Praktikum beim Goethe-Institut Santiago de Chile
Als ich Ende Juni meinen Flug von Frankfurt nach Santiago de Chile nahm, wusste ich eigentlich schon, worauf ich mich einlasse. Von bis zu 30°C im sommerlichen Deutschland ging es für mich in den chilenischen Winter. Da die Jahreszeiten auf der Südhalbkugel „vertauscht“ sind, habe ich mich dementsprechend vorbereitet und hauptsächlich warme Kleidung eingepackt.
In Santiago stellte ich jedoch schnell fest, dass der chilenische Winter nicht mit dem deutschen vergleichbar ist. Zwar regnete es häufig mal, aber bei Temperaturen von bis zu 20°C und gelegentlichem Sonnenschein war es sehr gut auszuhalten. Allerdings – etwas, das uns Deutschen immer wieder im Ausland auffällt – waren die Häuser quasi überhaupt nicht isoliert. Da ich bis kurz vor dem Abflug noch mit Prüfungen beschäftigt war, gestaltete sich meine Reiseplanung entsprechend minimalistisch, was sich aber bei den spontanen Chilenen als kein Problem erwies. Die ersten zwei Nächte verbrachte ich bei einem Bekannten auf der Couch und suchte tagsüber nach Wohnungen, aber schon nach zwei Tagen hatte ich mein Zimmer in einer WG gefunden. Als Tipp für alle, die zum Arbeiten nach Santiago kommen: Sucht euch am besten eine Wohnung in der Nähe des Arbeitsplatzes, die Metro ist zu den Stoßzeiten morgens und abends hoffnungslos überfüllt. Vier Metros abzuwarten, bis man endlich von einem Aufseher in einen Wagon gequetscht wird, ist keine Seltenheit.
Schon am dritten Tag meines Aufenthalts durfte ich an einer ganz besonderen Feier teilnehmen, denn Chile gewann beim Copa América gegen Argentinien. Aufgeschlossen, wie die Chilenen sind, schleppten sie mich zuerst in eine Bar, um das Spiel anzuschauen, und staffierten mich nach dem Sieg mit einer gigantischen Chile-Flagge aus. Diese trug ich dann den ganzen Abend mit mir herum und schloss mich den Gesängen „Chi-Chi-Le, Chi-Chi-Le, Chileee“ und den Freudentänzchen an, die gefühlt ganz Chile am berühmt-berüchtigten Plaza Italia in Santiagos Zentrum anstimmten. Da ich möglichst viel vom Land kennenlernen wollte, hatte ich mich am nächsten Morgen schon für eine Tour in die Anden angemeldet. Nach einer sehr kurzen Nacht stand ich also um 8 Uhr bereit und machte mich mit einer netten Gruppe aus Chilenen und anderen Ausländern auf den Weg in den wunderschönen „Cajón del Maipo“, das Ausflugsziel der Santiaguinos schlechthin. Es handelt sich um ein Tal etwa zwei Stunden vom Stadtzentrum Santiagos entfernt, das hinauf in die Andenkordillere zu heißen Thermalquellen, Gletschern und Seen führt. Etwa zwei Stunden wanderten wir an einem Bergsee entlang, dem „Embalse el Yeso“, um uns am Ende dort niederzulassen und, auch typisch chilenisch, alles Mitgebrachte zu teilen und uns mit einem heißen Tee die Hände zu wärmen. Der Rückweg gestaltete sich aufgrund der Gelassenheit, mit der alle Autofahrer kreuz und quer auf dem schmalen, teilweise vereisten und verschneiten Schotterweg inmitten der Anden geparkt hatten und sich beim Ausparken nur durch Hupen verständigten, schwieriger als gedacht. Auf dem Weg zurück hielten wir bei einem der zahlreichen Empanadas-Stände. Laut unserem chilenischen Fahrer ist es Tradition, nach einem Ausflug in die Anden zu halten und gemeinsam die köstlichen Empanadas zu genießen, zum Beispiel die typische Sonntags-Empanada „empanada de pino“, eine Teigtasche mit fein gehackten Zwiebeln, gewürfeltem Fleisch, hart gekochten Eiern und Rosinen.
