Ein sportliches, spannendes Jahr in den USA
Ich war 13, als ich meinen Eltern das erste Mal sagte, dass ich einen Schüleraustausch machen möchte. Damals nahmen mich meine Eltern sowieso nicht ernst und ich dachte, dass das mit meinem Austauschjahr wohl nichts mehr wird. Doch dann, dreieinhalb Jahre später, hatte ich nochmals die Idee und meine Eltern haben mich sofort dabei unterstützt.
Und dann ging alles ganz schnell. Ich hatte schnell die perfekte Austauschorganisation gefunden und dann ging schon die wahnsinnig spannende Vorbereitungszeit los, denn nachdem der Papierkram endlich fertig war, begann das Warten auf die Gastfamilie. Damit hätte es mich schlimmer erwischen können, denn ich gehörte zu den Glücklichen, die ihre Gastfamilie schon sehr früh bekamen. Und eines Mittags, als ich noch in der Schule war, teilte mir meine Mutter mit, dass ich mein Auslandsjahr in Spokane, Washington State, verbringen werde. Das war der wahrscheinlich tollste Moment in meinem bisherigen Leben. Nun wusste ich es also. Meine Gastfamilie bestand aus meinen beiden Gasteltern und einer Gastschwester in meinem Alter. Ich sollte ihre erste Austauschschülerin werden. Schnell hatten wir ersten E-Mail-Kontakt, der dann bis kurz vor der Abreise jedoch abbrach, was mich ein wenig verunsicherte, mich jedoch nicht von meiner unendlichen Vorfreude abhalten konnte. Kurz darauf fand auch schon das Vorbereitungsseminar statt, dann war ich noch im Sommerurlaub, und so kam die Abreise und somit auch der Abschied immer näher.
Der Abschied von meinen Freunden war zwar schwer, aber zu dem Zeitpunkt konnte ich irgendwie noch gar nicht so ganz realisieren, dass ich sie jetzt für fast elf Monate nicht mehr sehen würde. Das wurde mir nämlich erst am Flughafen klar. So war der Abschied von meiner Familie am Frankfurter Flughafen echt schlimm für mich. Hinzu kam, dass ich große Angst hatte, alleine zu fliegen. Dann ging aber eigentlich alles ziemlich schnell. Die Trauer war weg und ich saß im Flieger nach Denver. Von dort ging es dann noch nach Spokane und da wartete meine Gastfamilie am Flughafen auf mich. Das wurde nach 15 Stunden Flug auch wirklich Zeit! Meine Gastfamilie empfing mich sehr nett und am Abend fiel ich einfach nur total müde ins Bett. In den darauffolgenden Tagen hatte ich die Möglichkeit, meine Gastfamilie näher kennenzulernen und auch schon einige Freunde meiner Gastschwester zu treffen. Die Kommunikation auf Englisch war zunächst eine Herausforderung, aber Amerikaner gehen da sehr locker mit um, weshalb ich mir darüber gar keine Gedanken machte.
Und dann, etwa drei Tage nach meiner Ankunft, begann bereits das Volleyballtraining für mein Schulteam. Meine Schule war außerhalb von Spokane, zwischen zwei sehr kleinen Dörfern, mitten im Nirgendwo. Auch die Schülerzahl war nicht beeindruckend, denn meine Schule hatte nur etwa 300 Schüler. Doch dadurch dauerte es keine zwei Tage, bis jeder einzelne Schüler an der Schule die andere Austauschschülerin und mich kannte. Oft wurde ich sogar von Personen, die ich gar nicht kannte, mit Namen angesprochen. Das erleichterte das Einleben in den Schulalltag natürlich um einiges. Dadurch, dass ich jeden Tag die gleichen sechs Fächer hatte, wusste ich schnell, wie mein Schulalltag abläuft. Meine Fächer waren Spanisch, Amerikanische Geschichte, Mathe, Jahrbuch, Englisch und eine Stunde, in der ich einer Lehrerin in der Grundschule half. Die Schule war recht einfach für mich, obwohl es immer wieder einige Hausaufgaben gab. Viel interessanter fand ich jedoch den bekannten amerikanischen „school spirit“, der gerade auf meiner Schule deutlich erkennbar war. Das lag daran, dass meine Schule sportlich sehr erfolgreich war.
