Deutsch-argentinischer Schüleraustausch

Von Küsschen, Gebäck und farbigen Bergen

weltweiser · Der Daumen nach oben sagt: Alles top!
GESCHRIEBEN VON: LARA RENDER
LAND: ARGENTINIEN
AUFENTHALTSDAUER: 3 MONATE
ERSCHIENEN IN: (NIX FÜR) STUBENHOCKER.
DIE ZEITUNG FÜR AUSLANDSAUFENTHALTE,
Nr. 5 / 2015, S. 19-20

Während meines Schüleraustauschs in Argentinien erlebte ich die besten Momente meines Lebens. Was mir bleibt, sind unzählige schöne Erinnerungen an ein Land, in dem die Menschen offen, warmherzig und spontan sind, in dem Ausländer herzlich willkommen geheißen werden und das landschaftlich und kulturell so vielfältig ist wie kaum ein anderes Land, das ich kenne.

Dabei wusste ich zuvor sehr wenig über Argentinien – eine Nation am anderen Ende der Welt, deren Bewohner fußballbegeistert und unglaublich stolz auf ihre Helden Messi und Maradona sind. Doch dann bekam ich einen Brief einer Schülerin aus Buenos Aires, in dem sie sich kurz vorstellte und erklärte, dass sie die Pestalozzi-Schule, eine deutsch-spanische Schule, besuche und auf der Suche nach einer Austauschschülerin sei. Nach einem ersten E-Mail-Kontakt fingen wir an, per Skype zu telefonieren und bald war die Entscheidung gefallen: Sie sollte meine Austauschschülerin werden und zunächst zu mir nach Deutschland kommen. Schließlich war es so weit, wir holten sie vom Bahnhof ab, und sie würde für drei Monate bei uns wohnen.

Zu Beginn hatten wir beide mit ihrem Heimweh und ihrer Müdigkeit zu kämpfen. Letztere war zum einen dem Jetlag geschuldet und zum anderen den kurzen Nächten in Berlin, wo meine Austauschschülerin zuvor eine Woche verbracht hatte. Die dunklen Wintertage und die Kälte, die für meine Austauschschülerin eine große Herausforderung darstellten, waren auch nicht gerade förderlich. Doch je besser wir uns kennenlernten und je mehr Zeit wir miteinander verbrachten, desto seltener wurde auch das Heimweh. Während der drei Monate lernte ich immer mehr über Argentinien, zum Beispiel, dass „Mate“, eine Art Kräutertee, das Nationalgetränk ist, dass zum Frühstück wenig und Süßes gegessen wird, und dass es zum Abendessen warme, üppige Mahlzeiten gibt. Auch erfuhr ich, dass die Argentinier gerne „Alfajores“, ein Gebäck, und „Dulce de leche“, eine Art Karamellcreme, essen und dass die Winter deutlich milder und sonniger sind. Auf diese Weise stieg während des Besuchs meiner Austauschschülerin meine Vorfreude darauf, ihre Heimat besser kennenzulernen. Als wir uns schweren Herzens voneinander trennten, weil sie nach Argentinien zurückkehren musste, konnte ich es kaum erwarten, sie in Buenos Aires zu besuchen.

Ein paar Monate später war es endlich so weit, und ich machte mich auf den Weg nach Argentinien. Nach dem 15-stündigen Flug kam ich müde um 6 Uhr morgens an und wurde gleich freudig von meiner Gastfamilie empfangen. Zunächst bekam ich mein erstes argentinisches Frühstück: Es gab verschiedenes Gebäck, „Churros“ und „Facturas“, und dazu „Mate“. Meine Austauschschülerin erklärte mir, dass wir schon am nächsten Tag nach Salta, einer Stadt im Norden des Landes, fahren würden. Aber erst einmal wollte ich mein neues Zuhause und die Umgebung kennenlernen. Bereits beim Blick aus dem Fenster fiel mir auf, was für eine riesige Stadt Buenos Aires ist. Wo ich hinschaute, erblickte ich Hochhäuser, die teilweise mehr als 20 Stockwerke hoch waren. Um eine Straße bis zum Ende entlangzulaufen, konnte es mehr als eine halbe Stunde dauern. Nach der ersten Entdeckungstour gingen wir zum Mittagessen nach Hause. Meine Gastgroßmutter war zu Besuch und wir schlossen einander gleich ins Herz. Nachmittags gingen wir mit ein paar Freunden meiner Austauschschülerin in das Kunstmuseum Malba, und nach dem Abendessen packten wir auch schon die Koffer für den nächsten Tag.

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Während der Autofahrt zu unserem ersten Ziel Córdoba, nördlich von der Provinz Buenos Aires, lernte ich bereits viele typisch argentinische Angewohnheiten kennen. Dazu zählte unter anderem die Offenheit der Menschen, da zu jedem „Hallo“ auch ein „Wie geht’s?“ gehörte. Beim Blick aus dem Fenster fiel mir gleich die beeindruckende Weite des Landes auf. Wir fuhren stundenlang an freien, endlosen Flächen vorbei. An der Autobahn gab es nur ein paar Stände, an denen Orangen verkauft wurden, und ab und zu einige rot verzierte Bäume, die Teil eines Heiligenkultes waren. In Córdoba verbrachten wir mehrere Nächte in einem kleinen Ferienhaus und konnten jeden Morgen in der Sonne frühstücken. Außerdem fand in Córdoba ein Dorffest statt, auf dem Folklore getanzt und gespielt wurde. Bei einer Grillmahlzeit, „Asado“ genannt, und viel Sonnenschein konnten wir das argentinische Landleben hautnah miterleben. Nach einigen Tagen in Córdoba ging es dann noch weiter in den Norden bis nach Salta. Auf dem Weg dorthin passierten wir die vielfältigsten Berglandschaften, einige waren von Bäumen überwuchert, andere waren besiedelt, später sahen wir wüstenähnliche und zum Schluss rotgefärbte Berge.

