Die Kunst des Langsamreisens

Erfahrungsbericht: 14 Monate quer durch Asien

weltweiser · Weltreise · Asien · Querweltein
GESCHRIEBEN VON: ANJA BARTH & MARKUS FRANKE
LAND: ASIEN
AUFENTHALTSDAUER: 14 MONATE
PROGRAMM: QUERWELTEIN
ERSCHIENEN IN: (NIX FÜR) STUBENHOCKER.
DIE ZEITUNG FÜR AUSLANDSAUFENTHALTE,
Nr. 4 / 2014, S. 68-69

Irgendwo zwischen der Millionenmetropole Hong Kong und der zentralchinesischen Provinz Hubei: Wir sitzen im Zug Nr. K556 und haben eine 18-stündige Fahrt durch das Riesenreich vor uns. Hügelige Landschaften und saftig grüne Reisfelder ziehen an uns vorbei, dekoriert mit grasenden Wasserbüffeln.

Der Zug ist voll bis auf den letzten Platz mit chinesischen Großfamilien, verliebten Pärchen und Alleinreisenden aus allen Ecken des Landes. Sie bilden ein plapperndes Hintergrundrauschen in Mandarin-Chinesisch. Es riecht nach den hier so allgegenwärtigen Instant-Nudelsuppen. Unsere Gedanken schweifen zurück. Vor ungefähr einem Jahr landete unser Flugzeug in den frühen Morgenstunden auf regennassem Grund in Mumbai, Indien. Die Monsunzeit hatte gerade begonnen. 24 Stunden zuvor hatten wir Deutschland, unseren Familien und Freunden Lebewohl gesagt, um uns auf einmal in einer komplett anderen Kultur wiederzufinden. Ein klappriges schwarzes Taxi brachte uns in die Innenstadt – sofern man in Mumbai von so etwas sprechen kann. Früh am Morgen zogen die Müllsammler mit Holzkarren durch die Straßen, auf den Gehwegen schliefen ganze Familien unter Plastikplanen, die Marktverkäufer öffneten gerade ihre Stände, auf den stinkenden Müllbergen an den Straßenecken tanzten riesige Krähen. Wir gönnten uns den ersten Chai, duftenden Gewürztee mit Milch, das Nationalgetränk Indiens. Seitdem hat sich unser Reisepass mit bunten Stempeln gefüllt und es gibt viele Geschichten zu erzählen.

Aber beginnen wir am Anfang. Die Idee zu einer solch langen Reise entstand bereits während unserer Studienzeit. Die Semesterferien nutzten wir unabhängig voneinander, um ausgedehnte Reisen mit dem Rucksack zu unternehmen. Hinzu kamen Praktika in Japan, Ghana, Polen und Indien. Uns zog es also immer schon in die Ferne. Oftmals begegneten wir auf diesen Reisen Menschen, die einen weit weniger straffen Zeitplan hatten als wir. Sie waren bereits seit Monaten unterwegs und genossen die Freiheit, sich durch die Welt treiben zu lassen. Für uns war dies stets bewunderns- und nachahmenswert. Wir nahmen uns vor, „irgendwann einmal“ auch ein solches Abenteuer zu wagen. Dieser vage Traum wurde konkret, als wir vor der Wahl standen, entweder zusammenzuziehen und eine Küche zu kaufen oder den Rucksack zu packen und auf Reisen zu gehen. Wir entschieden uns für Letzteres. Beim Blick auf die Weltkarte fiel die Wahl schnell auf Asien. Dort hatten wir bereits einige Reiseerfahrungen gesammelt und Bekanntschaften gemacht. Außerdem gab es eine gute Infrastruktur für Backpacker, die relativ kostengünstiges Reisen ermöglichte, besonders in Süd- und Südostasien.

