Work and Travel zwischen Pferden, Schlangen und Spinnen
Schon als Kind träumte ich davon, durch das australische Outback zu galoppieren. Mit dem Abi in der Tasche sprach jetzt nichts mehr dagegen, mir diesen lang gehegten Traum zu erfüllen.
Also Australien und Pferde, so viel stand schon mal fest. Koalas und Kängurus wären aber auch schön. Nach und nach beschäftigte ich mich intensiver mit dem Gedanken, wie mein Leben Down Under wohl aussehen könnte. Hilfe bei der konkreten Planung und Realisierung meines Vorhabens bekam ich schließlich von einer Organisation, die Work and Travel-Aufenthalte anbot. Und dann war es beschlossene Sache, die Teilnahme an einem Farmarbeitsprogramm bot mir genau die Möglichkeiten, nach denen ich suchte. So entschied ich mich, meine Sachen zu packen und die lange Reise nach Australien anzutreten. Dort angekommen, machte ich mich auf die Suche nach einem Job auf einer Pferdefarm. Nach einem Monat rief mich eine sehr nette Frau namens Amanda an, die mit ihrem Mann eine Farm in der Nähe von Sydney betreibt. Die beiden bilden dort Spring- und Dressurpferde aus, geben Reitunterricht und waren auf der Suche nach einer neuen Vorarbeiterin, die sich um die Pferde auf ihrer Farm kümmert und diese trainiert. Ganz nebenbei erwähnte sie, dass sie nicht nur Hilfe für ihre Pferde benötigt, sondern auch jemanden, der ein Auge auf ihre Kinder wirft. Obwohl ich nicht gerade viel Erfahrung im Umgang mit Kindern hatte, wusste ich, dass dieser Job wie für mich gemacht war. Ohne zu zögern nahm ich das Jobangebot an.
Wenige Tage später machte ich mich auf den Weg. Nach einer langen und heißen Zugfahrt traf ich Amanda am Bahnhof. Mit dem Auto ging die Fahrt weiter zum Hof der Familie. Dort angekommen, begrüßten mich sofort die beiden Hunde Buster und Maggy. Auch die Kinder, den vierjährigen Toby und die zweijährige Daisy, sowie Amandas Mann, Brett, lernte ich kennen. Etwas später kam auch das Mädchen, das zu der Zeit noch als Vorarbeiterin auf der Farm arbeitete und das ich ersetzen sollte, dazu. Sie zeigte mir den Hof und brachte mich schließlich auch zu meiner Unterkunft. Es handelte sich um eine einfache Blechhütte, und was ich im Inneren der Behausung zu sehen bekam, verschlug mir tatsächlich die Sprache. Es gab eine Tür und ein paar Fenster, die aber nicht richtig mit der Hütte verbunden waren. Alles, was krabbelt, konnte also jederzeit ungehindert in die Hütte gelangen. Links neben der Tür stand ein Bett, an das sich direkt die Küche anschloss, die aus einzelnen Teilen zusammengebaut war. Rechts hinter der Küche befand sich ein weiteres Bett, das mir zugewiesen wurde, und daneben ein modriges Sofa und ein sehr alter Röhrenfernseher. Vom Sofa stolperte man sofort ins klitzekleine Badezimmer, in dem sich nur eine Person allein aufhalten konnte. Es stellte sich heraus, dass ich dieses kleine Bad auch noch mit Amandas Reitschülern zu teilen hatte, was bedeutete, dass an Privatsphäre tatsächlich nicht mehr zu denken war. Alles war dreckig, der Boden, die Wände, einfach alles. Das schlimmste jedoch waren die Spinnen. Sie waren wirklich überall. Und wenn ich zu diesem Zeitpunkt dachte, dass es in Sachen Unterkunft und Tiere nicht schlimmer werden kann, dann wurde ich später eines Besseren belehrt. Hier sollte ich also die nächsten drei Monate wohnen.
