Schulter an Schulter im Pendlerverkehr

Auslandspraktikum in Malaysia

weltweiser · Auslandspraktikum · Malaysia
GESCHRIEBEN VON: ALEXANDER PÖSCHL
LAND: MALAYSIA
AUFENTHALTSDAUER: 6 MONATE
ERSCHIENEN IN: (NIX FÜR) STUBENHOCKER.
DIE ZEITUNG FÜR AUSLANDSAUFENTHALTE,
NR. 1 / 2011, S. 54-55

Im Konferenz-Raum des malaysischen Tochterunternehmens eines deutschen Mittelständlers herrschte rege Betriebsamkeit. Um 19 Uhr fand das Abschiedsessen in einem Restaurant statt und noch immer mussten letzte Schliffe an der finalen Projektdokumentation getätigt werden.

Die Vielfalt der Mitarbeiter in dem Raum glich der der gesamten malaysischen Bevölkerung: Die indischen und chinesischen Minderheiten waren ebenso vertreten wie die malaysische Mehrheit im Lande, und auch drei Deutsche wirkten mit, darunter der Chef aus Süddeutschland. Schließlich konnte das Projekt erfolgreich beendet werden und das Abendessen bedeutete den Schlusspunkt meines rund sechsmonatigen, faszinierenden Auslandspraktikums in Shah Alam, nahe der Hauptstadt Kuala Lumpur. Als Student der Betriebswirtschaft hatte ich mich entschlossen, mein Praxissemester im Ausland zu absolvieren, und die Wahl war schnell auf das in Europa wenig beachtete Land Malaysia gefallen. Die gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt, gepaart mit den unzähligen deutschen Unternehmen vor Ort und einer grandiosen Lage für weitere Reisen innerhalb Asiens, sollte die Grundlage für einen ereignisreichen Aufenthalt sein. Nach der erfolgreichen Bewerbung bei einem Hersteller von Büromöbel-Elektronik, diversen Impfungen und der von Vorfreude begleiteten Reiseplanung landete ich auf dem Internationalen Flughafen in Kuala Lumpur. Dort stand ich zunächst vor einer schier überwältigenden Wand aus Luftfeuchtigkeit und Hitze. Dieses Wetter herrscht über das gesamte Jahr hinweg und besonders am Anfang musste ich reichlich trinken, um möglichen Kreislauf-Beschwerden vorzubeugen.

Genau vier Tage Zeit hatte ich, ehe mein Praktikum beginnen würde, und diese 96 Stunden sollten ganz im Zeichen der Wohnungssuche stehen. In Malaysia gibt es viele Apartment-Komplexe mit eigenem Pool, Tante-Emma-Laden und häufig sogar einer Wäscherei. Da es mehr Angebot als Nachfrage für diese Wohnungen zu geben scheint, sind die Preise selbst für große und möblierte Zimmer relativ gemäßigt. Ein Fest für Studenten wie mich! Ich fand eine Wohnung, die ich mit einem iranischen Doktoranden und einer chinesischen Journalistin teilte. Diese Kombination stellte sich als außerordentlich interessant heraus, da wir uns alle untereinander über Geschichten aus der eigenen Heimat auf dem Laufenden hielten und wir somit gegenseitig unsere Horizonte erweiterten. Auch das Apartment selbst, ein sogenanntes Condo, war fabelhaft: Zum einen dank der generell niedrigen Lebenshaltungskosten, die es mir erlaubten, meine Wäsche ständig bei der freundlichen Reinigungsdame waschen zu lassen oder dreimal am Tag essen zu gehen. Zum anderen gab es zwei Tennisplätze und den bereits erwähnten Pool zum Schwimmen, was die Lebensqualität noch einmal steigerte.

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Aber ein Praktikum im Ausland dreht sich ja um mehr als nur um das Schwimmen, und nach den vier Tagen zur Eingewöhnung begann mein Büroalltag. Vor der Arbeit stand jedoch das tägliche Pendeln auf dem Programm, und dafür braucht es in Malaysia entweder eine nervenstarke oder eine fatalistische Persönlichkeit. Egal, ob Bus, Bahn oder Auto, eng und zeitaufwendig ist es immer! Ich nahm den Zug der KTM-Gesellschaft, deren Ticketpreise zwar unschlagbar niedrig sind, wofür man jedoch auch keine Zuverlässigkeit erwarten darf. Man muss wissen, dass der ehemalige malaysische Premierminister Mahathir Mohamad die „Vision 2020“ ausgab, in der Landessprache „Wawasan 2020“. Mit diesem Großprojekt soll das Ziel verfolgt werden, das Schwellenland Malaysia bis zum Jahr 2020 zu einem voll entwickelten Land zu machen. Teil des Projekts ist natürlich der Ausbau der Infrastruktur. Im Bereich des Straßenverkehrs hat sich schon viel getan und so macht das Autobahnnetz das südostasiatische Aushängeschild Singapur von Kuala Lumpur aus in wenigen Stunden erreichbar.