Bundesverwaltungsgericht in Leipzig
13. April
Leipzig
Reclam-Gymnasium
10 bis 16 Uhr
St. Pauli Landungsbrücken in Hamburg
13. April
Hamburg
Gymnasium Oberalster
10 bis 16 Uhr
junger Mann sitzt an Holztisch und tippt auf Laptop
14. April
Online
Wherever you are
17 bis 19 Uhr
Neues Schloss in Stuttgart
20. April
Stuttgart
Eschbach Gymnasium
10 bis 16 Uhr

Nach den ersten Monaten bzw. Jahren im Berufsleben wagten wir einen kritischen Blick auf unsere Ersparnisse und machten uns schließlich an die Reiseplanung. Dabei stand das Budget natürlich zunächst im Vordergrund. Eine Betrachtung der Hauptkostenpunkte wie Unterkunft, Verpflegung und Transport gab uns eine Idee über den zeitlichen Rahmen unseres Vorhabens. Ein Jahr sollte es werden, wobei wir den genauen Zeitraum offen ließen – Hauptsache, nicht zu viel planen und so frei wie möglich sein. Doch auch Spontaneität will gut organisiert sein und etwa sechs Monate vor dem Abflug gab es noch eine ganze Reihe von Dingen zu erledigen. Zunächst mussten wir den Flug rechtzeitig buchen, um einen günstigen Preis zu ergattern. Danach stand ein geordneter Rückzug aus unseren aktuellen Arbeitsverhältnissen an. Des Weiteren schlossen wir eine Reisekrankenversicherung ab, suchten Nachmieter für unsere WG-Zimmer, sortierten, verkauften, verschenkten und lagerten unseren Hausrat, kündigten unsere Mobilfunkverträge und beantragten die ersten Visa für Indien und Taiwan. Außerdem suchten wir bereits nach geeigneten Möglichkeiten zur Freiwilligenarbeit, da wir uns während unserer Reise auch gern gemeinnützig engagieren wollten. Und schließlich, ganz wichtig, organisierten wir noch eine Abschiedsfeier für Freunde und Familie.

„Wir teilten uns die letzte Sitzreihe mit Ziegen und Gepäckstücken“

Unsere Reise brachte uns an verschiedene Orte mit den vielfältigsten Erlebnissen: In Indien feierten wir gemeinsam mit Freunden den Geburtstag des Hindu-Gottes Ganesha in einer pinken Farbpulverschlacht im Bundesstaat Gujarat. Auf einer achtstündigen Busreise durch das Chamba-Tal in Himachal Pradesh teilten wir uns die letzte Sitzreihe mit Ziegen und Gepäckstücken. Anschließend entspannten wir beim Yoga und unternahmen eine Wildwasserrafting-Tour auf dem Ganges in Rishikesh. Bei unserer Reise durch die Tiefebene Terai in Nepal genossen wir die 360°-Sicht vom Dach eines übervollen Busses und bestiegen den Annapurna, der eine atemberaubende Aussicht zu bieten hatte. In Thailand bekamen wir Besuch von einer Freundin, später auch von unseren Eltern. Gemeinsam konnten wir im Fisch-Spa und an den Bilderbuch-Stränden relaxen. Egal, ob es um die Visagebühr am Grenzübergang oder den Bratreis vor den berühmten Tempelanlagen von Angkor ging – in Kambodscha war in erster Linie Feilschen angesagt. Kuala Lumpur und Singapur auf der malaysischen Halbinsel gaben uns einen Eindruck von den Megastädten in Südostasien.

„Wir schnorchelten mit Riesenschildkröten vor der Ostküste Borneos“

Im Kontrast dazu stand die atemberaubende Flora und Fauna auf Borneo. Staunend blickten wir in die Gesichter von Nasenaffen und Orang-Utans in der Wildnis. Nach einer abenteuerlichen Fährfahrt erreichten wir Sulawesi im Inselreich Indonesien. Mit frischem Tauchschein in der Tasche fühlten wir uns auf den unberührten Togian-Inseln wie Robinson Crusoe. Abschließend schnorchelten wir mit Riesenschildkröten vor der Ostküste Borneos und unternahmen erneut einen Abstecher auf den malaysischen Teil der Insel. Nächstes Ziel war Taiwan. Hier lernten wir einige Wochen lang die traditionelle chinesische Kultur kennen. Wir trafen unglaublich hilfsbereite Menschen und bemühten uns, die Verständigungsprobleme mit unseren Grundkenntnissen in Chinesisch zu lösen. Außerdem erkundeten wir mit dem Fahrrad die Ostküste der Insel. Weiter ging es nach Hong Kong, wo es mit unserem begrenzten Backpacker-Budget gar nicht so einfach war, die Tage bis zur Ausstellung unseres China-Visums zu überbrücken. Ein Jahr lang aus dem Rucksack zu leben, war nicht mit klassischem Urlaub zu vergleichen. Alle paar Tage den Ort zu wechseln, Transportmöglichkeiten zu klären und eine günstige Bleibe zu finden, wurde auf Dauer anstrengend. So waren für uns gelegentliche Freiwilligenarbeit bzw. Teilzeitjobs im Austausch für Unterkunft und Verpflegung eine attraktive Abwechslung vom Backpacker-Alltag, um zwischendurch zur Ruhe zu kommen. Zunächst unterstützten wir in Indien fast zwei Monate lang eine kleine Hilfsorganisation bei der Pflege ihrer Website und bei der Kommunikation. Nach weiteren zwei Monaten Indien unter den Schuhsohlen waren wir dann reif für einen Meditationskurs in den Ausläufern des Himalaya. In Kambodscha halfen wir in einer Art Jugendbegegnungszentrum beim Englischunterricht aus. Schließlich arbeiteten wir in Malaysia sowie Taiwan einige Zeit auf Bio-Gemüsefarmen.

