Maori-Unterricht und „Kiwi Slang“

Eintauchen ins neuseeländische Lebensgefühl

weltweiser · Schülerin vor dem Meer
  • GESCHRIEBEN VON: JULIA BRENNER
  • LAND: NEUSEELAND
  • AUFENTHALTSDAUER: 4 MONATE
  • PROGRAMM: SCHÜLERAUSTAUSCH
  • ERSCHIENEN IN: (NIX FÜR) STUBENHOCKER.
    DIE ZEITUNG FÜR AUSLANDSAUFENTHALTE,
    Nr. 5 / 2015, S. 8-9

Augustinus von Hippo, Kirchenlehrer und Philosoph der Spätantike, sagte einmal: „Die Welt ist ein Buch und diejenigen, die nicht reisen, lesen nur eine Seite.“ Diese Worte beschreiben meine Beweggründe wahrscheinlich am besten, für einige Zeit eine High School im Ausland zu besuchen.

Meine Entscheidung für Neuseeland stand schnell fest, da ich diesem kleinen Land am anderen Ende der Welt bereits seit vielen Jahren einen Besuch abstatten wollte. Viele Klassenkameraden, die auch einen Auslandsaufenthalt planten, fragten mich: „Warum ausgerechnet Neuseeland?“ Ich hatte schon viel von der wunderschönen und abwechslungsreichen Natur gehört, unter anderem von meiner Tante, die ebenfalls dort gewesen war. Auch die neuseeländische Kultur faszinierte mich seit Langem. Daher konnte ich es kaum fassen, dass mein Traum endlich wahr werden sollte. Die Zeit vor meiner Ausreise ließ sich mit wenigen Worten beschreiben: Nervosität, Aufregung, aber auch riesengroße Vorfreude! Als endlich der Brief mit der Beschreibung meiner Gastfamilie ankam, konnte ich es gar nicht mehr erwarten, loszufliegen. Meine Gasteltern, David und Suzanne, waren beide 50 Jahre alt und hatten zwei ältere Söhne, die allerdings nicht mehr zu Hause lebten. Deshalb war ich froh, als ich erfuhr, dass ich eine 16-jährige japanische Gastschwester namens Yuka haben würde.

Via Facebook und E-Mail nahm ich Kontakt zu meiner Gastfamilie auf. Daraufhin schlug meine Gastmutter vor, per Skype zu telefonieren. Zuerst war ich sehr nervös und machte mir Gedanken, ob meine Englischkenntnisse ausreichen würden. Diese Sorgen waren jedoch unbegründet, es machte mir richtig Spaß, meine Familie aus Übersee kennenzulernen und die Verständigung auf Englisch war gar nicht schwierig. Im Nachhinein stellte ich fest, dass mir das Gespräch viel von meiner Nervosität und Aufregung genommen hatte. Daher kann ich nur jedem empfehlen, vor der Ausreise mit der Gastfamilie zu telefonieren. Während des 25-stündigen Flugs über Singapur nach Neuseeland wurde mir bewusst, worauf ich mich eingelassen hatte und dass ich meine Familie und Freunde fast vier Monate lang nicht sehen würde. Gleichzeitig konnte ich es jedoch kaum erwarten, endlich anzukommen! In der ersten Woche nahm ich mit den anderen deutschen Programmteilnehmern meiner Organisation an einem Vorbereitungsseminar in Auckland teil, der größten Stad Neuseelands. Während dieser Zeit wohnten die meisten von uns nicht bei ihren Gastfamilien, da diese zu weit von Auckland entfernt lebten.

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Ich wurde ebenfalls in einer Übergangsfamilie untergebracht, zusammen mit drei deutschen Mädchen, mit denen ich mich auf Anhieb gut verstand. Außerdem hatte ich zwei japanische Gastbrüder, die allerdings kaum Englisch sprachen. Meine Gasteltern, Karl und Juliana, hatten selbst zwei Kinder, Bernadine und Nick. Wir hatten also „full house“, wie meine Gastmutter es ausdrückte. Das war aber nicht weiter schlimm, weil die Familie ein großes Haus besaß, sogar ein Swimmingpool gehörte dazu. Bereits in den ersten Tagen fiel mir auf, wie freundlich die Neuseeländer sind. Ich konnte es nicht glauben, im Land der langen weißen Wolke angekommen zu sein, und lief staunend mit großen Augen durch die Gegend – alles war so anders! Das Vorbereitungsseminar fand jeden Morgen in der Baptist Tabernacle Church statt. Wir behandelten Themen wie neuseeländisches Essen, Sitten und Gebräuche und „Kiwi slang“, die Umgangssprache der Neuseeländer. Nachmittags gingen wir entweder zum Shoppen in die Queens Street oder unternahmen Ausflüg in Auckland und Umgebung. Wir waren auf dem berühmten Sky Tower, dem höchsten Gebäude Neuseelands, nahmen die Fähre nach Devonport und gingen ins Museum. Außerdem fuhr unsere Gastfamilie mit uns zum Grillen in den West Lynn Park und zu verschiedenen Stränden.

