Dudelsack, Whisky und Highlands

Verlagspraktikum in Edinburgh

weltweiser · Wandern in den schottischen Bergen
GESCHRIEBEN VON: SARAH FISSMER
LAND: SCHOTTLAND
AUFENTHALTSDAUER: 2 1/2 MONATE
ERSCHIENEN IN: (NIX FÜR) STUBENHOCKER.
DIE ZEITUNG FÜR AUSLANDSAUFENTHALTE,
Nr. 6 / 2016, S. 51-52

Zweieinhalb Monate in Schottland leben – und das auch noch im Winter? Nicht jeder wäre davon begeistert, denn gerade wir Deutschen scheinen immer wieder Vorurteile gegenüber diesem Land und seinen Bewohnern zu haben. Zu Unrecht, wie ich finde: Schottland oder auch Alba, wie man im Gälischen sagt, bedeutet für mich atemberaubende Landschaft und eine faszinierende Geschichte und Kultur.

Im Anschluss an mein Auslandssemester in England hatte es mich bereits dorthin gezogen. Für einen zweiwöchigen „Roadtrip“ wagte ich mich durch die schottischen Highlands und verliebte mich dabei in dieses facettenreiche Land im Norden Großbritanniens. Als sich dann im Rahmen meines Masterstudiums die Möglichkeit bot, ein Praktikum einzuschieben, fiel es mir darum gar nicht schwer, meine Siebensachen zu packen: Auf ging es nach Edinburgh, um dort in einem kleinen Verlag zu arbeiten. Ich hatte zuvor bereits ein zweimonatiges Praktikum in London absolviert, wollte aber unbedingt ein weiteres Verlagspraktikum im englischsprachigen Raum machen, um noch einen besseren Einblick in die Branche zu bekommen. Da Praktikumsplätze in diesem Berufszweig sehr beliebt sind, begann ich mit einer Vorlaufzeit von fast einem Jahr, mich initiativ zu bewerben. Nach einer anfänglichen Überwindung war das eigentlich ganz einfach: Ich suchte mir im Internet Verlage heraus, die grundsätzlich Praktika anboten, und rief dort an, um nach freien Plätzen zu fragen. Schließlich stieß ich auf Luath Press Ltd., einen winzigen Verlag im Herzen der Altstadt Edinburghs – und tatsächlich: Luath Press hatte noch Praktikumsplätze frei und bot mir einen an!

Mein erster Praktikumstag war schon etwas aufregend: neuer Job, fremde Menschen, andere Sprache. Da konnte einiges schieflaufen – aber meine Bedenken waren unbegründet. Von meinen Kollegen wurde ich sehr freundlich und hilfsbereit empfangen. Etwas verwundert war ich am Anfang darüber, dass das Büro von Luath Press sich in der Wohnung des Chefs befand. Wir liefen also jeden Tag durch seine Wohnung und benutzten Bad und Küche mit. Er ging jedoch ziemlich entspannt damit um. Das Team war aber auch wirklich winzig: Es gab neben dem Chef nur zwei feste Mitarbeiter, die jeden Tag vor Ort waren, ansonsten arbeiteten einige Freischaffende stundenweise für Luath Press. Außerdem wurden zusätzlich meistens ein bis zwei Praktikanten beschäftigt, von denen ich nun eine für die folgenden neun Wochen war. Im Rahmen meiner Tätigkeiten sollte ich mich zunächst mit den verschiedenen Aufgabenbereichen des Verlagswesens vertraut machen. Dazu gehörte zum Beispiel das Lektorat, aber auch PR, Marketing und Eventmanagement. Bereits am ersten Tag durfte ich eine Autorin zu ihrem neuen Buch interviewen – eine tolle Erfahrung! Für die meiste Zeit des Praktikums hatte ich ein eigenes Großprojekt: Ich redigierte die neue Auflage einer Art deutschen Reiseführers über Schottland. Das war spannend und lehrreich, aber gleichzeitig auch manchmal ziemlich herausfordernd, denn keiner meiner Kollegen sprach so richtig Deutsch. Also musste ich in Eigenverantwortung die ältere Ausgabe Korrektur lesen, die Änderungen des Schriftstellers einarbeiten und mir Marketing- und PR-Strategien ausdenken. Außerdem schrieb ich Klappentexte, entwarf ein vorläufiges Cover und arbeitete eng mit dem Autor zusammen. Leider war das Buch im Druck noch nicht ganz fertig, als ich abreisen musste, aber einige Zeit später erhielt ich mein eigenes Exemplar per Post und war mächtig stolz.