Außerdem nutzten wir während unserer Reise öfters die Möglichkeiten des Couchsurfings. Auf diese Weise kamen wir schnell in Kontakt mit Einheimischen, die uns eine Unterkunft anboten. Besonders bei der Ankunft in einem neuen Land gab uns dies die Gelegenheit, einen sanften Einstieg zu bekommen, einen tieferen Einblick in die Kultur zu erhalten und vor allen Dingen Menschen näher kennenzulernen. Denn gerade diese Begegnungen, sei es mit Einheimischen oder Mitreisenden, sind uns nach all der Zeit am besten in Erinnerung geblieben. Sie sind sozusagen das Salz unserer Reise. Weiterhin war es uns wichtig, uns ausreichend Zeit für jedes einzelne Land zu nehmen. Für uns galt dabei die Philosophie des Langsamreisens, also nicht mit dem Flugzeug von Ort zu Ort zu hechten, sondern kleinere Etappen mit dem regionalen Nah- und Fernverkehr zurückzulegen. Weniger ist manchmal eben doch mehr. Im Übrigen ist ein Jahr eine recht überschaubare Zeit, wenn man erst einmal aufgebrochen ist. Allein Asien ist schon so groß und vielfältig, weitere Kontinente oder gar eine Weltreise kamen für uns gar nicht infrage.

„Wir lernten viel über erfolgreiches Preisverhandeln, Budget- und Konfliktmanagement“

Als sich unser Aufenthalt in China, und damit unsere gesamte Reise, dem Ende näherte, waren wir uns einig, dass wir gern wieder nach Deutschland zurückkehren wollten, um einen Neuanfang mit festem Job und gemeinsamer Wohnung zu starten. Das vergangene Jahr hatte uns eine Menge über globale Zusammenhänge gelehrt, genauso wie über uns selbst und unsere europäischen Wertvorstellungen, über südostasiatische Gelassenheit, indische Improvisationskunst und chinesischen Materialismus. Am Ende sprachen wir nicht nur fließend Englisch, sondern konnten auch Smalltalk in sieben verschiedenen Sprachen, Hindi, Tamil, Thai, Malaysisch, Indonesisch, Mandarin und Russisch führen. Außerdem lernten wir viel über erfolgreiches Preisverhandeln, Budget- und Konfliktmanagement. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge blickten wir auf unsere Rückkehr nach Deutschland. Einerseits freuten wir uns natürlich auf unsere Freunde und Familien, auf deutsches Schwarzbrot und „richtigen“ Käse. Andererseits würde uns die Freiheit fehlen, die wir auf unserer Reise genossen hatten, genauso wie das bunte Farbenmeer auf den übervollen Gassen, das Straßenessen und das warme Klima. Vor unserer Heimkehr legten wir jedoch noch einen Zwischenstopp in Zentralasien ein. Wie gesagt, wir ließen es langsam angehen …

Anja Barth, 29, und Markus Franke, 31, leben seit ihrer Rückkehr wieder in Dresden. Markus arbeitet in einem Start-up-Unternehmen als Softwareentwickler und Anja in einem Forschungsinstitut als Online-Redakteurin. Anja plant gerade, ein Buch über ihr Auslandsjahr in Asien zu schreiben. Noch mehr Geschichten von ihrer Reise sowie Anregungen und Tipps finden sich in ihrem Blog unter www.weiteweltweltweit.wordpress.com.

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