Oh, wie schön ist ein Praktikum in Panama

Arbeit und Salsa in Lateinamerika

weltweiser · Praktikum · Panama · Lateinamerika
GESCHRIEBEN VON: GENOVEVA HUGER
LAND: PANAMA
AUFENTHALTSDAUER: 6 MONATE
ERSCHIENEN IN: (NIX FÜR) STUBENHOCKER.
DIE ZEITUNG FÜR AUSLANDSAUFENTHALTE,
Nr. 8 / 2018, S. 53-54

Zwei Wochen vor dem Flug und drei Wochen vor Praktikumsbeginn wurde ich langsam richtig aufgeregt. Die Prüfungen waren geschafft, mein Auszug aus der Wohnung stand vor der Tür und ein paar letzte organisatorische Dinge mussten erledigt werden.

Doch wie schon John Lennon sagte: „Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen.“ Die Bedeutung dieses Zitats wurde mir erst richtig bewusst, als ich plötzlich mehrere Stunden in der Unfallaufnahme im Krankenhaus saß. Ein Fahrradsturz. Die erste Diagnose nach dem Röntgen lautete Knieprellung und Verdacht auf Meniskusverletzung. Nach einer Woche konnte ich immer noch nicht auftreten und mich nur mit Krücken fortbewegen. Ab diesem Zeitpunkt begann mein Arztmarathon. Vom Physiotherapeuten wurde ich zum Unfallchirurgen geschickt, der mich wiederrum zum MRT schickte. Die neue Diagnose lautete Tibiakopffraktur, mein Schienbeinkopf war gebrochen. Das kam unerwartet und noch viel mehr unerwünscht, denn es bedeutete, dass ich nicht fliegen konnte. Sechs Wochen durfte ich mein linkes Bein nicht belasten. So musste ich meine gesamte Planung umstrukturieren. Der Flug musste einen Monat nach hinten verschoben werden, auch das Anfangsdatum meines Praktikums konnte ich nicht mehr wahrnehmen. Die Unterkunft musste storniert werden und auch mein viertägiger Aufenthalt in New York musste gestrichen werden.

Nach einiger Zeit und einer Woche ohne Krücken konnte es losgehen. Ich humpelte zwar noch, da die Muskeln im linken Bein sich komplett zurückgebildet hatten, aber trotzdem war ich zuversichtlich, dass ich in zwei Tagen fliegen konnte. Mit einer Verzögerung von anderthalb Monaten begann also endlich mein Panama-Abenteuer. Ich verabschiedete mich also ein zweites Mal von Familie und Freunden. Da ich kein großer Fan von Abschiedspartys bin, freute ich mich umso mehr über das Abschiedsgeschenk von meiner Schwester und Mutter. Ich bekam ein Büchlein, in dem von meiner ganzen Familie und auch meinen Freunden Sprüche, Fotos und Wünsche für meine Reise stehen. Ein besseres Abschiedsgeschenk hätte ich mir gar nicht vorstellen können. Nun waren die Koffer also gepackt und meine Mutter wollte mich zum Flughafen fahren. Aber noch bevor es losging, klopfte es plötzlich an der Tür, und das, obwohl es noch sehr früh morgens war. Überraschend war eine Freundin gekommen, um mich zum Flughafen zu begleiten. Dort angekommen, musste meine Mutter leider sofort weiter zur Arbeit fahren, so wurde der Abschied nicht ganz so tränenreich und in die Länge gezogen. Außerdem erwartete mich noch eine Überraschung am Flughafen, denn plötzlich stand eine weitere Freundin vor mir. Da ich noch etwas Zeit hatte, frühstückten wir erst mal gemeinsam nach meinem Check-in. Es war irgendwie merkwürdig, alleine loszuziehen, aber ich war auch sehr aufgeregt und freute mich auf die kommenden Herausforderungen.

