Praktikum im Südwesten Irlands
„Bei uns stehen die Kühe 300 Tage im Jahr auf der Weide“, sagt der charmant lächelnde Bauer, umgeben von saftig-grünen Wiesen, rauschendem Meer und steil hinabfallenden Klippen, keltische Musik spielt im Hintergrund.
Spätestens nach der „Kerrygold“-Werbung, die Butter mit dem Zusatz von Milch irischer Kühe bewirbt, hat wohl jeder ein Bild von Irland. Doch entspricht diese dargestellte Harmonie tatsächlich der Realität? Vorneweg: Ja, Irland ist ein unglaublich fantastisches Land. Ein angenehm mildes Klima, grasende Schafe und Kühe, wohin das Auge blickt, kleine enge Straßen, die direkt an der Küste verlaufen, weißer Sandstrand und winzige Dörfchen im Nirgendwo, fernab von jeder Zivilisation. So durfte ich Irland für sechs Monate kennenlernen. Von meiner hektischen Studentenstadt ging es für mich auf die grüne Insel, auf der man so oft das Gefühl hatte, dass die Zeit stehen blieb. Und ja, die Wiesen sind dort tatsächlich so grün, selbst im Herbst und Winter. Doch zurück zum Anfang: Im Rahmen meines Studiums war im vierten Semester ein Praktikum vorgesehen, und da ich unbedingt die Chance nutzen wollte, ein anderes Land kennenzulernen und gleichzeitig mein Englisch zu verbessern, sah ich mich frühzeitig nach Praktika im Ausland um. Durch Kontakte meiner Hochschule und Erfahrungsberichte anderer Studierender, landete ich dann schlussendlich bei Liebherr Container Cranes in der „Marketing & Sales“-Abteilung im kleinen Städtchen Killarney. Das Abenteuer Irland konnte also beginnen.
Schon während meiner fast zweistündigen Fahrt vom Shannon Flughafen nach Killarney teilte ich über WhatsApp fleißig meine ersten Eindrücke mit meinem Freund und meiner Familie: „Bin noch keine 5 Minuten hier und schon regnet es. Erstes Klischee erfüllt!“, „Wow, hier stehen direkt neben der Straße total coole Burgruinen!“ und „Hier sind einfach überall Schafe!“. Wobei ich im Nachhinein sagen muss, dass ich das typisch irische Klischee, dass es an zehn von zehn Tagen regnet, glücklicherweise absolut nicht bestätigen kann, obwohl mein Praktikum während der Wintermonate stattfand. Ich wohnte in einem Studentenhaus, das von der Firma gestellt wurde, was mir die Wohnungssuche ersparte. Dieses Haus teilte ich mir mit vier anderen Studenten. Davon waren zwar drei aus Deutschland, aber da wir alle unser Englisch aufbessern wollten, kommunizierten wir notgedrungen trotzdem in Englisch miteinander, um uns so gegenseitig beim Lernen von neuen Vokabeln zu unterstützen.
Die meiste Zeit verbrachte ich selbstverständlich bei der Arbeit. Da ich zu dem Zeitpunkt noch nie in einem deutschen Büro gearbeitet hatte, kann ich schlecht die deutsche Arbeitsweise mit der der Iren vergleichen. Ich kann jedoch sagen, dass ich sehr herzlich von meinen Kollegen aufgenommen wurde. Allerdings muss ich zugeben, dass ich mich anfangs mit dem irischen Akzent ein wenig schwertat. Dieser ist vor allem in dieser Region, dem County Kerry, etwas stärker ausgeprägt. Daraus resultierte, dass ich ein bisschen schüchtern bezüglich Smalltalk war und es mir schwerfiel, auf meine Kollegen zuzugehen, da es mir einfach unangenehm war, ständig nachfragen zu müssen, wenn ich etwas nicht verstand. Aber meine Kollegen waren trotz allem wirklich sehr nett und haben mir auch des Öfteren waschechte irische Tipps und Tricks beigebracht. Zum Beispiel lehrten sie mich, wie man irischen Whiskey wirklich zu trinken hat: Man soll 2-3 Tropfen lauwarmes Wasser in den Whiskey geben und 5 Minuten warten. Danach sollte der Whiskey anscheinend absolut fantastisch schmecken. Obwohl ich mich absolut nicht als Whiskeytrinker einstufen würde, wagte ich einige Tage später das Experiment und konnte das Gefühl der Enttäuschung nur schwer unterdrücken, als mein geschulter Whiskey-Gaumen einfach überhaupt keinen Unterschied schmecken konnte. Schade.
