Stress und Spaß in Spanien
Aller Anfang ist schwer. Dies galt auch für meine Zeit in Spanien, die sich jedoch schnell zu einer meiner besten Zeiten mit den tollsten Erfahrungen entwickelte. Nach meinem Abitur, das stand für mich schon lange fest, wollte ich unbedingt erst einmal ins Ausland gehen. Ich hatte Fernweh, wollte eine neue Sprache lernen und Menschen einer anderen Kultur treffen.
Spanien war mein Wunschland: Schon immer hatte ich ein Faible für die Sprache gehabt, fand die Menschen dort sehr aufgeschlossen und gastfreundlich und konnte mir ein einjähriges Eintauchen in die spanische Kultur sehr gut vorstellen. Ich entschied mich für einen Au-Pair-Aufenthalt. Nach nur wenigen Wochen bekam ich eine Anfrage: Eine Familie aus San Sebastián mit vier Kindern im Alter von sechs Monaten bis sechs Jahren suchte ein Au-Pair-Mädchen aus Deutschland. Schnell war für mich klar: das machst du, da sagst du zu! Natürlich hatte ich anfangs einige Bedenken: gleich vier kleine Kinder, denen ich auch noch Deutsch beibringen sollte. Babysitten war ja an sich nichts Neues für mich, allerdings war ich bisher für maximal zwei kleine Quälgeister gleichzeitig verantwortlich gewesen.
Mitte August ging das große Abenteuer los und ich machte mich auf den Weg in den Norden Spaniens, genauer gesagt ins Baskenland. Vom Flughafen Bilbao aus fuhr ich mit dem Bus nach San Sebastián, wo mich bereits die ganze Familie erwartete: die Eltern Cecilia und Alejandro und die vier Kinder Iker, Yon Tomas, Ines und Erik. Sofort schloss ich die süßen Kinder in mein Herz. Sie strahlten und lachten mich an, schienen ganz und gar nicht verschlossen. Nachdem ich meine Koffer in der Wohnung abgestellt hatte, ging es direkt weiter zu Freunden der Familie, die in einem wunderschönen Landhaus auf uns warteten. Die Gastgeber hatten selbst fünf kleine Kinder, und eine weitere, ebenfalls anwesende Familie noch drei. Es waren also zwölf Kinder anwesend. So konnte ich mich gleich an ein gewisses Chaos gewöhnen, was das Zusammensein mit kleinen Kindern mit sich bringt. Die ersten beiden Wochen hatte Cecilia Urlaub, sodass ich eine kleine Eingewöhnungsphase und einen Ansprechpartner hatte. Ich verbrachte viel Zeit mit den Kindern, sah gleichzeitig jedoch auch schon einige Ecken von San Sebastián: eine wunderschöne, relativ kleine, überschaubare Stadt am Golf von Biskaya und somit direkt am Meer gelegen.
Mit den Kindern kam ich sehr gut aus, auch wenn sie sich natürlich anfangs sehr daran gewöhnen mussten, dass ich Deutsch mit ihnen sprach, was ja von den Eltern so gewollt war. Für die Kinder war die Situation nicht einfach, plötzlich ständig mit einer neuen Sprache konfrontiert zu werden. Für mich war es schwierig, gegen die Ungeduld der Kinder anzukommen, wenn sie etwas nicht verstanden. Die ersten Wochen waren wirklich sehr mühsam. Nach gut zwei Wochen „Einarbeitung“ durch Cecilia ging sie schließlich wieder zurück ins Büro, während die Kinder noch Sommerferien hatten. Der Kleinste wurde morgens früh zum Opa gebracht, sodass ich mich nur noch um die übrigen drei kümmern musste. Besonders frühmorgens wurde ich auf die Probe gestellt, denn Ines hatte sich noch nicht richtig an mich gewöhnt und bestand lautstark darauf, von ihrer Mutter und nicht von mir angekleidet zu werden. Auch die beiden Jungs wurden schnell sehr ungeduldig, wenn ich sie nicht sofort verstand, was aufgrund meiner damals noch kaum vorhandenen Spanischkenntnisse tatsächlich öfters vorkam. Um 19 Uhr kamen dann – zumindest während der Anfangszeit – Cecilia und Alex nach Hause und lösten mich ab. So hatte ich abends Zeit für mich, die ich dazu nutzte, die Umgebung und San Sebastián ein wenig genauer zu erkunden. Als die Schule wieder begann, kümmerte Cecilia sich um Ines und ich mich um die drei Jungs. Mein Morgen sah dann ungefähr so aus: Ich musste den kleinen Erik ankleiden und versorgen, den großen Jungs Brote schmieren und Frühstück machen, mich zum wiederholten Male darum kümmern, dass Yon, der ein absoluter Morgenmuffel war, aufstand und dann natürlich auch noch pünktlich mit allen Dreien an der Bushaltestelle stehen. Ihr könnt euch diesen Stress vorstellen!
