On my own but never alone
Kurz nach dem Abi war für mich klar: Ich will raus und etwas von der Welt sehen! Da mich Australien schon lange faszinierte und mich die Idee vom Reisen und Arbeiten begeisterte, stand für mich sehr schnell fest, dass es mit dem Working-Holiday-Visum im Gepäck für sechs Monate nach Oz gehen sollte. Da nach und nach alle meine potenziellen Reisepartner abgesprungen waren, entschied ich mich dafür, allein den Weg ins bisher wohl größte Abenteuer meines Lebens zu wagen, und diesen Entschluss habe ich nie bereut. Ganz im Gegenteil, es war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte.
Australien: Land des leuchtend roten Outbacks und des beeindruckenden Ulurus, des bunten Great Barrier Reefs und der wunderschönen Whitsunday Islands, der spannenden Metropolen Sydney und Melbourne sowie Heimat unzähliger Kängurus, Koalas und weiterer Exoten. Australien ist riesengroß, wunderschön und voller Überraschungen. So erfuhr ich zum Beispiel erst auf einer Tour durch das Outback, dass wildlebende Kamele eine echte Plage im Red Center darstellten. Kamele in Australien? Klar! Auch dass sich die Fast-Food- Kette „Burger King“ in Australien „Hungry Jack’s“ nennen musste, da sich der Besitzer eines kleinen Imbisses weigerte, die Namensrechte zu verkaufen, erfuhr ich erst auf einer zwölfstündigen Busfahrt von Sydney nach Melbourne von meinem australischen Sitznachbarn während einer seiner kurzweiligen Schnarchpausen. Träumen unter den funkelnden Sternen im australischen Outback, Schnorcheln in der bunten Korallenwelt des Great Barrier Reefs, Sandboarding in den riesigen Sanddünen auf Kangaroo Island, Sunday-BBQ mit australischen Studenten, halsbrecherische Roadtrips durch Australiens Wildnis und Schneeballschlachten in den Snowy Mountains – so oder so ähnlich ließe sich mein großes Australien-Abenteuer vielleicht kurz und bündig zusammenfassen. Aber es gibt so viel mehr zu erzählen.
Auf meiner Reise durfte ich wahnsinnig viele interessante und unterschiedliche Menschen aus der ganzen Welt kennenlernen. Egal ob Europäer, Amerikaner, Südamerikaner, Israeli oder Asiate – wir alle hatten eines gemeinsam: Wir suchten hier das Abenteuer unseres Lebens. Es war immer wieder spannend und faszinierend, welche Geschichten die Leute aus ihrem Leben und von ihren Reisen zu erzählen hatten. Ob man nun einen Reisepartner suchte, Fragen oder einfach nur einmal Lust zum Smalltalk hatte, immer war jemand da, der ein offenes Ohr hatte, Ratschläge verteilte oder Tipps gab. Nie war es ein Problem, neue Kontakte zu knüpfen, solange man sich offen und interessiert zeigte. Auf eines war ich am Anfang jedoch nicht gefasst: die große Anzahl deutscher Landsleute, die ich in Australien antraf. Vermutlich brachte mich die Tatsache, dass sonst niemand aus meinem Bekanntenkreis an Work & Travel in Australien interessiert war, zu der wahnwitzigen Vorstellung, etwas ganz besonders Exotisches und Seltenes zu tun. Weit gefehlt! Wie ich später erfuhr, sind es alljährlich bis zu 20.000 Deutsche, die es nach Oz zieht. Wahnsinn! So erklärte mir ein kanadischer Zimmerkollege in einem Hostel: „I love the Germans!“ Als ich mich nach dem „Warum“ erkundigte, war seine schlichte, aber deutliche Antwort: „I gotta love them – they’re everywhere!“ Ein anderer behauptete sogar, man brauchte in Australien kein Englisch zu sprechen, man sollte lieber Deutsch lernen, das brächte einen weiter. Das konnte ich so zwar nicht bestätigen, aber ein Fünkchen Wahrheit mag schon dran gewesen sein.
