlüsselübergabe einer Ferienwohnung zuständig. Besonders stolz war ich auf einen Auftrag, bei dem ich meine Kenntnisse im Grafikdesign nutzen konnte, um ein Logo und ein E-Mail-Banner zu gestalten. Für diese Jobs erwiesen sich die Internetportale „Gumtree“ und „Airtasker“ als sehr hilfreich.

„Zu der Zeit suchte ich derart verzweifelt nach Arbeit, dass ich bereit war, überall hinzureisen“

In Melbourne verteilte ich anderthalb Monate bei einem „door-to-door“ Job Energiesparsteckdosen an Privathaushalte. Da ich selbst keine an Türen klopfenden Verkaufsvertreter mag, konnte ich den Job moralisch nur vertreten, weil die Dosen aufgrund eines Energiesparplans kostenlos vom Staat zur Verfügung gestellt wurden. Anfangs hatte ich tatsächlich viel Spaß bei dem Job, da die Leute überwiegend freundlich waren. Zum Teil waren sie so gesprächig, dass ich zusehen musste, mich nicht zu sehr zu verquatschen, da der Job pro installierte Dose bezahlt wurde. Der Lohn war vergleichsweise hoch, jedoch stellte sich am Ende ein gewisser „Haken“ heraus, sodass ich $1000 weniger erhielt als vom Arbeitgeber anfangs versprochen. Bedauerlicherweise können wohl vor allem Backpacker leicht über den Tisch gezogen werden. Eine solche Erfahrung musste ich noch einmal machen, als ich mich relativ am Ende meines Auslandsjahres wegen eines Farmjobs auf den langen Weg von Brisbane nach Mildura machte. Zu der Zeit suchte ich derart verzweifelt nach Arbeit, dass ich bereit war, überall hinzureisen. Die Bezahlung klang vielversprechend, jedoch stellte sich später heraus, dass der angebliche Chef ein Arbeitsloser war, der schwarz arbeitete und nebenbei Backpacker für einen Hungerlohn beschäftigte, das meiste Geld aber selbst einstrich. Immerhin hatte ich nun bereits Erfahrung darin, Drähte an Weinreben anzubringen, sodass ich an anderer Stelle die gleiche Arbeit mit angemessener Bezahlung finden konnte. Das typische „fruit picking“ war oftmals nicht sehr gut bezahlt, aber das hing auch immer vom Ort und von den Tätigkeiten ab.

„Die Preise für Lebensmittel waren etwa doppelt so hoch wie in Deutschland“

Am besten verdiente ich bei einem dreitägigen, privaten Malerjob, mit einem Lohn von $200 pro Tag. Durch eine Werbeaktion eines Casinos in Sydney kam ich auf einfachste Weise zu Geld. Man erhielt $50 bei der Anmeldung und weitere $50, wenn man fünf Personen mitbrachte, die sich ebenfalls anmeldeten. Schließlich verließ ich mit $175 das Casino, ohne auch nur einen Finger dafür krumm gemacht zu haben. Aber solche Sachen erlebt man natürlich nicht alle Tage… Außerdem ging das Geld in Australien sehr schnell weg. Die Preise für Lebensmittel waren etwa doppelt so hoch wie in Deutschland. Kleidung war dagegen zum Teil sehr billig, Pullover für $5 und T-Shirts für $3 waren keine Seltenheit. Für die Übernachtungen in Hostels oder WGs gab ich wöchentlich $100 bis $180 aus, obwohl ich immer nach den günstigsten Unterkünften Ausschau hielt. Auch wenn man in Hostels leicht Kontakte knüpfen kann, bin ich kein großer Liebhaber von ihnen, da mir das Gefühl von Privatsphäre sehr wichtig ist. Daher suchte ich mir jedes Mal eine WG oder Ähnliches, wenn ich länger an einem Ort blieb. In Melbourne hatte ich das Glück, für zweieinhalb Monate kostenlos bei einer älteren Dame wohnen zu können. Im Gegenzug half ich ihr im Haushalt und Garten und fuhr mit ihr zum Einkaufen. Es war ein besonderes Erlebnis, auf der linken Straßenseite zu fahren!

„Später folgten wir mit einem Van der beliebten Ostküstentour von Brisbane nach Cairns“

Die typischen Unternehmungen für Backpacker wie Tagestrips und Sportaktivitäten empfand ich als sehr teuer, weshalb ich die Gegend meist lieber privat mit Freunden im Auto erkundete. Mein Weg führte mich von Brisbane über Sydney nach Melbourne. Dann besuchte mich meine beste Freundin aus Deutschland und wir reisten eine Woche in Tasmanien mit einem gemieteten Auto durch wunderschöne Landschaften. Es war eine unvergessliche Zeit! Wir besuchten National- und Vogelparks sowie verschiedene Strände und unternahmen viele tolle Ausflüge. Später folgten wir mit einem Van der beliebten Ostküstentour von Brisbane nach Cairns. Nach der Reise mit meiner Freundin kehrte ich nach Brisbane zurück und fuhr letzten Endes für den bereits erwähnten Farmjob nach Mildura. Doch zuvor legte ich eine Auszeit ein, um ein wenig zu feiern. Da Spirituosen sehr teuer sind, trinken Backpacker bevorzugt den sogenannten „Goon“. Dabei handelt es sich um einen günstigen Rot- oder Weißwein in 4-Liter-Pappboxen.

„Insgesamt war dieses Abenteuer die beste Entscheidung, die ich jemals getroffen habe“

Rückblickend bin ich sehr froh, dass ich dieses Jahr allein bestritten habe. Auf sich gestellt, lernt man viel über sich selbst und ist häufiger gezwungen, Probleme selbstständig zu meistern und offen auf Leute zuzugehen. Anfangs war die Angst vor dem Alleinsein jedoch noch groß. Wenn ich an neuen Orten ankam, hatte ich nach ein paar Tagen spannender Erkundungstouren zunächst ein kleines Tief, weil mir Freunde fehlten. Aber schon bald stellte ich fest, wie einfach es war, andere Leute kennenzulernen. Mit jedem neuen Ort war das Tief schneller überwunden, da sich bereits nach kurzer Zeit Kontakte und Bekanntschaften ergaben. Besonders in Hostels ergaben sich viele Möglichkeiten, Leute sämtlicher Nationen kennenzulernen. Daher kann ich der Aussage, dass Reisen bildet, nur zustimmen. Die vielen persönlichen Lebensgeschichten der Menschen, die ich getroffen habe, haben mein Interesse an verschiedenen Ländern geweckt. Insgesamt war dieses Abenteuer die beste Entscheidung, die ich jemals getroffen habe. Ich kann es jedem nur empfehlen – ihr könnt bei so einer Reise lediglich dazugewinnen!

Andrea Gliesche, 32, war vor ihrem Auslandsjahr in Australien als Anzeigenberaterin tätig. In Zukunft möchte sie ihre Ausbildungen als Bürokauffrau und Grafik-Designerin kombinieren und als Marketingassistentin arbeiten. Dank ihrer verbesserten Englischkenntnisse und der neu gewonnenen Erfahrungen stehen die Chancen gut!

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Koala Bär
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