Interview mit einer Heimkehrerin
Dorrit Heinze verbrachte ein Jahr als Au-Pair in den USA. Mit dem Stubenhocker sprach sie über die Vorbereitung, die Zeit in der Gastfamilie und die Rückkehr zu ihrer eigenen Familie und Freunden. Ihren ausführlichen Erfahrungsbericht findest du HIER.
Stubenhocker: Wie früh und warum hast du dich für ein Au-Pair-Programm entschieden?
Dorrit Heinze: Mitte der 13. Klasse war für mich eigentlich schon klar, dass ich keine Lust darauf hatte, sofort mit dem Studium zu beginnen, und dass ich gern ein Jahr Auslandserfahrung sammeln würde. Damals wollte ich vor allem deshalb weg, weil ich ein Studienfach auf Englisch studieren wollte und ich mir durch einen längeren Aufenthalt im Ausland bessere Englischkenntnisse erhoffte. Ich ging davon aus, dass ich integriert in eine Gastfamilie und durch das Arbeiten mit Kindern meine Englischkenntnisse besonders gut verbessern könne, was dann auch der Fall war.
Stubenhocker: Wieso hast du dir die USA als Gastland ausgesucht?
Dorrit Heinze: Es sollte ein englischsprachiges Land sein und England war mir, geografisch betrachtet, einfach zu nah; ganz unabhängig davon, dass ich persönlich den britischen Akzent eigentlich nicht mag. Australien schien mir vor allem bei den Backpackern und für Work & Travel-Aufenthalte beliebt zu sein. Auch wenn man Down Under als Au-Pair arbeiten kann, war das für mich keine Option. Zudem sind Au-Pair-Programme in den Vereinigten Staaten in der Regel deutlich günstiger als in Australien oder Neuseeland, da die amerikanischen Familien viele Kosten – wie zum Beispiel für den Hin- und Rückflug – übernehmen.
Stubenhocker: Welche Voraussetzungen musstest du erfüllen, um als Au-Pair in den USA tätig zu werden?
Dorrit Heinze: Ich musste die Schule oder eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, mindestens 18 Jahre alt sein sowie ledig und kinderlos. Die meisten Gastfamilien setzen zudem voraus, dass man den Führerschein hat, um die Kinder zum Beispiel zum Kindergarten, zur Schule oder zum Sport fahren zu können. Ganz wichtig ist der Nachweis über ausreichende Erfahrungen im Bereich der Kleinkind- bzw. Kinderbetreuung. Ich musste insgesamt 200 Stunden nachweisen und die Erfahrung durch Referenzschreiben offiziell belegen. Sicherlich muss man als zukünftiges Au-Pair bereit sein, Verantwortung zu übernehmen und sich in eine fremde Familie einzufinden.
Stubenhocker: Welche Erfahrungen im Bereich der Kinderbetreuung konntest du nachweisen?
Dorrit Heinze: Zwar habe ich immer sehr viel Zeit damit verbracht, meine jüngeren Brüder zu beaufsichtigen. Um als Au-Pair arbeiten zu dürfen, muss man jedoch Erfahrungen in der Kinderbetreuung nachweisen, die man außerhalb der eigenen Familie gesammelt hat. So habe ich unter anderem abends Baby gesittet und ein Praktikum im Kindergarten absolviert. Zudem hat mich meine Heimatstadt für die Arbeit auf einem Kinderspielplatz angestellt. Dort war es meine Aufgabe, mit den Kindern zu spielen, zu basteln und sie ganz einfach bei Laune zu halten.
Stubenhocker: Ist dir der Umgang mit den Kindern in den USA leicht gefallen, war es einfach, sich mit ihnen zu verständigen?
Dorrit Heinze: Ein eindeutiges „Ja“ ist die Antwort. Grammatik-, Vokabel- oder Aussprachefehler stören die Kinder nicht. Kinder sind so unbekümmert, dass es ihnen eigentlich egal ist, ob einem nun ein Wort einfällt oder nicht. Es ist nicht weiter schlimm, wenn man keine Ahnung hat, was der Kleine einem gerade erzählen möchte. Hauptsache, man ist offen, freundlich und beteiligt sich an den Freuden des Kindes. Selbst die Kids machen manchmal Fehler. Sie lernen die Sprache ja selbst erst und sobald sie alt genug sind, verbessern sie dich oder ignorieren deine Fehler einfach. Sie geben dir das Gefühl, dass sie dich verstehen – was sie wohl oft genug auch tun.
Stubenhocker: Gab es Probleme vor Ort, und wenn ja, wie bist du damit umgegangen?
Dorrit Heinze: Ich musste zweimal die Familie wechseln und das innerhalb der ersten drei Monate meines Aufenthalts, was natürlich nicht ideal war und nicht die Regel ist. Einmal war es meine persönliche Entscheidung, zu wechseln, und das andere Mal waren es familieninterne Gründe, die zum Wechsel führten. Ich bin eigentlich relativ locker mit der Situation „Familienwechsel“ umgegangen. Natürlich war es stressig, ich zweifelte an meiner Entscheidung und hatte gerade in den ersten Monaten ja auch noch keinen wirklichen Freundeskreis aufgebaut. Dennoch fühlte ich mich nie allein. Sowohl die Betreuer vor Ort als auch andere Au-Pairs unterstützten mich, lenkten mich ab oder liehen mir zum Ausheulen ihre Schulter. Man sollte keine Angst vor einem möglichen Wechsel haben. Nichts stelle ich mir schlimmer vor, als ein Jahr unglücklich bei einer Familie zu bleiben, nur weil man Angst hat, keine neue Familie zu finden.