Da ich aber nach Australien gekommen war, um Land und Leute kennenzulernen, versuchte ich natürlich, auch Kontakte zu Australiern zu knüpfen. Dank meines ersten Reisepartners lernte ich das Couchsurfing kennen und lieben. So wohnten wir fast eine Woche lang bei einem australischen Studenten in der wenig bekannten Hauptstadt Australiens, Canberra, und erhielten auf diese Weise einen recht guten Einblick in den „Australian Way of Life“. Anton wurde zu unserem persönlichen Tourguide, zeigte uns die Stadt, lud uns zu grandiosen BBQs mit seinen Freunden ein, versuchte mir mit eher mäßigem Erfolg sowohl Tennis als auch Longboarding beizubringen und bereitete uns eine fantastische Abschieds-Pool-Party im Haus seiner Eltern. Er war ein toller Gastgeber und ihm verdanke ich eine einmalige erste Couchsurfing-Erfahrung, die dazu führte, dass ich nach wie vor auf meinen Reisen gern dieses Gastfreundschaftsnetzwerk nutze.
Dass auch Australien nicht von der allgegenwärtigen Wirtschaftskrise verschont blieb, zeigte sich auf dem Arbeitsmarkt, der für uns Backpacker zeitweise eher düster aussah. Ich versuchte mein Glück in Melbourne und entschied mich nach unzähligen Absagen dafür, es in einem sogenannten Working Hostel zu versuchen, das „farm jobs“ an Backpacker vermittelte. Somit verbrachte ich die längste und wohl prägendste Zeit meines Australienaufenthalts in einem kleinen verschlafenen Nest namens Emerald, 60km von Melbourne entfernt. Dort wohnte ich im Emerald Backpackers. Nach zwei anstrengenden Wochen, in denen ich mit fünf Jungs aus meinem Hostel auf riesigen Feldern Unkraut zupfen und rupfen durfte, hatte ich das Riesenglück, für die nächsten sechs Wochen an eine „flower farm“ vermittelt zu werden. Dort war ich lediglich dafür zuständig, Setzlinge einzupflanzen, das Gewächshaus in Schuss zu halten und die Pflanzen mit Wasser zu versorgen. Ich hatte einen sehr netten Chef und lustige, ältere, australische Kolleginnen, mit denen ich eine Menge Spaß hatte und von denen ich viel über Australien lernte.
„In Emerald waren wir wie eine große Familie“
Das Leben im Hostel selbst war geprägt von unserer Arbeit. Wir alle mussten fünf Tage die Woche bis zu zehn Stunden täglich arbeiten, und da dies oft sehr anstrengende Arbeit war, waren wir abends und am Wochenende völlig ausgelaugt. Deshalb fiel es auch nicht weiter ins Gewicht, dass wir uns in der totalen Einöde befanden. Ich ließ es mir allerdings nicht nehmen, jedes Wochenende nach Melbourne zu fahren, um mich dort mit Freunden zu treffen, shoppen zu gehen und einfach das Großstadt-Flair zu genießen. In Emerald waren wir wie eine große Familie: Um die 30 junge Leute aus aller Welt, weit entfernt von allem, was ihnen vertraut ist, wohnen, arbeiten, kochen und feiern zusammen auf engstem Raum – das schweißt zusammen. Zu vielen habe ich nach wie vor Kontakt. Einer der schönsten Momente, die ich in Emerald erleben durfte, war eine Hochzeit zweier ehemaliger Emeraldians. Eine Japanerin und ein Engländer, die sich vor vier Jahren in Emerald kennengelernt hatten, wollten dort heiraten, wo sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Obwohl wir uns kaum kannten, war das ganze Hostel zur Trauung und zum anschließenden Umtrunk eingeladen. Es war wunderschön! Die gesamte Zeit in Emerald war sehr intensiv und ich erinnere mich gern an diese Wochen zurück. Dennoch war ich auch erleichtert, als ich schließlich kurz vor Weihnachten Emerald den Rücken kehrte, um die Feiertage und Silvester mit Freunden in Sydney zu verbringen.
„Von der Freundlichkeit in diesem Land bin ich nach wie vor beeindruckt“
Die Australier sind unglaublich herzliche und hilfsbereite Menschen. Als ich das erste Mal nach Emerald fuhr, hatte ich keine Ahnung, wie ich dort jemals hinfinden sollte. Glücklicherweise traf ich auf einen sehr netten Busfahrer, der nicht nur ausstieg, um mir mit dem Gepäck zu helfen, sondern mir gleichzeitig auch noch eine Wegbeschreibung aufmalte und mich ein kurzes Stück begleitete, damit ich auch ja die richtige Abzweigung fand. Ich war nicht der einzige Fahrgast, wohlgemerkt! Nach meinem Arbeitstag musste ich meist recht lange auf den Hostel-Bus warten, der mich jeden Abend einsammelte. Oft setzte ich mich zum Warten ins Gras am Straßenrand. Jedes, aber auch wirklich jedes Auto, das vorbeikam, hielt an, und die Insassen fragten, ob ich Hilfe brauchte, ob man mich mitnehmen könne oder ob sie jemanden anrufen sollen. Von der Freundlichkeit in diesem Land bin ich nach wie vor beeindruckt. Ob Smalltalk mit den Verkäufern an der Kasse im Supermarkt, Wegbeschreibungen und -begleitungen bei völliger Orientierungslosigkeit oder spontane Einladungen zu kleinen Konzerten in Underground-Clubs – die Freundlichkeit der Australier scheint keine Grenzen zu kennen.