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In Panama City angekommen, erwarteten mich folgende erste Eindrücke: Hochhäuser, ein stinkender und dreckiger Fluss, überall Müll, unglaublicher Straßenverkehr und Stau, Hitze, bunte Busse mit dröhnender spanischer Musik, kein Charme. Ich fragte mich, ob das jetzt wirklich mein Aufenthaltsort für fast ein halbes Jahr werden sollte? Zum Glück hatte ich noch ein paar Tage Zeit, bevor mein Praktikum begann. Also nutzte ich die Gelegenheit, um die Stadt zu erkunden, aber gleichzeitig auch, um auf Wohnungssuche zu gehen. Ich gab der Stadt eine zweite Chance, mich zu überzeugen, und tatsächlich gewöhnte ich mich mit der Zeit an all die Hochhäuser und den Lärm, ich entdeckte die Altstadt und fühlte mich zwischen der spanischen Architektur richtig wohl. Die Wohnungssuche hatte ich mir wesentlich einfacher vorgestellt. Das Problem in Lateinamerika ist, dass der Großteil der „Kinder“ bis zu ihrem rund dreißigsten Lebensjahr bei ihren Eltern wohnt, wodurch es für mich schwierig wurde, eine WG mit Leuten in meinem Alter zu finden. Eine meiner ersten Besichtigungen endete mit einer Enttäuschung. Erst stand ich fast eine halbe Stunde vor der Tür, bis ich überhaupt reingelassen wurde, und dann war ich geschockt von dem Zustand der Wohnung. Die Gänge waren so schmal, dass ein stämmigerer Mensch als ich bestimmt stecken geblieben wäre. Mein Zimmer wäre ein fensterloses Kämmerchen gewesen und die „Küche“ war ein Raum im Hinterhof mit Campingkocher. Nach der Besichtigung konnte ich mir dann auf jeden Fall den günstigen Preis erklären. Nach ungefähr einer Woche im Hostel fand ich dann aber doch ein Zimmer in einer Wohnung in der Nähe meiner Arbeit. Dort lebte ich dann für einen Monat mit einem Venezolaner zusammen. Leider arbeitete dieser aber unglaublich viel, sodass wir uns kaum sahen. Gerade in meiner Anfangszeit hatte ich mir erhofft, über meine Wohnung neue Kontakte zu schließen, aber das war doch gar nicht so einfach.

„Ich fühlte mich zwischen der spanischen Architektur richtig wohl“

Nach einem Monat fand ich dann glücklicherweise eine viel zentralere Wohnung mit Pool und Fitnessraum. Für den Rest meines Aufenthalts lebte ich in einer WG mit sechs weiteren Personen. Dazu gehörten zwei Paare aus Kolumbien und Venezuela in meinem Alter und eine Mutter mit ihrer Tochter. Was das Praktikum betrifft, begann der erste Arbeitstag damit, auf einer Bank zu sitzen und auf meine Chefin zu warten. Pünktlichkeit in Panama wird nämlich nicht so genau genommen. Es gab insgesamt noch drei weitere Mitarbeiter und ich sollte für die nächsten fünf Monate in dem Reisebüro „Nativa Tours“ Praktikantin sein. Ein Praktikum war im Rahmen meines Studiums Pflicht, da ich Internationales Tourismusmanagement studiere. Das Ziel Panama suchte ich mir jedoch selbst aus, da mich das Kinderbuch „Oh wie schön ist Panama“ inspiriert hat. Bei meinem Praktikum prallten allerdings meine Vorstellungen auf die Realität. Das Studentenleben hatte ich zurückgelassen und eingetauscht gegen einen Arbeitstag von 9 Uhr bis 17 Uhr. In meiner Vorstellung waren meine Aufgaben vielfältig und abwechslungsreich, aber die Realität sah leider anders aus. Ich durfte den ganzen Tag die Website übersetzen, E-Mails schreiben und telefonieren, um die Tarife für das kommende Jahr herauszufinden, und hatte oft auch einfach nichts zu tun. Nach zwei Monaten eintöniger Arbeit reifte in mir schließlich der Entschluß, ein sinnvolleres Praktikum für die verbleibende Zeit zu finden. Aktiv suchte ich nach einer neuen Möglichkeit und schrieb verschiedene Eventfirmen an. Die Resonanz war eher schwach. Schließlich schaffte ich es aber doch, zwei Gespräche zu vereinbaren.