Der Aufenthalt meiner Vorgängerin neigte sich dem Ende zu. Bevor sie abreiste, zeigte sie mir die Aufgaben für die kommende Zeit auf der Farm. Dazu gehörte, die Pferde zu pflegen und sie für die Reitschüler zu satteln, aber auch die Ausbildung sowie das regelmäßige Training der Pferde. Nach zwei Tagen war ich schließlich auf mich allein gestellt. Ab jetzt kümmerte ich mich selbstständig um die Farm, die Pferde und zeitweise auch um die Kinder von Amanda und Brett. Unterstützung erhielt ich alle zwei bis drei Wochen von einer Farmhelferin, die für Kost und Logis bei Amanda arbeitete. Neben der standardmäßig zu verrichtenden Arbeit erhielten wir von Amanda jeden Morgen eine Liste mit Tätigkeiten, die an dem jeweiligen Tag zusätzlich zu erledigen waren. Die Aufgaben reichten von Gartenarbeit und dem Instandsetzen der Weidenzäune bis hin zum Aufsammeln der Eukalyptusbaumrinden, die auf die Weiden fielen. Immer lustig war das Verteilen der Pferdeäpfel. Dazu saßen wir auf einem kleinen Traktor mit angehängtem Gitter, fuhren über die Pferdeäpfel und verteilten sie. Das Schönste war für mich aber immer die Arbeit mit den Pferden. Wenn ich nicht bei den Tieren oder im Garten war, hütete ich die Kinder. Mit Toby und Daisy war es manchmal nicht leicht. Sie hatten ihren eigenen Kopf und wollten gerne genau das machen, was ihre Mutter explizit verboten hatte. Am liebsten hätten sie den ganzen Tag „Susi & Strolch“ oder die „Minions“ geschaut. Um das zu verhindern, durfte ich mir verrückte Spiele überlegen oder mit ihnen nach draußen gehen. Auch die Reitstunden der beiden gestalteten sich nicht einfach, denn eigentlich hatten die Kinder keine Lust zu reiten. Saßen die Kinder endlich auf ihren Ponys, wollten sie auch schon wieder runter. Mit einer Runde Rückwärtsreiten konnte ich sie ab und an wenigstens für 15 Minuten oben halten, bis sie letztlich doch anfingen zu weinen und abstiegen.
„So konnte ich mir meinen Traum vom Reiten erfüllen und die anstrengende Arbeit vergessen“
Anders als die Kinder freute ich mich riesig, wenn Zeit für einen Ausritt blieb. Wann immer sich die Möglichkeit bot, schnappte ich mir ein Pferd. Gemeinsam mit der Farmhelferin galoppierte ich durch die traumhafte Landschaft des in der Nähe liegenden Nationalparks. So konnte ich mir meinen Traum vom Reiten erfüllen und die anstrengende Arbeit war für eine Weile vergessen. Von Zeit zu Zeit halfen wir auch Brett bei seiner Arbeit an einem neuen Dressurplatz. Bei fast 40°C errichteten wir die Einzäunung für den Sandplatz. Jeder zweite Griff galt bei diesen Temperaturen der Wasserflasche. Eigentlich war es viel zu heiß, um zu arbeiten. Aber immerhin hatten wir die Hoffnung, dass wir, trotz Unmengen an Sonnencreme, etwas Farbe bekommen würden. Und ich muss zugeben, die Arbeit hat sich gelohnt. Der Platz sah am Ende wirklich toll aus. An einem der freien Tage hatten meine Kolleginnen und ich das Bedürfnis, unbedingt mal etwas anderes zu sehen als Pferde und Reitschüler. Wir überredeten Amanda, dass wir einen Ausflug in dem kleinen, dreckigen Auto, was uns Farmarbeitern zur Verfügung gestellt wurde, zum nächstgrößeren Ort machen durften. Kurz vor dem Ziel bemerkte ich, dass die Kupplung des Wagens streikte, deswegen lenkte ich das Auto an den linken Fahrbahnrand. Schnell war klar, das wars! Das Auto war definitiv kaputt, wir konnten es nicht reparieren und wir mussten Amanda und Brett anrufen, um von dem Schaden zu berichten und uns von ihnen abholen zu lassen. So endete also unser toller Ausflug in den Ort. Statt shoppen, gestrandet am Straßenrand. Aufregend war es trotzdem und wir waren froh, dass uns nichts passiert war.