„Ich hatte als Westeuropäer stets Sorge, ich könnte mich verkühlen“

Allerdings gehört eben auch der Schienenverkehr zur Infrastruktur, und gemessen am KTM-Zug war für mich hier noch kein positives Ergebnis erkennbar. Im Idealfall sollte der Zug alle 20 Minuten fahren, oftmals aber erschien nicht einmal alle 40 Minuten ein Zug. Da die Gesellschaft gerade zu Stoßzeiten viel zu wenige Waggons mit auf die Reise schickt, müssen sich die tapferen Pendler nicht selten Schulter an Schulter auf die Reise begeben. Glücklicherweise konnte ich bereits nach wenigen Stationen wieder aussteigen, denn mein Vorgesetzter Fred nahm mich den Rest des Weges in seinem Auto mit. Übrigens hatte der Gute sein Auto dermaßen klimatisiert, dass ich als Westeuropäer stets Sorge hatte, ich könnte mich verkühlen. Somit hatte ich ständig eine Jacke dabei, obwohl es draußen permanent rund 35°C heiß war.

„Meistens gingen die Büroangestellten gemeinsam zum Mittagessen“

Im Büro erstaunte es mich immer wieder, wie sich die Kulturen weltumspannend gleichen. Auch hier tranken die Kollegen erst einmal Kaffee oder Tee, lasen die Zeitung oder tauschten sich über die Fußballspiele vom vergangenen Wochenende aus. Meine Aufgabe bestand darin, zusammen mit einem weiteren deutschen Kollegen, das Qualitätsmanagement zu standardisieren und schließlich ein geordnetes System einzuführen, das der Produktqualität zugute kommt. Dabei mussten sämtliche Abteilungen durchlaufen sowie Prozesse optimiert und dokumentiert werden. Zudem tauschten wir uns mit externen Beratern und Gutachtern aus. Meistens gingen die Büroangestellten gemeinsam zum Mittagessen und so wurden wir Deutschen in die kunterbunte Welt der Mahlzeiten eingeführt. Schweinefleisch mit einer Art Sojasoße gab es beim Chinesen, Reis mit allen möglichen Gemüse-Beilagen auf einem Bananenblatt beim Inder oder Fish & Chips im westlich geprägten Restaurant. Überhaupt nimmt Essen eine bedeutende Position im Leben der gesamten malaysischen Bevölkerung ein. Die allermeisten Lokale bieten Mahlzeiten zu sehr günstigen Preisen an und sogar Straßenbuden offerieren hervorragende Speisen.

Wer sich als Deutscher 10.000km fern der Heimat gern mit anderen Deutschen trifft, hat in Malaysia genügend Möglichkeiten dazu. Etwa zehn deutsche Praktikanten verabredeten sich während meiner Zeit dort regelmäßig über das Internet miteinander und eine Leipzigerin wohnte nur wenige Meter von meiner Wohnung entfernt. Bei aller Heimatverbundenheit lohnt es sich aber definitiv, ein paar Brocken der Landessprache Bahasa Malaysia zu lernen, denn das garantiert schon fast einen tiefergehenden Umgang mit der Bevölkerung. So begrüßte ich beispielsweise die Damen und Herren der Produktion morgens stets mit einem „Selamat Pagi“ und brachte sie so bereits zu Tagesbeginn zum Lächeln.

„Einen Kulturschock hatte ich nicht wirklich“

Das klingt alles wie durch die rosarote Brille, aber es entspricht doch der Wahrheit: Bis auf die geschilderten Herausforderungen beim Pendeln war mein Aufenthalt in Malaysia ein durch und durch ausgezeichnetes Erlebnis. Wer den Menschen mit Offenheit und Neugier begegnet, wird in ihre Kultur eintauchen können und ein intensives Erlebnis mit nach Hause nehmen. Einen Kulturschock hatte ich nicht wirklich, dazu gab es einfach zu viel zu erleben und dazu ist Malaysia einfach viel zu spannend. Als ein Beispiel möchte ich die Bevölkerung anführen: Man sieht modische Chinesinnen im Minirock genauso wie junge Muslima mit buntem Kopftuch oder indische Frauen im typischen Sari. Wer erst einmal in Malaysia ist, wird seine Zeit dort kaum mehr vergessen!

Alexander Pöschl, 25, macht seinen Master in International Business an der niederländischen Universiteit Maastricht. Er plant, im Anschluss an sein Studium für ein Unternehmen aus dem industriellen Sektor zu arbeiten.

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Koala Bär
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