„Bei meinem Praktikum prallten allerdings meine Vorstellungen auf die Realität“

Nach dem ersten Gespräch hatte ich gar kein so schlechtes Gefühl und eigentlich sollte ich in den nächsten Tagen Rückmeldung bekommen. Letztendlich kam aber nie eine Antwort, auch nicht nach mehrfacher Nachfrage. Doch glücklicherweise war das zweite Gespräch erfolgreicher. Schon nach zwei Tagen hatte ich die Zusage und hätte direkt anfangen können. Trotzdem musste ich noch für zwei Wochen bei meiner alten Firma bleiben, um alle „offenen Aufgaben“ zu beenden. Natürlich gab es eigentlich nichts für mich zu tun und ich musste mir die Zeit mit anderen Sachen vertreiben. Das neue Praktikum bei „Divine Events“ begann direkt aufregend, da wir für ein Event außerhalb von Panama City gebucht wurden. Mit dem Flugzeug ging es also nach Bocas del Toro, wo erst mal eine Inspektion der Anlage anstand. Am nächsten Wochenende habe ich dann die Gäste vom Flughafen abgeholt. Meine Kollegin kam erst später am Tag an, wodurch ich zunächst alleine die Verantwortung hatte, alles zu organisieren. Vom Essengehen über einen Ausflug bis zur Feier am Abend und schließlich der Verabschiedung klappte alles super und die Firma war sehr zufrieden. Im Laufe meines Praktikums hatte ich dann noch weitere Events, darunter beispielsweise eine Taufe, Catering für eine Konferenz und einen Betriebsausflug einer Firma. Zwar war ich auch an der Organisation einer Hochzeit beteiligt, aber die hat leider erst nach meiner Rückreise stattgefunden.

Da ich mich in Lateinamerika befand, gehörte zu meiner Freizeitbeschäftigung natürlich auch Salsa tanzen dazu. Jeden Dienstag fand im Kasino ein dreistündiger Salsa-Tanzkurs statt, bei dem ich es bis zum zweiten Level geschafft habe. Im dritten Level waren dann aber wirklich schon Profis mit für mich unmöglichen Drehungen und Figuren. Außerdem gab es in einem nahe gelegenen Park ein kostenloses Sportprogramm, bei dem ich mindestens einmal in der Woche zum Zumba ging. Sonst war mein Alltag nach einiger Zeit sehr eingespielt. Nach der Arbeit kam ich nach Hause, kochte etwas, war ungefähr zweimal die Woche einkaufen, habe regelmäßig Sport gemacht und mich doch sehr gut eingelebt in diesem Land, das sich doch sehr von Deutschland unterscheidet. Natürlich war ich auch nicht nur zum Arbeiten dort, sondern wollte auch das Land etwas erkunden. Besonders ist mir dabei mein dreitägiger Segeltrip auf einem Katamaran nach San Blas in Erinnerung geblieben, der mir durch meine alte Firma ermöglicht wurde. Da es in Panama ungefähr neun Monate Regenzeit gibt, war ich nicht überrascht, als es den ersten Tag durchgängig regnete. Aber die nächsten zwei Tage war schönster Sonnenschein und wir fuhren Kanu, segelten auf dem offenen Meer in den Sonnenuntergang und besuchten mehrere von den über 360 San-Blas-Inseln und lernten dabei die einheimischen Kuna kennen. Beim Schnorcheln sah ich zudem einen Hai und eine bunte Anzahl von Fischen, die munter in den Korallen umherschwammen.

„Jeden Samstag fand im Kasino ein dreistündiger Salsa-Tanzkurs statt“

Alles in allem war insbesondere dieser Ausflug eine wunderbare Erfahrung, die mir das Land noch etwas näher brachte mit all den schönen Eindrücken, den weißen Sandstränden und dem kristallklaren Wasser. Bei solchen Kurztrips wurde mir immer wieder bewusst, dass ich wirklich in Panama war, auch wenn mich sonst der Alltag während der Arbeit einholte. Ich bedaure die Schwierigkeiten mit der Arbeit und der Wohnungssuche nicht, denn gerade diese Erfahrungen haben mich dazu gebracht, meine Selbstständigkeit und meinen Ehrgeiz unter Beweis zu stellen. Ich bin dankbar für die Zeit, die ich in Panama hatte, und weiß jetzt auch, dass der erste Eindruck täuschen kann. Zwar ist Panama City nicht die schönste Stadt, die ich je besucht habe, aber durch meine Erlebnisse und die Menschen, die ich kennengelernt habe, bleibt sie mir auf jeden Fall in schöner Erinnerung und hat auch an Charme gewonnen. Das Panama-Abenteuer ist leider vorbei, doch meine Reiselust ist schon wieder geweckt, und wer weiß, vielleicht geht es schon bald für mich nach Südafrika oder doch lieber nach Indien?

Genoveva Huger, 24, hat ihr Studium im Bereich Internationales Tourismusmanagement an der Fachhochschule Westküste in Heide mit Schwerpunkt Nordic Management und Event Management abgeschlossen und arbeitet derzeit auf einem Kreuzfahrtschiff in der Karibik.

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