„Ich hätte mir keine bessere Gastfamilie wünschen können“

Nach dem Vorbereitungsseminar holte mich meine Gastmutter Suzanne in Auckland ab, sodass ich nicht wie die anderen mit dem Bus fahren musste. Bald darauf lernte ich auch meinen Gastvater David und Yuka kennen. Wir verstanden uns super, hatten viel Spaß zusammen und unternahmen häufig Ausflüge. Schnell fühlte ich mich wie ein richtiges Familienmitglied. Ich hätte mir keine bessere Gastfamilie wünschen können! In Warkworth, meinem neuen Zuhause, lebten circa 3.000 Menschen. Da ich aus einem Dorf mit 300 Einwohnern komme, war ich froh, nicht in der Großstadt zu wohnen. Dennoch war es von Vorteil, dass Auckland innerhalb von etwa 30 Minuten zu erreichen war. Außerdem gab es in der Umgebung wunderschöne Strände. Ich besuchte das Mahurangi College in Warkworth. Das Schulsystem in Neuseeland ist ganz anders als in Deutschland. Aus circa 40 Fächern durfte ich sechs wählen, die täglich unterrichtet wurden. Ich nahm Englisch, Mathematik, Musik, Geografie, Maori und Hospitality. In meinem Lieblingsfach Maori lernte ich viel über die Sprache und Kultur der Ureinwohner Neuseelands. Der Hospitality-Unterricht beinhaltete hauswirtschaftliche Tätigkeiten wie Kochen. Zudem musste ich eine Schuluniform tragen, was am Anfang wirklich ungewohnt war.

„Alle waren sehr freundlich zu mir und viele Schüler kamen von sich aus auf mich zu“

Das Mahurangi College war in sechs „Houses“ eingeteilt, die nach Farben benannt waren. Ich gehörte zum Yellow House. Es fanden viele Wettbewerbe zwischen den einzelnen „Houses“ statt, zum Beispiel in Leichtathletik, Schwimmen oder „Haka“, dem Kriegstanz der Maori. Der Zusammenhalt in den „Houses“ war sehr groß und die Wettbewerbe machten großen Spaß, weil alle Schüler Kleidung oder Kostüme in den Farben ihrer „Houses“ trugen. Man begegnete sogar verkleideten Lehrern im gelben Teletubbies-Kostüm oder im violetten Kleid mit gleichfarbiger Perücke. Die „Houses“ waren nochmals in kleinere Gruppen unterteilt, die sogenannten „whanaus“. Das bedeutet „Familien“ auf Maori. In diesen Gruppen versammelten wir uns jeden Morgen vor dem Unterricht, um die Neuigkeiten des Tages zu besprechen. Nach der Mittagspause trafen wir uns für 20 Minuten zum „Silent Sustained Reading“. In dieser Zeit las jeder still für sich ein Buch. Mir gefiel das System der „whanaus“ sehr gut, da ich schnell andere Schüler kennenlernte, unter anderem Amy und Olivia, die meine zwei besten Freundinnen wurden. Da es mehrere deutsche Schüler am Mahurangi College gab, hatte ich mir zu Anfang Sorgen gemacht, dass es schwer sein könnte, Kontakte zu knüpfen. Diese waren jedoch unbegründet, alle waren sehr freundlich zu mir und viele Schüler kamen von sich aus auf mich zu, sodass ich schnell Freundschaften schloss. Trotzdem musste ich mir immer ins Gedächtnis rufen: „Von nichts kommt nichts und ich kann nicht erwarten, dass ich gleich in den ersten zwei Wochen Freunde finde.“ Deshalb ist es meiner Meinung nach wichtig, auch selbst die Initiative zu ergreifen und anderen locker und offen zu begegnen.

„Es war ohne Frage eines meiner schönsten Erlebnisse in Down Under“

Ich unternahm einige tolle Reisen. Als Mitglied der Jazzband hatte ich das Glück, für die Proben drei Tage zu einer wunderschönen Bucht zu fahren. Mit dem Geografiekurs machte ich einen Ausflug in den berühmten Nationalpark Tongariro. Zum Abschluss gingen wir in ein elegantes Restaurant, die Mädchen trugen Kleider und die Jungen Anzüge. Es war ohne Frage eines meiner schönsten Erlebnisse in Down Under und ich fand in diesen vier Tagen viele neue Freunde. Die Überraschungsparty, die meine neuseeländischen Freunde und meine Gastfamilie zu meinem Geburtstag organisierten, zählte ebenfalls zu den tollsten Ereignissen meines Aufenthalts. In den letzten zwei Wochen reiste ich außerdem auf die Südinsel Neuseelands. Die Landschaft war wirklich faszinierend und abwechslungsreich, einerseits gab es viel weites flaches Land, andererseits auch Gebirge. Ich besuchte verschiedene Städte wie Wellington, Rotorua, Picton, Dunedin, Queenstown und Christchurch, fuhr zum Lake Taupo und zum Fjord Doubtful Sound. Außerdem sah ich Robben und Delfine, nur das Whalewatching in Kaikoura fiel leider aufgrund des schlechten Wetters buchstäblich ins Wasser.

Heimweh hatte ich eigentlich nie. Ich musste mir einfach in Erinnerung rufen, dass mein Aufenthalt eine einmalige Chance war, von dem ich jede Sekunde genießen wollte. Der Abschied fiel mir dementsprechend schwer. Inzwischen kommt mir meine Zeit in Neuseeland fast wie ein Traum vor und ich kann nicht glauben, dass ich diesen Schritt wirklich gewagt habe. Ich habe noch Kontakt zu all meinen Freunden und meine Gastfamilie hat vor, mich bald zu besuchen. Während meines Auslandsaufenthalts lernte ich mich neu kennen, sammelte viele tolle Erfahrungen und fand Freunde fürs Leben. Ich kann nur jedem empfehlen, selbst einen Schüleraustausch zu machen – ihr werdet es auf keinen Fall bereuen!

Julia Brenner, 17, geht derzeit noch zur Schule, träumt aber schon von der nächsten Neuseeland-Reise. Sobald sie ihr Abitur gemacht hat, will sie direkt ins Land der Kiwis zurückkehren.

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