Amanda nahm häufig an Turnieren teil. Ich habe es wirklich genossen, sie und ihre kostbaren Pferde dorthin zu begleiten. Vor der Abfahrt zu diesen Terminen gab es für mich und meine Helferinnen immer viel zu tun. Wir packten den Pferdeanhänger mit allem, was für das Turnier notwendig war, und putzten und ölten die Sättel sowie Amandas heilige Stiefel. Stand mal kein Arbeitstag oder Turnier an, fuhren Amanda und ich mit den Kindern zum Ponyclub. Das war immer ein riesiger Spaß, sowohl für die Kinder als auch für mich. Auf ihren Ponys führten wir Toby und Daisy durch einen Hindernisparcours um Tonnen herum, über Stangen, die auf dem Boden lagen, und durch einen kleinen Wassergraben. Natürlich versuchten wir immer, die Schnellsten zu sein. Aber das Beste war das kostenlose und leckere Essen. Wir schlugen uns den Bauch voll und genossen einfach die Zeit mit der Familie. Brett schloss ich wirklich in mein Herz. Er half uns immer, wenn wir Probleme hatten. So gab es Tage, an denen es gewitterte, und wir plötzlich kein Wasser mehr hatten. Einmal stand ich unter der Dusche mit Schaum in meinen Haaren, als nur noch tröpfchenweise Wasser aus dem Duschkopf kam. Laut fluchend rief ich nach meiner Zimmergenossin. Zusammen rannten wir nach draußen und hofften, einen Eimer Wasser zu finden, den ich mir über den Kopf gießen konnte. Leider war weit und breit nichts zu finden. Aber dann eilte uns Brett zu Hilfe, schloss den Generator an und ich konnte in Ruhe weiter duschen. Auf der Farm gab es übrigens auch eine Python namens Percy. Diese schlängelte sich teils durch die Sattelkammer oder schlief auch mal im Kinderwagen von Daisy. Manchmal fand man ihre alte Haut auch auf der Werkbank im Geräteschuppen. Eines Morgens, kurz nach dem Aufwachen, entdeckten meine Zimmernachbarin und ich, dass Percy über uns auf dem Balken in unserer Blechhütte hing. Wir kreischten, Brett kam angerannt und brachte die Schlange wieder nach draußen. Seit diesem Tag vergaßen wir nie wieder, die Tür zu schließen. Was Schlangen und Spinnen angeht, war der Aufenthalt auf der Farm tatsächlich Therapie pur.
„Überhaupt werde ich den ganzen Hof nie vergessen“
Wenn wir morgens ganz früh aufstanden, konnten wir Kängurus auf den Weiden neben den Pferden beobachten. Wir versuchten daher, so oft es ging, möglichst früh in die Arbeitsklamotten zu schlüpfen, um diese Idylle zu genießen. Eines Morgens jedoch stellten wir fest, dass zwar die Kängurus auf der Weide waren, aber nicht die Pferde. Der Weidezaun war beschädigt und die Pferde standen zum Teil direkt vor uns und zum Teil bei den Nachbarn. Wir sagten sofort Brett und Amanda Bescheid, aber die beiden konnten uns nicht helfen, weil sie mit den Kindern zu tun hatten. Uns blieb also nichts anderes übrig, als die Tiere alleine einzufangen und die Zäune zu reparieren. Das war ehrlich gesagt kein leichtes Unterfangen, aber mit ein bisschen Futter und Geduld schafften wir es schließlich doch. Mein Work and Travel-Aufenthalt in Australien dauerte insgesamt zehn Monate. Auch wenn das Hofleben anstrengend und arbeitsreich war, bin ich froh, dass ich mich für das Farmarbeitsprogramm entschieden habe. Mit dem Job auf der Pferdefarm erfüllte ich mir einen lang gehegten Traum, lernte viele nette Leute kennen und fand Freunde fürs Leben. Auch wenn Toby und Daisy mich ordentlich auf Trab gehalten haben, habe ich sie doch in mein Herz geschlossen. Überhaupt werde ich den ganzen Hof nie vergessen. Meine Zeit in Australien war ein großes Abenteuer. Beim anschließenden Reisen lernte ich das Linksfahren, beobachtete wilde Pinguine und ging im Great Barrier Reef tauchen. Ich hoffe, dass ich irgendwann wieder nach Australien zurückkehren und meine Reise dort fortsetzen kann. Der Kontinent ist immer eine Reise wert und ich kann jedem nur empfehlen, sich das Land einmal persönlich anzusehen.
Jaqueline Kaldewey, 22, studiert Journalismus an der DEKRA Hochschule für Medien in Berlin und hofft perspektivisch ihre Leidenschaft für Tiere mit dem Journalismus verbinden zu können.
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