Als Kinderbetreuerin in einem Summer Camp
Seit einigen Jahren schon war es mein größter Wunsch, nach dem Abi ins Ausland zu gehen, etwas Besonderes zu erleben und meine Englischkenntnisse zu verbessern. Um meine Eltern langsam auf meine Pläne vorzubereiten, schnitt ich das Thema „Auslandsaufenthalt nach dem Abi“ schon recht früh an. Fest stand für mich, dass ich in die USA gehen wollte und dass meine Arbeit etwas mit Kindern zu tun haben sollte. Ein Aufenthalt als Au-Pair kam für mich jedoch nicht infrage. Welche Alternative gab es also? Bei meiner Internetrecherche stieß ich auf die Möglichkeit, als Kinder- und Jugendbetreuerin in einem Summer Camp in den USA zu arbeiten. Das war genau das, wonach ich gesucht hatte!
Jedes Jahr verbringen viele amerikanische Kinder und Jugendliche einen Großteil ihrer Ferien in einem Summer Camp und werden dort in einzelnen Gruppen von sogenannten Camp Counselors bei verschiedensten Freizeitaktivitäten, Veranstaltungen und Ausflügen betreut. Um als Camp Counselor in den USA arbeiten zu dürfen, muss man verschiedene Voraussetzungen erfüllen: Es wird erwartet, dass man volljährig ist, gute Englischkenntnisse besitzt, sehr gute Kenntnisse in einer bestimmten Sportart bzw. einer künstlerischen Tätigkeit mitbringt, mindestens neun Wochen Zeit hat, um in den USA zu arbeiten, keine Eintragungen im polizeilichen Führungszeugnis aufweist und einen gültigen Reisepass hat. Zu diesen Kriterien kommen noch persönliche Anforderungen wie Flexibilität und Anpassungsvermögen hinzu, vor allem vor dem Hintergrund der sehr langen Arbeitszeiten, die sich nicht selten von 7:30 bis 22 Uhr erstrecken. Auch die Bereitschaft, auf Privatsphäre zu verzichten und als Teamplayer die anderen Teilnehmer zu unterstützen, ist ein Bestandteil des Jobs.
Da ich die Voraussetzungen für einen Job als Camp Counselor erfüllte, stand für mich im Grunde schon alles fest. Ich reichte meine Bewerbung bei der deutschen Austauschorganisation im Oktober ein, und von da an verging die Zeit wie im Flug: Ende Oktober wurde ich bereits in das Programm aufgenommen und Mitte November erhielt ich die Aufnahmebestätigung für den kommenden Sommer im „Hidden Valley Camp“ in Maine. Meine Vorfreude war groß und ich erhielt von nun an in regelmäßigen Abständen E-Mails von meiner Austauschorganisation zu diversen Vorbereitungsmaßnahmen, wie zum Beispiel zu den Visumsmodalitäten, zur Flugbuchung, zur Versicherung und zu organisatorischen Angelegenheiten. Über eine Facebook-Gruppe konnte ich schon frühzeitig alle Mitglieder des „Hidden Valley Camp“-Teams kennenlernen. Kurzum: Die Monate vor der Abreise vergingen schnell, das Abi war geschafft, alle Vorbereitungen getroffen und es konnte losgehen.
Nach einer kleinen Abschiedsrunde mit meinen Freunden flog ich Anfang Juni nach Boston, Massachusetts. Der Abschied von meinen Freunden fiel mir nicht allzu schwer, da wir wussten, dass wir in Kontakt bleiben würden. Als ich mich jedoch vor dem Security-Bereich am Flughafen von meinen Eltern verabschieden musste, wurde mir schon ein bisschen mulmig zumute, aber ich wollte mein Vorhaben unbedingt durchziehen. Nach ungefähr siebeneinhalb Flugstunden landete ich endlich in Boston. Ein strenger Zollbeamter überprüfte meine Identität, nahm meine Fingerabdrücke und kontrollierte meine Arbeitserlaubnis sowie den Verlauf meiner weiteren Reise bis zum Camp. Nach guten zehn Minuten hatte ich die Mission Einreise jedoch bewältigt und machte mich mit meinem Gepäck bewaffnet auf den Weg Richtung Boston Innenstadt. Wie von meiner Austauschorganisation geplant, übernachtete ich eine Nacht in einem Hostel und fuhr am nächsten Tag mit dem Bus nach Maine.
Um 18 Uhr Ortszeit erreichte ich dann endlich das Camp und es ging sofort richtig los: Zuerst wurde ich in meine „cabin“ gebracht und durfte mich in der recht einfachen Unterkunft ein bisschen einrichten, dann lernte ich meine Mitbewohner, ebenfalls Counselors, kennen und wurde sofort in das Trainingsprogramm involviert. Das sogenannte „staff training“ hatte bereits ein paar Tage vor meiner Ankunft begonnen und war schon in vollem Gange. Alle Teilnehmer waren sehr nett, hilfsbereit und erleichterten mir den Start in meine neuen Aufgaben. Jeder Tag unseres zweiwöchigen Trainings war von unseren Programm-Direktoren komplett durchorganisiert. Zuerst sollten wir uns untereinander kennenlernen und mithilfe von diversen Gruppenspielen und Gruppendynamikübungen ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln. Nachdem dieser Programmpunkt abgeschlossen war und so langsam auch die restlichen Counselors eingetroffen waren, begannen wir mit der „area preparation“: Jeder Counselor wurde dabei auf spezielle Bereiche vorbereitet, in denen er später seine Kindergruppe leiten würde.
