Erfahrungsbericht zum Schüleraustausch: Vieles ist anders in Neuseeland
Kia ora everyone! Mein Name ist Daniel Flach und ich habe für gut acht Monate in Canterbury, New Zealand, in der Mackenzie Area auf einer Schaf- und Rinderfarm gelebt, circa 35km entfernt von dem kleinen Dorf Fairlie am Highway No. 8.
Canterbury ist eine Region, also so etwas wie Nordrhein-Westfalen, nur hat Canterbury rund 46.000km² und rund 520.000 Einwohner und NRW rund 34.000km² und 17,8 Millionen Einwohner. Canterbury hat also viel mehr Platz und viel weniger Einwohner, zumal knapp 400.000 davon in der Stadt Christchurch wohnen. Canterbury liegt an der Ostküste der Südinsel in der Nähe des Aoraki bzw. Mount Cook, dem mit 3.754m höchsten Berg des Landes. Neuseeland besteht aus zwei großen Inseln und mehreren kleinen und liegt im südlichen Pazifik. Man spricht dort Englisch und Maori, die Sprache der ersten Siedler. Neuseeland war bei der Auswahl des Gastlandes mein Favorit gewesen, da man dort die Schule und die Gegend, in der man leben möchte, selber wählen kann. Außerdem interessierte mich das Land als solches. Ich hatte mich für das Mackenzie College entschieden, da dort nur wenige bis gar keine anderen deutschen Schüler zu erwarten waren. Ich wollte ja nicht in ein englischsprachiges Land gehen, um dort Deutsch zu sprechen.
Meine Hinreise führte mich über London, Hongkong und Auckland, bis ich schließlich in Christchurch ankam. Auf dem Londoner Flughafen kam ich mit dem Englisch gut zurecht, sodass ich davon ausging, die Kommunikation würde recht einfach werden. In Christchurch angekommen, fragte ich mich dann allerdings, ob das immer noch Englisch war, was da um mich herum gesprochen wurde. Die ersten Tage nach meiner Ankunft waren ziemlich hart. Zum einen musste ich mich sehr konzentrieren, wenn jemand mit mir redete, da ich aufgrund der speziellen neuseeländischen Aussprache und Begriffe nicht alles auf Anhieb verstand. Zum anderen spürte ich die Nachwirkungen der recht langen Reise und die Auswirkungen der Zeitumstellung von plus zehn Stunden. Die erste Woche konnte ich nachts nicht wirklich schlafen, während ich um die Mittagszeit herum fast einschlief. Nach zwei bis drei Wochen hatte sich mein Körper dann endlich an die Zeitumstellung gewöhnt. Und nach den ersten vier Wochen hatte ich auch keine wirklichen Probleme mehr mit der Verständigung.
Meine Gastfamilie bestand aus meiner Gastmutter und meinem Gastvater, die ein wenig jünger sind als meine Eltern, und aus meiner Gastschwester Abby, welche ein halbes Jahr älter ist als ich. Zur Familie gehören noch zwei Söhne, die aber nicht mehr zu Hause wohnen. Von Anfang an fühlte ich mich willkommen auf der Farm und auch viele Monate nach meiner Rückkehr haben wir noch Kontakt zueinander. Mir gefiel sofort, dass das Leben in Neuseeland lockerer gesehen wird. Am anderen Ende der Welt lebt man nach dem „One Day-Motto“. Wie mein Gastvater immer so schön sagte: „Daniel, one day I will do it!“ Die komplette Familie meiner Gasteltern wohnt über die Südinsel verstreut, jedoch leben die meisten rund um Fairlie. So konnten wir uns gegenseitig bei der Farmarbeit helfen, da alle in der Landwirtschaft arbeiten und die Farmen im Vergleich zu Deutschland außerordentlich groß sind. Ich hatte mir gewünscht, während meines Aufenthaltes auf einer Farm zu leben, und schon nach wenigen Wochen stellte ich fest, dass dies eindeutig die richtige Entscheidung gewesen war.
