Neues Leben und Erleben

Auslandsjahr in Neuseeland

weltweiser · Auslandsjahr · Neuseeland · Wellington
  • GESCHRIEBEN VON: HANNAH SPITTLER
  • LAND: NEUSEELAND
  • AUFENTHALTSDAUER: 10 MONATE
  • PROGRAMM: SCHÜLERAUSTAUSCH
  • ERSCHIENEN IN: (NIX FÜR) STUBENHOCKER.
    DIE ZEITUNG FÜR AUSLANDSAUFENTHALTE,
    Nr. 9 / 2019, S. 17-18

Kia Ora! Das ist die Begrüßung der Maoris, der Ureinwohner Neuseelands. Ihre Kultur und noch vieles mehr durfte ich in meinem Auslandsjahr Down Under kennenlernen. Aber bis ich endlich im Flieger nach Neuseeland saß, dauerte es ganz schön lange.

Angefangen hatte alles mit den Geschichten meiner Mutter, die selbst als Schülerin ein Jahr im Ausland war. Als ich dann noch in der Schule Informationen zum Austausch bekam, war mir klar, dass ich mir das nicht entgehen lassen konnte. Nach anfänglicher Recherche wurde mir schnell bewusst, dass es doch nicht ganz so einfach geht. Es häuften sich Fragen über Fragen und meine Eltern meinten, dass es meine Aufgabe sei, mich damit auseinanderzusetzen. Ich wusste, dass ich in ein Land will, in dem man Englisch spricht, da ich die Sprache sehr gerne mag. Aber welches Land es genau sein sollte, wusste ich dann doch nicht. Nach einem Gespräch mit meiner Oma, die jetzt 90 Jahre alt ist und in ihrem Leben viel gereist ist, war mir klar, dass Neuseeland mein Zielland sein würde. Als Nächstes fällte ich die schwierige Entscheidung, mit welcher Organisation ich gehen würde. Sobald ich die Organisation gewählt und mein Vorstellungsgespräch hinter mich gebracht hatte, ging vieles ein ganzes Stück leichter. Sie nahmen mich bei der Hand und halfen mir unter anderem mit dem Visum, der Schulwahl und den Flügen. Zudem gab es von meiner Organisation aus ein Vorbereitungsseminar in Hamburg und in Auckland, bei dem alle wichtigen Fragen besprochen wurden.

Je näher der Abflugtag rückte, desto schneller verflog die Zeit. Als Kontaktmöglichkeit für alle Freunde und Verwandten beschloss ich, einen Blog anzulegen, auf dem ich vor allem am Anfang mit Textbeiträgen und – viel wichtiger noch – mit vielen Bildern über meine Zeit in Neuseeland berichten konnte. Und so hielt ich zwei Wochen vor dem Abflug Folgendes fest: „Es ist sehr seltsam, mir vorzustellen, so weit wegzugehen und vor allem für so eine lange Zeit – eigentlich kann ich es mir gar nicht vorstellen …“. Als ich das schrieb, war ich gerade mal 15 Jahre alt und war noch nie zuvor geflogen. Die Vorstellung, an einem Tag in ein Flugzeug zu steigen und anderthalb Tage später auf der anderen Seite der Welt auszusteigen und ein neues Leben zu beginnen, ein Leben, in dem man noch niemanden kennt, war so verrückt und schier unvorstellbar. Neben meinem Blog bastelte ich auch ein Abschiedsbuch, welches ich vor meiner Abreise allen Freunden und meiner Familie gab, damit sie etwas hineinschreiben konnten. Das war trotz der vielen Tränen, die ich im Flugzeug vergoss, eine gute Idee. Ein paar Tage vor meinem Flug organisierten meine Freunde dann noch eine Überraschungsparty für mich. In dem Moment realisierte ich, dass es jetzt wirklich losgeht.

Bundesverwaltungsgericht in Leipzig
13. April
Leipzig
Reclam-Gymnasium
10 bis 16 Uhr
St. Pauli Landungsbrücken in Hamburg
13. April
Hamburg
Gymnasium Oberalster
10 bis 16 Uhr
junger Mann sitzt an Holztisch und tippt auf Laptop
14. April
Online
Wherever you are
17 bis 19 Uhr
Neues Schloss in Stuttgart
20. April
Stuttgart
Eschbach Gymnasium
10 bis 16 Uhr