Zu meinen Bereichen gehörten neben dem Reiten und der Tierpflege auch das Arbeiten mit Glas, das Kochen und Tanzen. Diejenigen, die in den gleichen Bereichen tätig werden sollten, konnten sich zusammenschließen und gemeinsam über Unterrichtsmethoden nachdenken und Unterrichtspläne entwickeln. Die Trainingswochen brachten mir persönlich sehr viel, nicht nur wegen der praktischen Übungen in den jeweiligen Bereichen, sondern auch, da ich von den Erfahrungen der anderen Jugendbeteuer profitieren konnte, die diesen Job nicht zum ersten Mal machten. Wir Counselors wurden in vier Gruppen aufgeteilt, in denen wir jeden Morgen ein einstündiges Meeting zu bestimmten Themen wie „Mobbing“ oder „Heimweh“ abhielten und auch unser eigenes Verhalten kritisch diskutierten. Ich gehörte zum internationalen Team und wurde deshalb mit einigen Vorbereitungsmeetings speziell auf die amerikanische Kultur und auf die amerikanischen Kinder vorbereitet, da die Verhaltensweisen und Ansichten doch ganz anders sind als bei uns. Auch wenn es in den USA überall viele Süßigkeiten und Hamburger gibt, wurde im Camp zum Glück großer Wert auf gesundheitsbewusstes Essen gelegt.
„Wir waren bereit für den Ansturm der Kinder“
Ende Juni war es dann schließlich so weit: Das Training war erfolgreich abgeschlossen und wir wurden mit unseren Co-Counselors zusammen auf die jeweiligen „cabins“ aufgeteilt, in denen wir mit den Kindern zusammen wohnen sollten. Wir waren bereit für den Ansturm der Kinder. Der insgesamt achtwöchige Job als Camp Counselor war in zwei „sessions“ aufgeteilt: Meine erste Campgruppe für die ersten vier Wochen bestand aus zehn zehnjährigen Mädchen, meine zweite Gruppe für weitere vier Wochen aus acht achtjährigen Mädchen. Unser Tagesablauf sah wie folgt aus: 7:45 Uhr aufstehen, 8 Uhr Frühstück und 8:50 Uhr Camp-Meeting. Im Anschluss begannen jeweils um 9:20 Uhr die einzelnen Veranstaltungen, für die sich die Kinder anmelden konnten und die von den Counselors geleitet wurden. Das Angebot reichte von Sport über Kunst bis hin zur Tierpflege. Es folgte das Mittagessen und im Anschluss eine Ruhephase von einer Stunde. Danach ging es mit frischem Elan weiter mit den Veranstaltungen, gefolgt von einem „evening meeting“, dem Abendessen und einem „evening program“. Doch nicht jeder Tag lief gleich ab: An jedem vierten Tag hatten wir sogenannte „trip days“ bzw. „lazy days“, an denen besondere Ausflüge oder Campaktivitäten mit den Kindern unternommen wurden. Langweilig wurde es uns nie, da es zusätzlich auch noch sogenannte „special days“ gab: So wurde zum Beispiel ein Eiswagen extra zu uns ins Camp bestellt, aus einem Hubschrauber wurden Süßigkeiten auf unser Camp geworfen, es gab einen „junkfood day“, einen „fair day“ und ein „lobster banquet“ am letzten Abend.
„Als Autoritätsperson musste ich stets an alles denken“
Die Arbeit im Camp war auf Dauer anstrengend. Rund um die Uhr war ich von Kindern umgeben und Privatsphäre gab es so gut wie keine, da ich auch mit den Kindern meiner Gruppe in der „cabin“ zusammen in einem Raum schlief, das gleiche Badezimmer benutzte usw. Als Autoritätsperson musste ich stets an alles denken und wachsam auf die Kinder achtgeben. Es gab einige Tage, an denen ich dringend mal Zeit für mich gebraucht hätte und an denen ich mein eigenes Bett, meine Dusche, meine Freunde und meine Familie stark vermisste. Trotz alldem hatten wir auch viel Freizeit von insgesamt 36 Stunden pro Woche. Wir Counselors verbrachten diese Zeit oft gemeinsam, um Ausflüge zu unternehmen. So erkundeten wir die Hauptstadt Maines, Augusta, unternahmen Shoppingtouren, wanderten am höchsten Berg Maines, dem Mount Katahdin, und fuhren an die Küste zum „wale watching“. Durch diese Ausflüge lernten wir uns und unsere Umgebung besser kennen und gewannen gleichzeitig ein wenig Abstand vom geschäftigen Campleben.
„Dieser Sommer war mit allem Drum und Dran der beste meines Lebens“
Rückblickend gab es viele schöne Tage, die mir noch in Erinnerung geblieben sind, sodass der gesamte Sommer unvergesslich für mich bleibt. Ich übernahm in diesen Wochen viel Verantwortung und lernte, mich immer vorbildlich, autoritär und objektiv zu verhalten, was eine große Herausforderung darstellte. Doch es hat funktioniert: Die Kinder wollten mich am Ende nicht wieder gehen lassen und hatten mich in ihr Herz geschlossen. Sie machten mir und den anderen Counselors kleine Geschenke und versicherten uns, dass wir die besten Counselor gewesen seien, die sie je hatten, obwohl es auch viele Diskussionen und Streitigkeiten gegeben hatte. Dieser Sommer war mit allem Drum und Dran der beste meines Lebens und ein prägendes Erlebnis, das ich so schnell nicht wieder vergessen werde. Und wer weiß: Vielleicht werde ich nach meinem Studium auch wieder einen Sommer in den USA verbringen.
Stephanie Krebs, 20, lebt in Frankfurt am Main und hat nach dem Sommer in den USA ihr dreijähriges duales Studium im Bereich der Digitalen Medien in Mannheim aufgenommen.
Lust auf mehr Erfahrungsberichte?
Dann klick auf den Au-Pair-Koala!