„Ich war schon bald bekannt und begehrt als deutsche kinderliedersingende Assistentin beim Seilchenspringen“
Anschließend hatte ich bis 15 Uhr frei. Dann musste als Erstes Erik wieder abgeholt werden. Bei gutem Wetter machten wir einen Spaziergang durch San Sebastián oder gingen in den Park, wo ich ihm die ersten Laufschritte beibrachte. Um 17 Uhr war dann Ines an der Reihe, kurz darauf die beiden Ältesten. Meistens verbrachten wir die Abende zusammen mit vielen anderen Kindern und Eltern im Park vor dem Haus. Dort spielten die Kinder Fußball, fuhren Fahrrad oder sprangen Seilchen. Ich war schon bald bekannt und begehrt als deutsche kinderliedersingende Assistentin beim Seilchenspringen. Nachdem ich die Kinder geduscht hatte, wurde noch zusammen mit den Eltern gegessen, bevor es für die Kinder ins Bett ging. Sie schenkten mir mehr und mehr Vertrauen, und auch ich verstand es immer besser, mit ihnen umzugehen. Mein Tagesablauf war, wie ihr seht, keineswegs stressfrei. Im Nachhinein betrachtet, hat mich jedoch jede Minute mit den Kindern weitergebracht. Jeden Abend fiel ich glücklich ins Bett. Und jeden Morgen nach dem Aufwachen freute ich mich auf ein Lächeln von und das Herumalbern mit den Vieren.
„Oft trafen wir uns samstags abends, gingen zusammen etwas essen und stürzten uns danach ins baskische Nachtleben“
Doch nun noch ein paar Sätze zu meinem „Leben neben den Kindern“: Während meiner ersten Woche in San Sebastián hatte ich direkt zwei junge südamerikanische Frauen kennengelernt, die später zu sehr guten Freundinnen wurden. Ich hatte eine Fahrradtour durch die Stadt gemacht und die beiden angesprochen, um nach dem Weg zu fragen. Wir hatten uns in ein Gespräch vertieft und uns für die darauffolgende Woche verabredet. Ich war sehr froh gewesen, so früh schon Bekanntschaften zu knüpfen. Oft trafen wir uns samstags abends, gingen zusammen etwas essen und stürzten uns danach ins baskische Nachtleben. Ganz nebenbei konnte ich durch die Treffen mit den beiden auch noch meine Spanischkenntnisse verbessern. An der Universität besuchte ich zudem zweimal in der Woche einen Spanischkurs, der für Erasmus-Studenten angeboten wurde. Freitagmorgens nahm ich an einem Personalmanagement-Kurs der Uni teil, der auf Englisch gelehrt wurde. Hier lernte ich natürlich ebenfalls Studenten aus aller Welt kennen.
„Ohne ein Wort Spanisch zu sprechen, war ich nach San Sebastián gegangen, zurückgekommen bin ich mit nahezu perfektem Spanisch“
Meine Zeit in San Sebastián ist und wird für immer unvergesslich bleiben. Ich habe die Stadt und ihre herzlichen und offenen Einwohner in mein Herz geschlossen. Vor allem aber habe ich die Kinder und all die Menschen lieben gelernt, die ich dort kennengelernt und die mich das Jahr über begleitet haben. Erik, Ines, Yon und Iker sind mir während meiner Zeit bei ihnen sehr ans Herz gewachsen und noch immer halte ich Kontakt und besuche die Familie. Persönlich hat mir das Jahr als Au-Pair viel gebracht. Ich habe gelernt zu organisieren, Geduld zu bewahren, mich durchzusetzen und das Wichtigste: Ich bin sehr zielstrebig geworden. Ohne ein Wort Spanisch zu sprechen, war ich nach San Sebastián gegangen, zurückgekommen bin ich mit nahezu perfektem Spanisch. Ich wollte den Kindern Deutsch beibringen und tatsächlich verstanden die vier am Ende alles und konnten sich altersgemäß auch untereinander verständigen. Immer wieder habe ich mich über die Fortschritte gefreut, sowohl die der Kinder als auch meine eigenen. Ich kann jedem nur empfehlen, nach der Schule den Mut zu fassen, ein Jahr ins Ausland zu gehen. Ein Jahr in einem anderen Land, mit anderen Menschen und in einer fremden Kultur zu leben, erweitert ungemein den eigenen Horizont. Neben der Sprache lernt man so viele andere Dinge, wird geprägt durch so viele Erfahrungen, die einem später keiner mehr wegnehmen kann. Und, liebe Leser, die Chance auf einen Au-Pair-Aufenthalt bietet sich wohl nicht mehr so oft im Leben – vielleicht noch während des Studiums oder nach der Ausbildung, aber sicherlich nicht, sobald man ins Berufsleben eintritt. Ich hoffe, ich habe euch von einem Au-Pair-Aufenthalt überzeugen können! Stürzt euch also ins Ausland-Abenteuer!
Hannah Vergossen, 21, kommt aus Mönchengladbach und studiert Wirtschaftspsychologie in Köln. Nach ihrer Rückkehr aus Spanien entwickelte sie die Plattform www.familymeetsstudent.com. Darüber haben Studenten, die für einige Zeit im Ausland studieren, sowie Familien, die einen fremdsprachigen Babysitter für ihre Kinder suchen, die Möglichkeit, ein Profil zu erstellen und nach passenden Familien bzw. Studenten weltweit zu suchen.
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