„Wir hatten mit der Polizei gerechnet und bekamen stattdessen frischen Kaffee angeboten“
Freundlichkeit begegnete mir auch bei meinem ersten „Wildcamping“-Erlebnis. Die Erinnerung daran bringt mich noch immer zum Lachen. So hatten wir nach einem langen Tag während eines Roadtrips die Entfernung unterschätzt, und da wir nachts nicht weiterfahren wollten, suchten wir nach einem geeigneten Schlafplatz. Da weder Hostel noch Campingplatz in Sicht waren, entschlossen wir uns kurzerhand, im Auto auf einem Feld zu nächtigen. Uns war das Ganze nicht geheuer und so beschlossen wir, noch in der Morgendämmerung zu verschwinden. Gesagt, getan. Allerdings waren wir nicht schnell genug. Kurz bevor wir uns wieder auf der Straße befanden, rauschte ein Farmer in seinem Truck heran. Wir waren auf alles gefasst, nur nicht auf das, was dann folgte. Natürlich wollte er von uns wissen, was wir auf seinem Feld zu suchen hatten. Als wir ihm erklärten, dass wir das Feld als Schlafplatz genutzt hatten, musterte er unsere verfrorenen Gesichter, um dann zu fragen: „Wasn’t it too cold?“ Fröhlich lächelnd bot er uns schließlich heißen Kaffee aus seiner Thermosflasche an, wünschte uns einen „G’day“ und düste davon. Wahnsinn! Wir hatten mit der Polizei gerechnet und bekamen stattdessen frischen Kaffee angeboten.
Die schönsten Momente meiner Reise bescherte mir das australische Outback. Hier machte ich eine dreitägige Tour mit einer kleinen Reisegruppe zum Uluru, zur Berggruppe Kata Tjuta und zum Kings Canyon. Die Hitze war kaum erträglich, die Wanderungen in der prallen Sonne waren grenzwertig und die überaus aggressiven Buschfliegen, die versuchten, in jegliche Körperöffnung zu gelangen, machten die Tour teilweise zur Tortur. Mehr als entschädigt wurden wir jedoch nachts, als wir die Wahl hatten zwischen einer Art Schlafsäcken, den „swags“, am Lagerfeuer und Feldbetten in Holzhütten. Ich entschied mich für die Option Lagerfeuer und wurde mit einem atemberaubenden Sternenhimmel, dem Southern Cross, unzähligen Sternschnuppen und einer unglaublich angenehm kühlen Luft belohnt. Der Anblick verschlug mir damals die Sprache. Nie zuvor hatte ich mich mehr in Australien gefühlt als zu diesem Zeitpunkt. Ein ähnliches Gefühl überkam mich, als wir auf einer Fahrt durch den Wilsons Promontory National Park in Victoria auf einen Ranger trafen, der uns kurzerhand zu einer Stelle brachte, wo man sowohl Emus als auch riesige Känguru-Herden in freier Wildbahn beobachten konnte. Viele der Kängurus trugen ihre Babys im Beutel. Bei diesem Anblick machte mein Herz einen Riesensprung und mir wurde klar, wo ich mich gerade befand: in Australien, einem der großartigsten Länder, die ich bisher kennenlernen durfte. Meine Zeit Down Under war ein großes Abenteuer, auf das ich mich ohne Wenn und Aber eingelassen hatte, und ich bin mit vielen Erfahrungen, Eindrücken und Bekanntschaften belohnt worden. Mein Work & Travel-Aufenthalt war eine unglaubliche Lebenserfahrung, die ich nicht missen möchte.
Kristina Koschate, 24, studiert derzeit English and American Studies an der Universität Wien. Ihren Abschluss wird sie voraussichtlich im April 2013 machen. Auf der Suche nach neuen Abenteuern treibt es sie immer wieder hinaus in die Welt.
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