Am Tag darauf fing endlich mein Praktikum beim Goethe-Institut an. Alle Mitarbeiter gaben sich Mühe, dass ich mich schnell wohlfühlte. Zuerst lernte ich bei einer kleinen Runde durch das Institut alle Mitarbeiter kennen. Hier arbeiten sowohl Deutsche als auch Chilenen, die meisten können beide Sprachen fast perfekt sprechen. Die Abteilung, in der ich mein Praktikum machte, heißt „Cinemateca“, es handelt sich also um die Abteilung für Film und Fernsehen. Ohne es zu ahnen, rutschte ich gerade in eine ganz heiße Phase hinein, da ein Staatsbesuch des Bundespräsidenten Joachim Gauck etwa zwei Wochen später anstand. Im Rahmen seines Besuches wurde in Anwesenheit des Regisseurs Florian Gallenberger der Film „Colonia Dignidad – Es gibt keinen Weg zurück“ gezeigt. Da sich die Colonia Dignidad, heute unter dem Namen „Villa Baviera“ (Bayerisches Dorf) im Süden Chiles befindet, ist der Film natürlich enorm wichtig für die Chilenen. Es gab also einiges zu organisieren hinsichtlich dieses großen Events. Nach der Filmvorführung in der „cineteca“, die übrigens unterhalb des chilenischen Präsidentenpalastes La Moneda liegt, fand eine Diskussionsrunde statt. Neben dem Regisseur Florian Gallenberger waren ein ehemaliger Bewohner der Siedlung, ein ehemaliger politischer Gefangener, eine Anwältin für Menschenrechte und ein Journalist eingeladen. Entsprechend emotional war die Filmvorführung, Angehörige von Opfern waren im Publikum anwesend und erzählten ihre Geschichte.
“Außerdem herrschte reger Kontakt und Austausch mit anderen Praktikanten“
Ein weiteres großes Event kam auf die „Cinemateca“ des Goethe-Instituts zu, welches ich leider nicht mehr selbst erleben konnte, aber an dessen Vorbereitung ich teilnahm. Dabei handelte es sich um das sogenannte SANFIC, das Internationale Filmfestival Santiago. Es fand kurz nach meiner Abreise statt, und das Goethe-Institut wählte mehrere neue deutsche Filme für die einzelnen Wettbewerbskategorien aus. Dazu wurden Informationstexte zu den Filmen an die Wettbewerbsveranstalter geschickt und Bilder sowohl für die Broschüre des Festivals als auch für das Goethe-eigene Informationsblatt ausgesucht. Zur Koordination mit den Festivalorganisatoren gehörte der Filmversand und die Rechteklärung und meine etwas alltäglicheren Aufgaben waren die Planung der Goethe-Reihen, das Übernehmen von Internet- und sonstigen Recherchen, das Aktualisieren von Katalogen, der Website und der Social-Media-Kanäle sowie verschiedene Übersetzungsarbeiten. Zusätzlich nahm ich wöchentlich an internen Planungssitzungen des Instituts teil, bei denen ich Einblicke in andere Arbeitsbereiche gewinnen konnte.
Allgemein genoss ich bei meinem Praktikum im Goethe-Institut, dass man so viel mitnehmen konnte. Beispielsweise konnte ich mehrere Konzerte, die das Institut zusammen mit lokalen Künstlern organisierte, besuchen. Außerdem herrschte reger Kontakt und Austausch mit anderen Praktikanten. So trafen wir uns auch privat nach der Arbeit, um zusammen die Stadt und Umgebung zu erkunden und uns über unsere Erfahrungen auszutauschen. Zusammen sind wir beispielsweise in dem Costanera Sky Center, mit 300 Metern Südamerikas höchstem Turm, gewesen, von dem man einen Rundumblick über Santiago genießen kann. Ein anderes Mal ging es zur Vega Central, einem exotischen Markt, auf dem man von frischen Früchten über Fisch und technische Geräte wirklich alles kaufen kann. So europäisch einem Santiago manchmal vorkommen kann, spätestens auf diesem Markt kommt richtiges „Südamerika-Feeling“ auf. Ein weiteres Highlight in Santiago waren für mich die beiden Hügel Cerro Santa Lucía und Cerro San Cristóbal, von denen aus man die Stadt mit den beeindruckenden Anden im Hintergrund bewundern kann, während man das typische Erfrischungsgetränk „mote con huesillo“ trinkt, das sind Weizengraupen mit Pfirsichen.
