Eine ganz besondere Reise
Es gibt Reisen, die uns verändern. Reisen, deren Erinnerungen wir für immer in unseren Herzen tragen und an die wir uns erinnern, wenn uns der graue Alltag wieder zu schaffen macht. Es gibt Reisen, die einem nicht mehr aus dem Kopf gehen wollen und die unvorstellbar großes Fernweh hervorrufen. Ich durfte eine solche Reise erleben.
Für mich ging es vor einiger Zeit auf einen dreiwöchigen Austausch nach Brasilien, zu dem ich mich zuvor angemeldet hatte, da es recht interessant klang und ich mir eine schöne Zeit erhoffte. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, wie wichtig diese Reise für mich werden würde, so hätte ich ihm wohl kaum Glauben schenken können. Ich stieg mit gemischten Gefühlen in das Flugzeug ein – mit etwas Angst, mit Vorfreude, aber vor allem voller Neugierde. Ich hatte keinerlei Vorstellung, wie die Menschen sein würden, wie sich die Kultur und der Alltag von meinem gewohnten Umfeld unterscheiden könnten. Nach einer insgesamt 20-stündigen Reise, die drei verschiedene Flüge beinhaltete, kamen wir schließlich am Flughafen an, an dem wir schon von unseren Austauschschülern erwartet wurden. Ich werde niemals den Moment vergessen, in dem uns strahlende Brasilianer mit Schildern, auf denen unsere Namen standen, in die Arme fielen. Ab diesem Moment war mir klar, inwiefern sich die brasilianische Kultur von anderen abhebt. Alle Menschen dort empfingen jedes neue Gesicht mit einer unendlich offenen Art und Herzlichkeit. Sei es in der Schule, mitten auf der Straße oder auf einer Party, überall kamen die Menschen auf einen zu und waren so freundlich, wie ich es vorher noch nie erleben durfte.
Natürlich waren nicht nur bei der Mentalität der Menschen, sondern auch in der Umgebung und Natur extreme Unterschiede sofort deutlich bemerkbar. Wir fuhren im Auto die Straßen entlang und sahen einerseits Palmen und riesige, mit exotischen Pflanzen bewachsene Berge und andererseits zwei Minuten später graue Hochhäuser. Vergleichbar extreme Kontraste finden sich auch in der brasilianischen Gesellschaft wieder, wenn man beispielsweise den Unterschied zwischen Arm und Reich betrachtet, der nach wie vor ein großes Problem darstellt. So konnten wir uns aufgrund der Gefahr, auf der Straße ausgeraubt zu werden, ausschließlich mit dem Auto fortbewegen. Das bedeutete so viel wie keine spontanen Besuche bei Freunden und keine einfachen Spaziergänge durch die Nachbarschaft. Der Sicherheitsaspekt schränkt die Unabhängigkeit und Mobilität dort dauerhaft ein. Zudem ist es wichtig zu erwähnen, dass jemand, der großen Wert auf Pünktlichkeit legt, in Brasilien eindeutig nicht richtig aufgehoben sein wird. Die Brasilianer tun alles mit einer unglaublichen Lockerheit und Gelassenheit und die meisten von ihnen machen sich erst 15 Minuten nach der eigentlich abgesprochenen Uhrzeit langsam auf den Weg.
Vom abwechslungsreichen Programm abgesehen, bedeutete der Austausch selbstverständlich auch Besuche unserer Partnerschule. Selten habe ich eine so große Schule gesehen wie diese Privatschule. Die Schule BOM JESUS IELUSC hat nicht nur zwei Schulgebäude, sondern auch einen Kindergarten, ein eigenes Schwimmbad, ein Fitnessstudio, zwei Basketballplätze, ein Fußballfeld und noch vieles mehr. Es gibt dort eine Schuluniform, die allerdings nicht für alle Schüler einheitlich ist. Von Socken über Pullover, T-Shirts, Oberteile, Leggins, Röcke, kurze und lange Hosen, in Blau oder Weiß – natürlich immer mit dem Schullogo bestickt – können sich die Schüler selbst aussuchen, was sie tragen möchten. Da mehrere aus unserer Gruppe, wie auch ich, das typische deutsche Klischee mit blonden Haaren und blauen Augen erfüllten, fielen wir stets in den Pausen und auf den Straßen auf. Auf dem Schulhof wurden wir angesprochen und gefragt, wie uns Brasilien und der Austausch gefallen würden. Dieses aufrichtige Interesse machte mich immer wieder glücklich, weil ich so etwas in Deutschland selten erlebe. Die Menschen hier in Deutschland sind nicht halb so neugierig oder offen wie dort, was ich ehrlich gesagt schade finde, da wir auf diese Weise viele interessante Gespräche mit außergewöhnlichen Menschen verpassen.