„Man soll 2-3 Tropfen lauwarmes Wasser in den Whiskey geben und 5 Minuten warten. Danach sollte der Whiskey anscheinend absolut fantastisch schmecken.“
Killarney an sich ist wirklich ein zuckersüßes Städtchen im Südwesten Irlands, dem angeblich schönsten Teil ganz Irlands. Und obwohl es zwar auf den ersten Blick eine kleine verschlafene irische Stadt zu sein scheint, wird man seine Meinung schnell ändern, sobald man das erste Mal einen wilden Pub-Besuch am Wochenende mitgemacht hat. Denn ich habe die Iren als ein sehr feierfreudiges Volk kennengelernt, das bei traditionell-irischer Livemusik gerne die Nächte durchtanzt. Und obwohl ich in Deutschland wirklich ungern feiern gehe, packte selbst mich die Stimmung in den Pubs so sehr, dass ich einfach nicht anders konnte als mitzufeiern. Dennoch merkte ich schnell, dass Killarney eine absolute Touristenstadt ist. So gibt es dort sehr viele Souvenir-Shops, Touristenbüros, die Tagestouren anbieten, unzählige Cafés, Restaurants und Pubs, und dementsprechend ist im Zentrum immer was los. Obwohl ich normalerweise kein großer Freund von kleinen Städten bin, fühlte ich mich dort sehr wohl. Die Menschen kommen von überall her, um den „Ring of Kerry“ zu befahren oder sich den Nationalpark anzuschauen. Ich dagegen hatte das Glück, für ein paar Monate dort zu leben, und habe in der Zeit das irische Städtchen unglaublich ins Herz geschlossen. Der wunderschöne Nationalpark ist so groß, dass man mehrere Ausflüge dorthin machen kann. Tolle Berge, wunderschöne Seen und „kleine“ Attraktionen wie ein Wasserfall oder eine mittelalterliche Burgruine machen den Park zu etwas ganz Besonderem.
„Obwohl ich normalerweise kein großer Freund von kleinen Städten bin, fühlte ich mich dort sehr wohl“
Was ich an den Iren sympathisch fand, war die außergewöhnliche Hilfsbereitschaft. Es reichte meistens schon, ein wenig verwirrt durch die Gegend zu schauen, und schon kam der erste Einheimische, um Hilfe anzubieten. Ich habe die Iren zudem als sehr gesprächig kennengelernt. Schon als ich am Tag meiner Ankunft in Irland mit meiner Kamera durch die Stadt zog und die Straßen erkundete, sprachen mich mehrere Leute an und fragten, woher ich denn käme und was ich hier in Irland mache. Die Iren haben einfach diese locker-leichte Lebenseinstellung, was mir persönlich super gefallen hat. Abgesehen von der turbulenten Pubkultur, die keineswegs vergleichbar mit der Partyszene in Deutschland ist, fielen mir weitere Eigenarten auf, die Irland zu einem einzigartigen und liebenswerten Land machen. Lustig fand ich die Schilder, die auf Kobolde oder „leprechauns“ hinweisen, beispielsweise „Leprechauns crossing“, auch wenn es fraglich ist, ob es nun ernst gemeint ist oder eher zur Belustigung der Touristen dient. Weiterhin sind die Iren sehr stolz auf ihre irische Sprache, die doch mehr Leute sprechen, als ich vor Beginn meiner Reise geahnt hatte. Zwar wurde mir gesagt, dass heutzutage fast nur ältere Leute untereinander die traditionelle Sprache sprechen, allerdings war jedes Straßen- und Ortsschild, zusätzlich zur englischen Sprache, auch mit Irisch versehen. Außerdem soll es unter Schülern beliebt sein, während der Sommerferien einen irischen Sprachkurs zu belegen, um so die Sprache nicht aussterben zu lassen. Und obwohl ich mir insgeheim wünschte, nach meinem Aufenthalt ein wenig Irisch sprechen zu können, musste ich leider sehr früh feststellen, dass es doch schon ein wenig mehr bedarf, als auf Trips durch Irland ein paar Wörter aufzuschnappen. Denn vor allem die kniffelige Aussprache demotivierte mich, es überhaupt richtig zu probieren.