Stubenhocker: Hast du während des Au-Pair-Jahres einen Sprachkurs besucht oder an einem College-Kurs teilgenommen?
Dorrit Heinze: Ich habe einen Kurs an einem College besucht, der zweimal die Woche stattfand. Kursinhalt war die amerikanische Kultur, die uns durch Musik, Filme und Fernsehsendungen nähergebracht wurde. Belegt habe ich zusätzlich zwei Wochenendkurse. In dem einen ging es um das Thema kulturelle Unterschiede, in dem anderen um die Geschichte der Niagarafälle, die wir anschließend gemeinsam besuchten. Gerade die Kombination aus Unterricht und Exkursion kann ich nur empfehlen! Um einen passenden und interessanten Kurs zu finden, muss man sich einfach an den umliegenden Colleges erkundigen, was angeboten wird und welche Kurse von Au-Pairs belegt werden können. Theoretisch hätten mir auch Kurse aus dem Bereich Sport, Kunst, Fotografie oder Business offengestanden. Die Gastfamilie ist übrigens dazu verpflichtet, eine bestimmte Summe zur Verfügung zu stellen, die das Au-Pair zur Weiterbildung nutzt.
Stubenhocker: Welche Erlebnisse waren unvergesslich?
Dorrit Heinze: Mein schönstes Erlebnis war definitiv der Segeltörn in der Karibik. Ich hatte einfach unglaubliches Glück, dass meine Gastfamilie mich gefragt hat, ob ich sie auf die Reise mit dem eigenen Segelboot begleiten möchte. Das lustigste, aber auch ein sehr aufregendes Erlebnis war ein Roadtrip mit zwei Freundinnen von New York City bis hinunter nach Key West in Florida. Ohne genaue Reiseroute ging es los. Oft sind wir an Kreuzungen einfach spontan auf Straßen abgebogen und so an den schönsten Stränden gelandet. Auf der langen Autofahrt haben wir viele Geschichten ausgetauscht und Bekanntschaft mit lustigen und skurrilen Menschen gemacht. Was man erlebt, liegt nicht immer in der eigenen Hand (wie zum Beispiel Urlaube mit der Gastfamilie), aber vieles kann man selbst organisieren. Man muss nur aktiv werden und von Anfang an seine Zeit im Gastland nutzen.
Stubenhocker: Hattest du Gelegenheit, in den USA zu reisen – was hast du unternommen?
Dorrit Heinze: Vieles habe ich in der Frage zuvor ja schon beantwortet. Zudem habe ich Großstädte wie Chicago, Seattle, Vancouver und Boston besucht. Städte kann man gut an einem verlängerten Wochenende bereisen oder man teilt sich seine zwei Wochen Urlaub einfach gut ein. Manche Gastfamilien lassen auch mit sich reden, wenn man zum Beispiel Besuch von daheim bekommt, oder man nutzt die freie Zeit, in der die Familie vielleicht ohne einen in den Urlaub fährt. Spektakulär war mein Reisemonat nach Abschluss meines Au-Pair-Programms. Ich war hauptsächlich in Kalifornien unterwegs und habe im Rahmen einer organisierten Tour unter anderem Orte wie den Grand Canyon, das Death Valley, den Yosemite Nationalpark und die Städte Las Vegas und San Francisco gesehen.
Stubenhocker: Was ist dein Fazit oder dein Tipp für junge Menschen, die selbst darüber nachdenken, als Au-Pair ins Ausland zu gehen?
Dorrit Heinze: Man hört es von überall her: Macht es! Ihr werdet Hochs und Tiefs erleben, die euch stärken. Die neuen Erfahrungen führen nicht nur zu einem größeren Selbstbewusstsein und einem anderen Weltbild, sondern bringen euch später sicherlich auch im Berufsleben weiter. Ihr werdet unglaublich viel Spaß haben, Freundschaften fürs Leben knüpfen und ihr werdet eine zweite Familie finden, zu der ihr, wenn alles gut läuft, jederzeit reisen könnt. Ich habe in dem einen Jahr so viel sehen dürfen, wie manch anderer in seinem ganzen Leben nicht. Ich war Teil einer anderen Kultur und habe Erfahrungen über mich selbst gesammelt, die es mir hier in Deutschland wohl gar nicht möglich gewesen wäre zu sammeln.
Dorrit Heinze, 21, ist seit Sommer 2011 zurück in Deutschland und hat in Aschaffenburg ihr BWL-Studium begonnen. Ihr Praxissemester möchte sie in Australien verbringen und natürlich stehen ihre Pläne schon, ihre Gastfamilie in den USA zu besuchen.
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