„Der klassische brasilianische Softdrink „Guarana“ wurde von uns allen absolut geliebt“
Vor der Reise machte ich mir viele Gedanken, wie wohl das südamerikanische Essen schmecken würde. Ein typisch brasilianisches Gericht ist das Dessert „Brigadeiro“, welches aus gekochter Kondensmilch, Kakao und Schokoladenstreuseln besteht. Wie viele andere Gerichte war es für meinen Geschmack einfach viel zu süß. Süßigkeiten wie zum Beispiel Snickers oder Mars enthielten dort gefühlt doppelt so viel Zucker wie in Deutschland, weswegen meine Austauschschüler bei ihrem Gegenbesuch auch oft verwundert waren, wie „wenig süß“ beispielsweise die Schokolade in Deutschland ist. Zu den Hauptmahlzeiten werden zudem konsequent süße Getränke getrunken, wie beispielsweise der klassische brasilianische Softdrink „Guarana“, der von unserer ganzen Gruppe absolut geliebt wurde. In Restaurants bestellten wir jedoch trotzdem meist frisch gepressten Maracujasaft, welcher unglaublich frisch und fruchtig schmeckte. Den frischen Saft in Brasilien kann ich, genau wie das Obst, nur absolut weiterempfehlen. Eine im deutschen Supermarkt gekaufte Ananas schmeckt im Vergleich zu den saftig-süßen Früchten direkt aus Südamerika nach nichts. Wobei die deutschen Erdbeeren einen viel intensiveren Geschmack haben, als es bei den brasilianischen der Fall ist.
„Ich will jedem mit auf den Weg geben: Probiert Neues, wann immer ihr könnt“
Neben dem vielen Obst und den vielen süßen Gerichten ist die Ernährung dort auch vor allem durch Fleischgerichte geprägt. Große Spieße mit Hühnerherzen oder das traditionelle „Churrasco“ gehören in vielen Restaurants zum Standardmenü. Das Nationalgericht „Feijoada“ lässt sich auch in jedem Lokal finden, da es normalerweise immer als Beilage serviert wird. Hierbei handelt es sich um speziell zubereitete rote Bohnen, die meistens mit Reis gegessen werden und wirklich sehr lecker sind. Ein Konzept, welches mir bisher fremd war, da es das in der Form in Deutschland nicht gibt, ist das der sogenannten „Kilorestaurants“. Es gibt ein großes Buffet mit Salaten, Beilagen, Hauptspeisen und Desserts, von dem sich jeder Kunde so viel nehmen kann, wie er möchte. Abschließend wird der Preis nicht aufgrund der ausgewählten Lebensmittel festgelegt, sondern auf Basis des Gewichtes. Das Essen in solchen Restaurants ist relativ günstig, aber immer qualitativ gut, weswegen ich es bedauerlich finde, dass es diese Art von Restaurants nicht in Deutschland gibt. Die Brasilianer essen gerne und viel, deswegen habe ich die Chance bekommen, viel außergewöhnliches Essen zu probieren. Auch wenn einiges nicht mein Fall war, so bin ich doch absolut froh, jede Chance genutzt zu haben, Neues zu probieren. Das kann ich auch wirklich nur jedem mit auf den Weg geben: Probiert Neues, wann immer ihr könnt.
„Im Dschungel konnten wir über 20 Wasserfälle und wunderschöne Pflanzen bestaunen“
Das Erste, was ich früher mit Brasilien assoziiert habe, war der Regenwald. Deswegen war ich von Anfang an sehr interessiert daran zu sehen, ob die noch zum Teil unangetastete Natur wirklich so ist, wie ich sie mir immer vorgestellt habe oder wie sie auf Bildern aussieht. Ich wurde absolut nicht enttäuscht. Bei unserer Wanderung durch den Dschungel konnten wir über 20 Wasserfälle bestaunen sowie hinter jeder Ecke wunderschöne, bunte Pflanzen bewundern. Eine Schlange sahen wir dort nicht, allerdings eine große Vogelspinne, die auf der Unterseite eines Blattes saß, sich aber zum Glück nicht bewegte. Die Natur beeindruckte mich sehr. Sie stellt mit ihren vielen tropischen Blumen, Bäumen und Lebewesen einen absoluten Gegensatz zu der deutschen Pflanzen- und Tierwelt dar. Ein weiterer Ausflug führte uns in die Lagunenstadt Florianópolis, der Hauptstadt des Bundesstaats Santa Catarina. Wie das Wort Lagunenstadt schon sagt, gibt es dort viele Strände – um genau zu sein, 42 Strände. Während unseres zweitägigen Aufenthaltes dort konnten wir natürlich nicht alle von ihnen sehen.