„Meine Mitbewohner waren von Anfang an bemüht, mir die chilenische Kultur näher zu bringen“
Auch mit meiner Wohnung hatte ich großes Glück. Ich wohnte in einer WG mit vier Chilenen und einem Ecuadorianer. Die Wohnung habe ich vor Ort gesucht, nachdem ich mir die Stadt schon ein bisschen angeschaut hatte und ein bisschen besser einschätzen konnte, wo man am besten wohnt, denn obwohl Santiago eine relativ sichere Stadt ist, gibt es schon einige Gebiete, die man lieber meidet. Meine Mitbewohner waren von Anfang an bemüht, mir die chilenische Kultur näher zu bringen. So veranstalteten wir an so manchem Abend gemeinsame WG-Abende, an denen wir zusammen kochten und den köstlichen chilenischen Wein tranken. Typisch chilenisch sind neben viel Fast-Food beispielsweise die „completos“, Hot-Dogs mit Tomate, Zwiebel und viel Avocado, und die „sopaipillas“, eine südamerikanische Teigspezialität mit Kürbis, die in heißem Öl gebacken wird. Zahlreiche Straßenstände verkaufen sie für 200 chilenische Pesos, umgerechnet nur 30 Cent. Allgemein ist Chile aber nicht so günstig wie andere südamerikanische Länder. Abgerundet werden die chilenischen Speisen von Getränken, wie dem allseits bekannten „Pisco Sour“ oder dem chilenischen Nationalgetränk „Terremoto“. Letzteres bedeutet übrigens „Erdbeben“ und wer diesen Mix aus Weißwein, Whiskey und Ananaseis schon einmal probiert hat, weiß, warum. Mein erstes richtiges Erdbeben in Chile erlebte ich bereits in meiner zweiten Woche in den frühen Morgenstunden, es war aber nur ganz leicht und ich bin gleich darauf wieder eingeschlafen. Die meisten Chilenen merken solche Wackler schon gar nicht mehr.
„Die Herzlichkeit der Chilenen wird mir definitiv in Erinnerung bleiben“
Die Sprache war zum Glück kein Problem für mich, da ich im Verlauf meines Studiums schon einige Zeit in Madrid verbracht habe. Dennoch hat das chilenische Spanisch einige Besonderheiten, insbesondere die selbsterfundenen Modewörter. Die Chilenen geben aber frei heraus zu, dass ihr Land wahrscheinlich nicht der beste Ort ist, um Spanisch zu lernen. Die Herzlichkeit der Chilenen wird mir definitiv in Erinnerung bleiben. Eine chilenische Freundin hat mich übers Wochenende nach Concepción im Süden Chiles mitgenommen, wo ich bei ihrer Familie blieb und kurzerhand zu Verwandten und einem Konzert mitgenommen wurde. Im Süden merkt man allgemein den Einfluss deutscher Einwanderer, so gibt es hier die Schwarzwälder Kirschtorte, wenn auch anders im Geschmack, und auch viele Häuser im deutschen Baustil. Was mir in Chile mit am besten gefallen hat, ist die Offenheit der Leute. Obwohl sie sich selbst im Vergleich zu anderen Latinos als eher zurückhaltend beschreiben, sind sie nicht mehr zu bremsen. Die restliche Zeit, die mir nach dem Praktikum noch blieb, nutzte ich, um möglichst viel vom Land und angrenzenden Ländern zu erkunden, von Valle del Elqui bis San Pedro de Atacama.
Jasmin Sum, 21, ist im binationalen Studiengang „Deutsch-Spanische Studien“, einer Kooperation der Universität Regensburg und der Universidad Complutense de Madrid, eingeschrieben.
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