Der Flug und die ersten Tage in Neuseeland waren echt cool. Ich war mit neuen Freunden unterwegs und wir erkundeten einfach alles. Insbesondere das Vorbereitungsseminar in Auckland hat mir gut gefallen. Nach dem Seminar ging es zu den Gastfamilien und ich erinnere mich noch genau, wie nervös ich war. Aus lauter Nervosität redete ich ununterbrochen, damit es bloß keine unangenehmen Pausen gibt. Ich hatte mich ganz bewusst für das Leben in einer Gastfamilie entschieden, da es für mich – auch jetzt noch – der beste Weg ist, ein Land und seine Kultur kennenzulernen. Es tat mir sehr gut, einen Einblick in ein anderes Familienleben zu erhalten und mich dort auch als Teil der Familie zu fühlen. Im Haushalt hatte ich kleine Aufgaben, wie zum Beispiel mein Zimmer selber zu saugen, meine Wäsche zu waschen und einfach etwas mitzuhelfen. Und da ich sehr gerne koche und backe, half ich in der Küche mehr mit und kochte oder backte meiner Familie ab und an etwas Deutsches und brachte ihnen so auch einen Teil unserer Kultur näher. Alles in allem war die erste Zeit in Neuseeland so voll mit neuen Eindrücken, dass ich die ersten zwei Wochen schon um 17 Uhr vor dem Abendessen total übermüdet war. Es war einfach eine Flut an neuen Sachen, die auf mich zugerollt ist.

„Neben meinem Blog bastelte ich auch ein Abschiedsbuch“

Auch an der Schule war alles neu. Ich besuchte die lokale Wellington High School und man kann die Schule dort nicht unbedingt mit der Schule in Deutschland vergleichen. Das Lernen ist viel stärker an individuelle Bedürfnisse angepasst und man konnte Fächer wie beispielsweise Kochen, Fotografie und Outdoor-Education wählen. Klassenarbeiten und Tests musste ich nicht unbedingt mitschreiben, aber ich merkte schnell, dass man eher Teil der Klasse ist, wenn man etwas Engagement zeigt, und dass der Unterricht so auch mehr Spaß macht. Zu Beginn war ich noch in der 12. Klasse, später dann in der Abschlussklasse, also der 13. Klasse. Und so fing je nach Fächerwahl die Schule um 8:45 Uhr oder oft auch erst um 10 Uhr morgens an. Um 15:20 Uhr war Schulschluss und anschließend konnte man noch an Freizeitaktivitäten der Schule teilnehmen, wie zum Beispiel Drachenbootfahren, Federball, Fußball, Fechten, aber auch Musizieren und Theater spielen. Was mir außerdem an der Schule besonders gut gefiel, war der offene Umgang zwischen Lehrern und Schülern. Es war bei den meisten Lehrern selbstverständlich, dass man sich gegenseitig mit Vornamen anredete. Das hat sich auch im Schulspirit widergespiegelt und der Umgang unter uns Schülern war von unglaublicher Akzeptanz geprägt.

„Ich fing an zu zweifeln und habe mir Sachen regelrecht schlecht geredet“

Nach der Schule verabredete ich mich oft mit Freunden und wir gingen mal Klettern, mal Eis essen, mal zu einem Akrobatik-Yoga-Kurs und mal einfach die Stadt Wellington erkunden. Spannend wurde es vor allem am Wochenende und in den Ferien. Mehrmals fuhr ich mit dem Wanderverein für ein Wochenende in die Berge und wir wanderten von Hütte zu Hütte oder ich machte mit Freunden und deren Familien einen Roadtrip. Am Anfang kannte ich ja niemanden abgesehen von meiner Gastfamilie. Deshalb war es für mich sehr wichtig, Freunde zu finden. Zu Beginn habe ich mich vor allem mit anderen Austauschschülern angefreundet, mit der Zeit habe ich dann mehr und mehr „Kiwis“ – so nennen sich die Neuseeländer, nach dem Nationaltier, dem Kiwi-Vogel – kennengelernt. Während ich meine ersten Freundschaften in der Schule schloss, entstanden weitere über die „Youth Group“ der Kirche und übers Wandern und Klettern. Früher bin ich kaum auf neue Menschen zugegangen und alle meine Freunde kenne ich schon seit Jahren. Ich habe gemerkt, dass es mir mit der Zeit im Ausland immer einfacher gefallen ist und ich immer besser darin geworden bin, neue Kontakte zu knüpfen.