„Es machte unendlich viel Spaß, die steilen Dünen hinunterzurasen“
Schon kurz nach unserer Ankunft ging es mit dem ersten Programmpunkt los, dem Sandsurfen. Wie beim Snowboarden bekommt man ein Board, um die Pisten hinunterzufahren. Der Unterschied besteht darin, dass auf den Pisten kein Schnee liegt, sondern, dass es sich um riesige Sanddünen mit unglaublich feinem und strahlend weißen Sand handelt, der wiederum auf vielen Fotos wie Schnee aussieht. Er war so weich, dass es kein bisschen weh tat, wenn man vom Board runterfiel, was häufiger passierte. Es machte unendlich viel Spaß, die steilen Dünen hinunterzurasen und sich dabei frei zu fühlen wie nie. Die zweite große Aktivität in Florianópolis war eine fünfstündige Bootstour auf einem großen Piratenschiff. Auf unserer Rundfahrt machten wir mehrere Zwischenstopps auf den kleinen Inseln vor Florianópolis. Auch hier konnte ich eine große Vielfalt erleben, da sich alle Inseln sehr voneinander unterschieden. Während die eine Insel mit vielen unbewohnten, heruntergekommenen Häusern bebaut war, gab es auf der anderen Insel viele Restaurants und Souvenirshops. Wieder andere Inseln hingegen hatten schöne Strände zu bieten, die wir selbstverständlich auch zum Schwimmen nutzten. Der für mich absolut schönste Moment der Tour war erreicht, als wir einige Meter entfernt von uns Delfine aus dem in der Sonne glitzernden Wasser springen sahen. Doch Delfine waren nicht die außergewöhnlichsten Tiere, die wir in Florianópolis antrafen. Auch wenn keiner aus unserer Gruppe es für möglich hielt, schwamm an einem der Strände ein Pinguin durch die Wellen. Das verdeutlichte uns nochmals, dass Brasilien seine Besucher immer wieder aufs Neue überrascht und begeistert.
„Die unvergesslichen Erinnerungen an die Reise trage ich auf ewig mit mir“
Das Schwimmen im Meer hat, wie alles andere auf der Reise, extrem viel Spaß gemacht, wobei die Wellen eine unerwartet große Kraft hatten. Es kam des Öfteren vor, dass jemand von uns kurz unter Wasser gezogen wurde. In dem Fall war es wichtig, Ruhe zu bewahren und so möglichst schnell wieder an die Wasseroberfläche zu gelangen. Wasser prägte auch unseren Kurztrip nach Iguaçu, zu den weltgrößten Wasserfällen. Auf dem Weg zu den 20 größten der insgesamt 275 Wasserfälle dachte ich mit jedem Schritt, dass es nicht mehr gigantischer werden kann. Als wir schließlich ankamen, war nur noch lautes Rauschen und eine Art durchgängiger Nieselregen zu vernehmen, da das Wasser der Kaskaden mit einer ungeheuren Kraft auf den Felsen zerschellt. Wir durften sogar noch eine Speedboat-Tour machen, bei der wir bis zu einem Meter an die Wasserfälle heranfuhren. Dass das Wasser eigentlich eiskalt war, spielte in dem Moment keine Rolle mehr. Es war so überwältigend, dass wir einfach keine Worte für diesen grandiosen Moment finden konnten. Die gesamte Zeit in Brasilien ist viel zu schnell vergangen. Jeden Tag passierten so viele Dinge, dass ich tagelang über meinen Aufenthalt dort erzählen könnte. Ich hätte mir niemals vorstellen können, wie einzigartig diese Reise werden würde, und irgendwie kann ich es immer noch nicht begreifen. Ich vermisse die Zeit dort so sehr und würde keine Sekunde zögern, noch einmal nach Brasilien zu fahren, da ich dort die glücklichsten drei Wochen meines Lebens verbringen durfte. Ich werde niemals wirklich beschreiben können, wie wunderbar die Zeit dort war, das muss man einfach selbst erlebt haben. Die unvergesslichen Erinnerungen an die Reise trage ich auf ewig mit mir.
Lara Tomerius, 16, ist ganz begeistert von ihrem Kurzaustausch nach Brasilien. Derzeit besucht sie das Gymnasium im Schloss in Wolfenbüttel und möchte nach ihrem Abitur für ein Jahr weiter die Welt erkunden.
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