„Wir mussten täglich mitten durch den Fluss fahren“
Nach ein paar Tagen der Eingewöhnung ging auch schon die Schule los. Um zur Schule zu gelangen, waren meine Gastschwester und ich auf den Schulbus angewiesen, da die Farm circa 35km von der Schule entfernt liegt. Aber erst einmal mussten wir mit dem Auto zur öffentlichen Straße fahren, wo uns der Schulbus einsammelte. Auf der Strecke zwischen Farm und Straße befindet sich eine zwölf Meter lange Brücke, die über einen Fluss führt. Im Frühjahr wurde diese Brücke saniert, sodass wir für den täglichen Schulweg mitten durch den Fluss fahren mussten. Mein neuseeländischer Schulweg war also etwas ganz anderes als das öde Bus- oder Fahrradfahren in Deutschland. Auch die Schule unterschied sich deutlich von dem, was ich von zu Hause gewohnt war. Wenn man in Deutschland eine Dokumentation über Neuseeland sieht, hört man oftmals Schüler sagen: „School is fun!“ Das kann ich eigentlich nur bestätigen, weil alles ein bisschen anders gesehen und gelebt wird. Die neuseeländischen Schüler haben wesentlich weniger Fächer, in der Regel fünf. Diese werden jeden Tag unterrichtet. Viele Fächer beinhalten mehrere deutsche Einzelfächer, so zum Beispiel Social Science, das ist Geschichte, Erdkunde und Politik in einem. Außerdem gibt es Fächer wie zum Beispiel Outdoor Pursuits, mit Theorie- und Praxisanteil. Da lernt man, etwa bei einer Skiwandertour, sich in der Natur zu bewegen und zu überleben und wie wichtig Teamfähigkeit ist. Ein Schulfach, das einem den nötigen Respekt vor der Schönheit und der Gewalt der Natur vermittelt.
„Man kommt nicht nur zur Schule, um zu lernen, sondern auch, um Spaß zu haben und in einer Community zu sein“
An meiner Gastschule begann der Schultag um 8:55 Uhr, die Schulstunden waren 60 Minuten lang und der Unterricht endete um 15:15 Uhr. Dazwischen gab es eine Mittagspause von 45 Minuten. Die Klassen waren sehr viel kleiner und die Schule war sehr gut ausgestattet. So hatte jeder einen eigenen Computer-Account mit der Möglichkeit, gegen kleine Gebühr auch drucken zu können. In jedem Raum befanden sich ein Beamer und ein Whiteboard und alles war jederzeit voll funktionsfähig. Meine Schule war mit 250 Schülern sehr klein, sodass jeder jeden kannte und man sich wie in einer Familie fühlte. Grundsätzlich müssen alle Schüler eine Schuluniform tragen, was zu einem Gemeinschaftsgefühl verhilft. Man kommt nicht nur zur Schule, um zu lernen, sondern auch, um Spaß zu haben und in einer Community zu sein. Es gibt Theateraufführungen, Musikveranstaltungen, Kunstausstellungen und Wettbewerbe in Naturwissenschaften zwischen den Schulen einer Region und darüber hinaus, ähnlich unserem „Jugend forscht“. Außerdem engagieren sich die Schüler an festgelegten Tagen ehrenamtlich für ihre Gemeinde oder Stadt. Das Schuljahr in Neuseeland beginnt übrigens nach den großen Sommerferien Ende Januar. Sommer ist hier, wenn bei uns Winter ist und umgekehrt. In Neuseeland ist ja auch Tag, wenn in Deutschland Nacht ist. Das Schuljahr ist in vier Terms unterteilt, das sind vier Quartale. Nach jedem Term gibt es ein Zwischenzeugnis, einen Report. In diesem Report werden die Arbeiten, die Tests, die Mitarbeit, die Hausaufgaben und die Vollständigkeit der Unterrichtsmaterialien bewertet. Die Schüler werden für jedes Fach separat beurteilt. Die Beurteilung erfolgt also viel umfangreicher als bei uns in Deutschland und eben auch öfter. Am Ende des Schuljahres, im Dezember, sind dann die Termine für die großen Prüfungen und die Abschlussarbeiten müssen eingereicht werden.