„In den USA geht es eben um den Sieg und den großen sportlichen Erfolg“
Im Herbst war neben der beliebten Footballsaison noch die Volleyballsaison. Meine Schule war unheimlich erfolgreich im Volleyball, die beste Mannschaft der Schule spielte unter den acht besten Teams des ganzen Staates. Ich spiele mittlerweile auch seit mehr als elf Jahren Volleyball und spielte auch in den USA Volleyball, doch das war etwas ganz anderes. Fünfmal die Woche Training, zweimal in der Woche ein Spiel. In den USA geht es eben um den Sieg und den großen sportlichen Erfolg. Durch das Volleyballspielen lernte ich viele neue und nette Leute kennen. Das Training zusammen mit meinem Team machte immer großen Spaß. Deshalb war ich Ende Oktober umso trauriger, dass die Volleyballsaison schon vorbei war.
„Ich fand es eher schwer, enge Freundschaften mit Amerikanern aufzubauen“
Dann kam die Wintersaison, in der ich mich für keine Sportart entschieden hatte. Deshalb hatte ich immer schon um 14:45 Uhr frei. Zum Glück hatte ich vorher schon eine tolle Freundin gefunden, mit der ich nach der Schule und an den Wochenenden viel unternahm. Wir gingen oft shoppen, ins Kino oder haben uns einfach nur Filme zu Hause angesehen. Grundsätzlich fand ich es eher schwer, enge Freundschaften mit Amerikanern aufzubauen, denn viele Amerikaner schienen mir recht oberflächlich. In der Schule hatte ich immer viele Freunde, allerdings endeten diese Freundschaften dann auch in der Schule, denn in der Freizeit unternahm man nichts miteinander. Mit meiner Gastfamilie hingegen ging ich an den Wochenenden sehr oft essen. Manchmal waren wir auch alle zusammen im Kino oder machten zu Hause einen Filmeabend. Im Winter gingen wir auch öfters Ski fahren. Auch „Thanksgiving“ im November verbrachte ich mit meiner Gastfamilie. Der Feiertag ist mit dem Erntedankfest in Deutschland vergleichbar. Meine Gastfamilie hatte über 30 Leute eingeladen und die Vorbereitungen waren sehr stressig. Das Kochen des traditionellen Truthahns ist genauso wichtig wie das Aufstellen des Weihnachtsbaums vor dem heiligen Abendessen an „Thanksgiving“. Meine persönlichen Erfahrungen waren ganz in Ordnung, allerdings kannte ich kaum jemanden der eingeladenen Personen und meine Gastfamilie gab sich auch nicht viel Mühe, mich an diesem Tag zu integrieren.
„Die Wochen harter Arbeit zahlten sich endlich aus und es fing an Spaß zu machen“
Mit dem Ende von „Thanksgiving“ begann die Vorweihnachtszeit. Die hatte ich mir wesentlich spektakulärer vorgestellt. Advent oder das Backen von Weihnachtsplätzchen gibt es dort gar nicht. Auch Weihnachten an sich ist mit dem deutschen Weihnachten eigentlich nicht zu vergleichen. Nach dem Auspacken der Geschenke und dem gemeinsamen Essen am 25. Dezember ist Weihnachten für Amerikaner dann auch schon vorbei. Das Weihnachtsfest in meiner Gastfamilie hat mir allerdings gut gefallen. Zudem lag an Weihnachten ganz viel Schnee. Heimweh hatte ich während meines ganzen Jahres eigentlich kaum, nicht einmal während der Weihnachtszeit. Natürlich habe ich gerade zu dieser Zeit meine Familie manchmal vermisst, aber das ist natürlich ganz normal und auch nicht weiter schlimm. Außerdem habe ich fast jede Woche mit meinen Eltern telefoniert. Das hat das Ganze um einiges leichter gemacht. Und als die Frühlingssaison kam, habe ich mich dann dazu entschieden, Softball auszuprobieren, um etwas ganz Neues anzufangen. Für alle, die es nicht wissen: Softball ist Baseball für Frauen. Der Ball ist lediglich größer und das Feld etwas kleiner. Es ist gar nicht so leicht, eine neue Sportart anzufangen, wenn alle anderen im Team schon seit mindestens zwei, manche sogar schon seit über zehn Jahren spielen. Die Regeln vom Softball sind durchaus kompliziert. Aber nach einigen Wochen harter Arbeit zahlten sich meine aufgeschlagene Lippe, mein komplett abgebrochener und mittlerweile schon neu wachsender Fingernagel und meine sämtlichen blauen Flecken endlich aus und es fing an Spaß zu machen. Mein Softballteam wuchs mir in der Zeit auch total ans Herz und unterstützte mich sehr dabei, immer besser zu werden, und das fand ich toll.