„Schilder, die auf Kobolde oder ‚Leprechauns‘ hinweisen, beispielsweise ‚Leprechauns crossing’“
Neben der Arbeit bin ich natürlich sehr viel gereist. Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten – von Bustouren und Städtetrips über Delfin- und Walbesichtigungen auf dem offenen Meer bis hin zu Besuchen bei Whiskey-Destillerien oder Bierbrauereien, sportlichen Wanderungen oder gemütlichen Roadtrips. Wir machten auch einen Ausflug ins benachbarte Nordirland, um dort die „Game of Thrones“-Schauplätze zu besichtigen. Dadurch, dass Irland ein relativ kleines Land ist, kann man in kurzer Zeit sehr viel vom Land sehen. Ich war so gut wie jedes Wochenende mit meinen Mitbewohnern oder auch mal alleine in verschiedenen Ecken des Landes unterwegs. Vor allem, was die Natur anbelangt, ist Irland einfach sehr wechselhaft, und egal, ob Berge, Meer, Seen, Wälder, Wiesen, Küsten oder Klippen, dort gibt es einfach alles, was das Naturliebhaberherz begehrt. Ich liebe an Irland dieses Ursprüngliche. Wir sind an winzigen Gemeinden vorbeigekommen, die erstens aufgrund der schlechten Infrastruktur unglaublich schwer zu erreichen sind, und von denen aus man weit fahren muss, um zur nächsten Zivilisation zu gelangen. Ich habe mich oft gefragt, was die Bewohner im Falle eines Feuers oder eines anderen Notfalls tun. Vom Handyempfang an diesen Orten natürlich ganz zu schweigen. Man fühlt sich tatsächlich Jahrzehnte zurückversetzt, in eine Zeit, in der man nur sein Häuschen in der Natur und seine Schafherde benötigt, um ein glückliches Leben zu führen. Währenddessen herrscht um einen herum einfach nur komplette Stille. Abgesehen vom Rauschen des Meeres ist einfach nichts zu hören und man sieht keinen anderen Menschen weit und breit. Und auf einmal fühlt es sich ein wenig komisch an, mit dem Smartphone in der Tasche und der Kamera um den Hals – als ob man diese Ruhe und die Harmonie an diesem Ort irgendwie unterbricht und dem Ursprünglichen in diesem Moment nicht gerecht werden kann.
„Ich habe mich aber absolut in Irland verliebt“
Ich hätte mir persönlich kein schöneres Land als Irland für mein Praktikum vorstellen können. Die Landschaft dort ist einzigartig und man kann getrost behaupten, dass die „Kerrygold“-Werbung die Realität widerspiegelt. Leider habe ich das Gefühl, dass Irland oft ein wenig unterschätzt wird. Anfangs freute ich mich schon bei der Zusage meiner Bewerbung auf Irland, aber außer der Stichworte „Regen“ und „grüne Wiesen“ konnte ich nicht viel mit Irland assoziieren. Im Nachhinein habe ich mich aber absolut in Irland verliebt. Ich habe so viel über die Geschichte, die Eigenart, das gesamte Land an sich gelernt, und obwohl ich weder Alkohol mag noch Fleisch esse, und daher wohl nie in den tatsächlichen Genuss von irischem Whiskey, Guinness oder dem traditionellen Lamb Stew kommen werde, könnte ich mir sehr gut vorstellen, in ein paar Jahren dauerhaft nach Irland zu ziehen und das Abenteuer auf der grünen Insel fortzusetzen. Ich kann es also wirklich nur jedem von Herzen empfehlen, für einen Urlaub oder natürlich für einen längeren Aufenthalt nach Irland zu reisen, oder generell die Chance zu nutzen, durch ein Praktikum oder Ähnliches einzigartige Erfahrungen zu sammeln. Man hat definitiv nichts zu verlieren, und man wird durch eine abenteuerliche Zeit belohnt, die einem ein Leben lang bleibt. Also dann, slán agat!
Laura Hublitz, 22, studiert derzeit Informationsmanagement und Unternehmenskommunikation in Neu-Ulm.
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