„Er freute sich so auf diese Spiele, dass er das Wohnzimmer komplett ausräumte, um darin ein privates Rugby-Stadion zu gestalten“
Während meines Aufenthalts fand der Rugby World Cup in Neuseeland statt. Mein Gastvater begeistert sich sehr für diese Sportart. Er hat selbst Rugby gespielt, war sogar Coach und wollte deshalb kein Spiel des World Cups verpassen. Er freute sich so auf diese Spiele, dass er das Wohnzimmer komplett ausräumte, um darin ein privates Rugby-Stadion zu gestalten. Dazu brachte er einen Fernseher an der Wand an und baute nur mithilfe einer Kettensäge und ein paar Nägeln eine riesige Holztribüne. Die Tribüne füllte das gesamte Wohnzimmer aus. Jedes Mal, wenn die neuseeländische Mannschaft spielte, wurden Freunde, Familie und die Nachbarschaft eingeladen, um gemeinsam mitzufiebern, zu grillen und zu feiern oder zu trauern. Trauern mussten wir jedoch zum Glück nicht oft, da die All Blacks – wer auch sonst – Weltmeister wurden. Und das wurde natürlich richtig gefeiert!
Der neuseeländische Winter war vorüber, der Frühling war in vollem Gange und der Sommer stand vor der Tür, als ich merkte, dass es bald schon wieder zurück nach Deutschland gehen sollte. Die Zeit in Neuseeland verging entschieden zu schnell. Ich hätte gerne verlängert, um den Kiwi-Lifestyle noch weiter genießen zu können. Eine Verlängerung hätte aber auch bedeutet, dass mein Abitur in Deutschland sich um ein Jahr nach hinten verschoben hätte. Das wollte ich nicht und daher ging es Ende Dezember schweren Herzens und mit viel zu schwerem Gepäck wieder nach Hause. Angekommen war ich mit zwei Koffern. Zurück flog ich mit drei Koffern und 17kg Handgepäck. Das hätte fast zur Folge gehabt, dass ich bereits in Auckland stecken geblieben wäre. Die Fluggesellschaft wollte mich mit dem schweren Handgepäck nicht auf den internationalen Flug lassen, aber glücklicherweise hatte jemand Nachsehen mit mir. Das nächste Mal nehme ich auf jeden Fall nur eine kleine Reisetasche mit den nötigsten und wichtigsten Kleidungsstücken mit. Alles andere kauft man sowieso besser vor Ort, um sich dem dortigen Lebensstil anpassen zu können.
„Für die Schönheit Neuseelands gibt es keine Worte“
Zusammenfassend kann ich festhalten: Meine Zeit in Neuseeland war bislang die beste Zeit meines Lebens. Ich habe mich am anderen Ende der Welt sehr wohl gefühlt und jeden einzelnen Tag auf der Hill-Country-Farm und in der Gegend genossen. Heimweh hatte ich in Neuseeland nicht. Ich habe dort viele Kontakte geknüpft und, um ehrlich zu sein, ich kann mich nach meinem Abitur wieder im Land der Kiwis sehen, auch wenn Freunde und Familie dann über 20.000 km entfernt sind. Ich habe mich in den Lebensstil und in das Land der 4,4 Millionen Einwohner und der circa 40 Millionen Schafe verliebt, auch wenn dort häufig die Erde wackelt. Ich habe so viel Neues gelernt, sei es in der Schule oder auf der Farm. Und immer bin ich dabei von der Sprache Englisch umgeben gewesen. Es ist wirklich etwas ganz anderes, eine Sprache im Alltag um sich zu haben, als sie ausschließlich im Fremdsprachenunterricht zu lernen. Mein Englisch hat sich ganz von alleine deutlich verbessert, auch wenn es sicherlich einen neuseeländischen Einschlag bekommen hat. Nun kann ich ohne Probleme an lebensnahen Konversationen teilnehmen. Das ist etwas, das man nur aus einem Lehrbuch nicht lernen kann. Sollte sich euch eine solche Chance bieten, solltet ihr diese auf jeden Fall ergreifen, da ihr so unglaublich viel davon profitieren könnt. Nicht nur das Lernen in der Schule, sondern vor allem die Auseinandersetzung mit einer anderen Lebensweise und der Umstand, sich in einer neuen Umgebung und fremden Sprache eigenständig bewegen zu müssen, bringen einen enorm weiter. Auch mein Gastland kann ich nur empfehlen, denn für die Schönheit Neuseelands gibt es keine Worte!
Daniel Flach, 16, besucht derzeit die 11. Klasse eines Gymnasiums in Mönchengladbach. Er plant, nach dem Abitur für einen Work & Travel-Aufenthalt wieder nach Neuseeland zu gehen. Zurzeit kann er sich auch ein Leben dort vorstellen.
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