„Mir wurde immer wieder bewusst, dass ich an diesem Ort willkommen war“

Als wir abends in Salta ankamen, wartete eine Überraschung auf uns: Das Hotel war erst für den nächsten Tag gebucht, daher brauchten wir spontan noch eine Unterkunft für eine Nacht. Schließlich mussten wir mit der sechsköpfigen Familie auf Matratzen in einem Hotelzimmer für zwei Personen übernachten. Aber mit der argentinischen Lebenseinstellung wurde auch dies zu einem spannenden Abenteuer. Von Salta aus fuhren wir für einen Tag in die Anden zum Cerro de los Siete Colores, dem siebenfarbigen Berg. Etwas so Wunderschönes hatte ich zuvor noch nie gesehen. Der Berg besteht aus mehreren verschiedenfarbigen Schichten in Blau- und Rottönen. Nachdem wir den Berg lange genug bewundert hatten, ging die Fahrt weiter zu den Salzwüsten Salinas Grandes, welche ebenfalls einen unglaublichen Anblick boten. Am Abend fuhren wir wieder nach Salta und von dort aus kehrten wir zwei Tage später nach Buenos Aires zurück. Mit dem Schulbeginn ging auch das argentinische Alltagsleben los. Bereits beim Betreten des Schulgebäudes erlebte ich eine erste Überraschung: Am Eingang stand ein Security-Mann, der von allen Schülern mit einem Küsschen begrüßt wurde. Auch die Lehrer wurden von den Schülern mit Küsschen gegrüßt und geduzt. Meine Mitschüler machten den Lehrern außerdem Komplimente, diese wiederum erkundigten sich nach ihrem Wohlbefinden und ihren Ferienaktivitäten. Davon war ich zunächst recht irritiert, doch nach einer Woche fing auch ich an, die Lehrer ohne ein Gefühl des Unbehagens zu duzen und den Mann am Eingang mit einem Küsschen zu begrüßen.

„Mit Freunden gingen wir häufig in ein Café, aßen „Merienda“ und unterhielten uns“

Nach sechs Stunden Unterricht, in dem das Verhältnis zu den Lehrern ähnlich locker war wie bei der Begrüßung, gab es mittags eine große Pause. Diese nutzten die Schüler, um sich mit einem Mittagessen auf den Nachmittagsunterricht vorzubereiten. In der Pestalozzi-Schule gab es eine kleine Kantine, in der auch Mikrowellen für die Schüler vorhanden waren, die ihr eigenes Essen mitgebracht hatten. Nach einem langen Schultag waren meine Austauschschülerin und ich meist um 16 Uhr zu Hause, wo wir zunächst „Merienda“, eine kleine Zwischenmahlzeit, aßen und dann eine „Siesta“, einen Mittagsschlaf, hielten. Danach musste meine Austauschschülerin Hausaufgaben erledigen und anschließend trafen wir uns meist entweder mit Freunden oder besuchten ihre Großmutter. Mit Freunden gingen wir häufig in ein Café, aßen „Merienda“ und unterhielten uns. In Buenos Aires fanden wir sehr viele schöne Cafés, sodass wir jedes Mal ein anderes ausprobieren konnten. Manchmal begleitete ich meine Austauschschülerin zu einer Art Gruppenleiterkurs in ihrer jüdischen Gemeinde. Den Kurs hatte sie belegt, um später als Leiterin in einem Camp zu arbeiten, welches jedes Jahr für drei Wochen während der Sommerferien stattfand.

„In Argentinien erfuhr ich sehr viel über Toleranz und Vielfalt“

Mit den Freunden meiner Austauschschülerin aus der Gemeinde verabredeten wir uns auch einmal, um tanzen zu gehen. Ab 12 Uhr nachts ging es los. Nach und nach trafen immer mehr Mädchen ein, wir schminkten uns gegenseitig, hörten Musik und stimmten uns auf den Abend ein. Die Mädchen gaben sich viel Mühe mit ihren Outfits, trugen Schuhe mit 15cm hohen Absätzen und bauchfreie Oberteile. Um 1 Uhr fuhren wir mit dem Taxi zur Disco. Da wir jedoch noch keine Tickets hatten und die Warteschlange vor der Disco sehr lang war, mussten wir uns nach ein paar amüsanten Stunden vor der Disco wieder auf den Heimweg begeben. Trotzdem war es ein toller Abend und sehr spannend für mich zu erleben, wie die Argentinier zu feiern pflegten. Doch ich lernte noch viel mehr Neues kennen. In Buenos Aires herrschte ein ganz anderes Ambiente als in deutschen Städten, aufgrund der Größe, aber auch durch die Bewohner aus allen Ländern der Welt. In Argentinien erfuhr ich sehr viel über Toleranz und Vielfalt. Ich fühlte mich immer willkommen, sowohl in der Gastfamilie und in der Schule als auch auf der Straße. Wenn der Kiosk-Besitzer nach meiner Herkunft fragte und mir beim Verlassen seines Geschäfts einen schönen Aufenthalt wünschte, wenn die Gasteltern mich umarmten, als würden wir uns schon seit Ewigkeiten kennen, in diesen Momenten stellte ich fest, dass ich mich in Argentinien verliebt hatte und das Land am liebsten nicht mehr verlassen wollte.

Lara Render, 18, absolviert zurzeit ein Studienorientierungsprogramm. In diesem Rahmen plant sie ein zweimonatiges Auslandspraktikum in Spanien und möchte danach voraussichtlich ein deutsch-französisches Studium der Elektrotechnik beginnen.

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Koala Bär
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