„Mit dieser Gastfamilie begannen die zweieinhalb besten Monate meiner Zeit in den USA“
Ende März war es dann so weit. Ganz spontan entschieden alle Beteiligten, dass es das Beste für mich sei, eine neue Gastfamilie zu finden. Unser Verhältnis war die ganzen sieben Monate zwar okay gewesen, aber ich habe mich nie als richtiges Familienmitglied gefühlt. Einen Tag später konnte ich schon vorübergehend bei einer Teamkameradin von mir einziehen. In dieser Familie wurde ich sofort herzlich aufgenommen und wie ein richtiges Familienmitglied behandelt. Da stand für mich sofort fest, dass ich dort die restlichen zweieinhalb Monate meines Austauschjahres verbringen möchte. Meine neue Gastfamilie bestand nun also aus meinen Gasteltern und meinen drei Gastschwestern. Und mit dieser Gastfamilie begannen die zweieinhalb besten Monate meiner Zeit in den USA. Meine Teamkameradin und Gastschwester wurde schnell zu meiner besten Freundin. Wir fuhren so oft zusammen Donuts kaufen oder shoppen, oder schauten einfach nur zusammen fern. Auch meine anderen Gastschwestern habe ich total lieb gewonnen. Wir unternahmen so viel zusammen. Mit der ganzen Gastfamilie machten wir oft Lagerfeuer oder grillten gemeinsam.
Dann näherte sich das Ende meines Aufenthalts und ich versuchte noch einmal, die letzte Zeit so richtig zu genießen. Anfang Juni war es dann aber schon Zeit für mich zu gehen. Zehn Monate waren vorbei und ich realisierte, wie schnell die Zeit vergangen war. Mich in der Schule von all meinen Freunden zu verabschieden, war echt traurig. Der Abschied von meiner Gastfamilie, ganz besonders von meiner liebsten Gastschwester, war noch viel schlimmer. Aber ich plane schon jetzt, zusammen mit meinen Eltern nächstes Jahr wiederzukommen. Und dann habe ich hoffentlich noch einmal Zeit, ganz viele schöne Dinge mit wundervollen Menschen zu erleben. Mein Auslandsjahr war insgesamt eine tolle Erfahrung. Natürlich gab es auch schwierige Zeiten. Es ist eben nicht ganz so einfach, wie man es sich vorstellt, sich ein neues Leben aufzubauen. Und dennoch ist es das wert. Ich habe ganz viele tolle Menschen kennengelernt, habe viele Erfahrungen sammeln können, die mich bestimmt mein ganzes Leben lang noch prägen werden. Deshalb würde ich mich auch immer wieder für ein Auslandsjahr entscheiden!
Ina Hegemann, 18, macht derzeit ein FSJ in einem offenen Kindertreff, möchte danach mit einer Freundin für sieben Monate nach Australien und Neuseeland, um dort Work & Travel zu machen, und im Anschluss Soziale Arbeit oder auf Lehramt studieren.
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