Überhaupt habe ich die besten Sachen in diesem Jahr genau dann erlebt, wenn ich mich vorher überwinden musste, etwas Neues auszuprobieren. All die Wanderungen, die ich mit dem Wanderclub oder mit Familie und Freunden machte, waren ohne Frage die prägendsten Erlebnisse. Mein absolutes Highlight war eine fünftägige Wanderung durch das Nelson-Lakes-Gebiet, auf die mich einer meiner Freunde einlud. Einen ganzen Tag mit Shorts durch den strömenden Regen laufen und sich danach in natürlich heißen Thermalquellen entspannen, den Sonnenaufgang auf dem Gipfel eines Berges erleben, in eiskalten Gebirgsseen schwimmen und stundenlang auf der Hütte neben dem wärmenden Kamin Karten spielen, immer mit einem Lächeln im Gesicht – das sind die Augenblicke, an die ich mich am liebsten zurückerinnere. Auch die Nordinseltour, die ich mit zwei Freunden zusammen buchte, war einmalig und gab mir die Gelegenheit nach damals drei Monaten, das erste Mal etwas vom Land und den Städten zu sehen. Zudem knüpfte ich so noch weitere Bekanntschaften, die ich dann im Laufe des Jahres besuchen konnte, und so kam ich noch einmal nach Nelson und Napier. Weiterhin besuchte ich eine Großcousine meiner Oma in Rotorua, mit welcher ich bis heute noch in Kontakt bin, und Freunde meines Vaters in Auckland. Zu letzterem Besuch nahm ich meine beste Freundin mit, woraufhin sie mich mit zu einer ihrer Bekannten nach Sydney, Australien, nahm. Das Neujahrsfeuerwerk in Sydney war der Höhepunkt und der Strandurlaub am Hyams Beach, bei dem wir passend zur Weihnachtszeit Sandmänner bauten, war wunderschön.

„Die meisten meiner Ängste erwiesen sich als vollkommen unbegründet“

Insgesamt gab es viele Zeiten, an die ich mich sehr gerne zurückerinnere. Momente, in denen ich mich unglaublich glücklich geschätzt und das Leben in vollen Zügen genossen habe. Aber natürlich gab es auch mal Tiefpunkte in meinem Auslandsjahr. Vor allem am Anfang gab es Zeiten, in denen ich mich sehr einsam gefühlt habe, besonders vor meinem Gastfamilienwechsel. In der ersten Gastfamilie fühlte ich mich nicht wirklich wohl und da konnte selbst meine Mutter am Handy kein Gefühl der Geborgenheit geben. Ich fing an zu zweifeln und habe mir oft Sachen regelrecht schlecht geredet. Als ich dann auch noch krank wurde und eine Hautinfektion bekam, war es eine echte Herausforderung, noch positiv zu bleiben. Nachdem ich die Gastfamilie gewechselt hatte und viel Zeit verstrichen war, ging es mir immer besser. Gegen Ende des Jahres hatte ich das Gefühl, das mich jetzt nichts mehr aufhalten kann. Auch wenn es mir in den dunklen Zeiten wirklich richtig dreckig ging und ich in dem Moment am liebsten wieder nach Hause geflogen wäre, kann ich jetzt zurückschauen und stolz auf mich sein. Ich habe sehr viel daraus gelernt und bin sogar froh, diese Tiefpunkte durchlebt zu haben, da ich sonst nicht all die anderen tollen Momente hätte erleben und auch wertschätzen können. Eines der wichtigen Dinge, die ich in diesem Jahr gelernt habe, ist, dass Gefühle temporär sind. Es ist okay, mal Tiefpunkte zu haben, die hat jeder mal, aber für mich war entscheidend, was ich aus ihnen gemacht habe. Es half mir oft, meine Gefühle aufzuschreiben, aber nicht, um in meinem Selbstmitleid zu versinken, sondern um mich wieder aufzuraffen und die positiven Dinge wieder zu sehen. Für mich persönlich war mein Jahr im Ausland das Wichtigste, das ich bisher gemacht habe. Nicht nur für mein Selbstbewusstsein, sondern auch für meine Persönlichkeitsentwicklung und meine Lebenseinstellung. Ich bin an meinen Herausforderungen gewachsen und habe so viel Neues dazugelernt. Das Verrückteste, das ich in dem Jahr gemacht habe, war definitiv, mir mit drei Freunden meine Haare als Solidaritätsaktion gegenüber Krebskranken abzurasieren. Ob ich das in Deutschland je gewagt hätte, kann ich nicht sagen.

Hannah Spittler, 17, macht zunächst noch ihr Abitur und möchte dann voraussichtlich studieren und reisen. Außerdem möchte sie unbedingt noch einmal nach Neuseeland. Weitere Erlebnisse hat sie auf ihrem Blog https://hannahs-journey-nz.jimdo.com festgehalten.

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