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Die Arbeit an dem Buch führte mir auch noch einmal vor Augen, wie sehr ich mich für die schottische Kultur und Geschichte begeistern konnte. Viele der Vorurteile, denen man immer wieder begegnet, treffen meiner Meinung nach wirklich nicht zu. Zum Beispiel wird oft behauptet, Schotten seien geizig, aber die, die ich näher kennenlernte, waren das keineswegs. Sie begegneten mir alle warmherzig und offen, und ich verbrachte viele tolle Stunden mit neuen Freunden und Bekannten. Zugegebenermaßen muss man sich tatsächlich auf unbeständiges Wetter einstellen: Mir wurde gleich zu Anfang meiner Zeit in Edinburgh gesagt, dass die Schotten sich gerne damit rühmen, in ihrem Land vier Jahreszeiten an einem Tag erleben zu können. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass das nicht gelogen ist. Zumindest in den Wintermonaten folgte auf strahlend blauen Himmel innerhalb weniger Stunden gerne mal Regen, Hagel und Schnee, aber dann auch wieder wolkenloser Himmel und Sonnenschein. Ich sah das positiv: Bei unserer Vorliebe für Allwetterjacken war Schottland eigentlich eines der passendsten Reiseziele für uns Deutsche, denn seien wir doch mal ehrlich: Da kommen diese wenigstens gebührend zum Einsatz. Das hieß also für mich, passende Kleidung anzuziehen und die oft stürmischen Unbeständigkeiten des Wetters zu ignorieren, um mir Schottland nicht entgehen zu lassen.

„Neben der Natur lernte ich auch die schottische Kultur sehr zu schätzen“

Meine Zeit in dieser faszinierenden Stadt ging viel zu schnell um. Nicht nur blieb bei fünf Arbeitstagen in der Woche kaum genug Freizeit, um die Stadt zu erkunden, auch wollte ich mir unbedingt das Umland anschauen und einen Ausflug in die Highlands unternehmen. Also wurden die Wochenenden durchgeplant und der eine oder andere Besuch, der vorbeikam, einfach davon überzeugt, mich auf meinen Kurztrips zu begleiten. So besichtigten wir umliegende Städtchen und alte Burgen, gingen wandern und liefen buchstäblich zu einer verlassenen Insel, die man nur bei Ebbe über einen Steg erreichen konnte – ein bisschen Abenteuer war also ebenfalls dabei. Aber auch die Zeiten ohne Besuch nutzte ich ausgiebig. Edinburgh ist fantastisch gelegen, zwischen dem Meer und einer Hügelkette, den Pentland Hills. Es gab also viel anzuschauen, und immer wieder mal zog ich feste Schuhe an, um zum Beispiel auf Arthur’s Seat, den höchsten Berg im Holyrood Park in Edinburgh, zu steigen, denn von dort oben hatte man eine großartige Aussicht auf die Stadt. Neben der Natur lernte ich auch die schottische Kultur sehr zu schätzen – mit all ihren Vor- und Nachteilen. Sehr faszinierend fand ich zum Beispiel das Wiederaufleben der gälischen Sprache und der alten schottischen Kultur. Ich verstehe Gälisch zwar nicht, aber es hört sich in meinen Ohren wunderschön an – und entscheidende Begriffe wie „Sláinte“, Prost, konnte ich mir gut merken. Auch einem „weedram“, einer Verköstigung des „water of life“, wie der Schotte seinen guten alten Whisky nennt, war ich gelegentlich nicht abgeneigt. Der Besuch einer Destillerie ist ja schließlich ein Muss für jeden Schottlandfan.

„Ich möchte die Zeit nicht missen und wäre gerne noch länger geblieben“

Eine schottische Spezialität allerdings sank drastisch auf meiner Beliebtheitsskala während meiner Zeit in Edinburgh: der Dudelsack. Neun Wochen lang hatte ich fast jeden Tag einen Dudelsackspieler vor dem Bürofenster stehen, der mit eher mäßiger Begabung zur Belustigung der Touristen in voller schottischer Montur seine immer gleichen Lieder spielte. Meine anfängliche Begeisterung („Oh, ein Dudelsackspieler, wie schön – ich bin wirklich in Schottland!“) wandelte sich allmählich in Abneigung („Kennt der auch noch andere Lieder?“) bis hin zu Resignation („Nicht schon wieder!“). Vielleicht sollte ich ihm aber dankbar sein: Zumindest meine Ohren freuten sich in dieser Hinsicht, als das Praktikum vorüber war. Ansonsten fiel mir der Abschied schwer. Ich hatte viele nette Begegnungen, lernte interessante Leute kennen und schloss Freundschaften. Ich möchte die Zeit nicht missen und wäre gerne noch länger geblieben – auch wenn ich nach meiner Rückkehr in Deutschland feststellte, dass durchgehende Sonnentage durchaus ihr Gutes haben. Aber eines steht definitiv fest: „Schottland, ich komme wieder!“

Sarah Fißmer, 27, studiert an der Universität Bonn Englische Literatur- und Kulturwissenschaft und will anschließend zum Ersten Weltkrieg promovieren.

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