Mein Schüleraustausch in Amerika
Immer wenn ich gefragt werde, wie mein Schüleraustausch in Kalifornien war, befinde ich mich in einer Art Sprachlosigkeit, bei der ich nie richtig weiß, was ich antworten soll. Das soll nicht heißen, dass mein Jahr schlecht war und ich aus diesem Grund sprachlos bin. Im Grunde genommen heißt es sogar genau das Gegenteil.
Ich habe in diesen letzten zehn Monaten so viele neue Leute kennengelernt wie noch nie zuvor. Ich habe so viele neue Orte gesehen wie noch nie zuvor und ich habe mich auch so unglaublich weiterentwickelt wie noch nie zuvor. Genau aus diesen Gründen fällt es mir unheimlich schwer, diese Frage nur mit ein paar Worten oder Sätzen zu beantworten. Ich würde am liebsten jedes Mal unendlich viel erzählen und meine gesamten Erfahrungen teilen. Vor einiger Zeit habe ich mich auf mein Abenteuer in Kalifornien gestürzt, ohne eigentlich genau zu wissen, was mich erwartet. Natürlich kannte ich meine Familie, den Ort und die Schule von Bildern, aber dennoch war ich total aufgeregt und nervös. Zusätzlich konnte ich überhaupt nicht realisieren, dass ich mich gerade für zehn Monate von meiner Familie und meinen Freunden verabschiedet hatte. Das konnte ich noch nicht einmal, als ich in Amerika angekommen war. Ich weiß nicht, wie lange es gedauert hat, bis ich verstanden habe, dass ich nun in einem anderen Land bin, in dem ich noch nie vorher war, und in einer anderen Familie wohne, die ich nur von Bildern und durch E-Mails kannte. Aller Anfang ist natürlich schwer. Man wird quasi einmal ins kalte Wasser geworfen. Auch wenn mein Jahr für mich nicht hätte besser sein können, gab es natürlich Tage, an die man sich nicht so gerne zurückerinnert. Einer dieser Tage war der erste Schultag.
Ich kann mich noch ganz genau an den Tag erinnern, an dem ich das erste Mal über den Campus gegangen bin in der Hoffnung, meinen Klassenraum rechtzeitig zu finden. Alle hatten gute Laune, haben von ihren Sommerferien berichtet, und ich war komplett auf mich alleine gestellt und kannte niemanden und niemand kannte mich. Das Gefühl war wirklich nicht schön, denn ich habe mich auf so einem großen Campus mit über 2.000 Schülern so gut wie unsichtbar gefühlt. Genau diese Situationen sind zunächst zwar unvermeidlich, bringen einen aber gleichzeitig unglaublich weiter. Etwas anderes, als offen zu sein und auf Leute zuzugehen, bleibt einem gar nicht übrig. Manchmal denke ich mir auch, dass Freundschaften vielleicht gar nicht zustande gekommen wären, wenn ich in einigen dieser Momente nicht offen gewesen wäre, oder dass sie sich nicht so entwickelt hätten, wie sie sich mit der Zeit entwickelt haben. Gleich nach der ersten Schulwoche wurde ich von zwei Mädchen eingeladen, am Wochenende gemeinsam etwas zu unternehmen. Und genau diese beiden Mädchen sind zu meinen zwei besten amerikanischen Freundinnen geworden. Wenn man also diese Hürde überwunden hat, geht es eigentlich nur noch bergauf, was Kontakte in der Schule und Freundschaften betrifft. Ich habe so unglaublich viel Spaß mit meinen Freunden innerhalb und außerhalb der Schule gehabt und habe mit ihnen so viel erlebt. Von „Homecoming“ und den sogenannten „Spirit Weeks“ an der High-School bis hin zu Ausflügen nach Disneyland und den Universal Studios, unzähligen Shopping-Touren, Strandtagen, Kinobesuchen und vielem mehr. Es ist schon merkwürdig, wie manche Personen einem in so kurzer Zeit so ans Herz wachsen können und wie sehr man anderen Personen ans Herz wächst. Für meinen 17. Geburtstag beispielsweise haben drei Freundinnen einen Tag in Hollywood durchgeplant. Das kam für mich völlig unerwartet, insbesondere, wenn man mal wieder an den ersten Schultag zurückdenkt, an dem mich niemand kannte und ich noch keinerlei Anschluss gefunden hatte.
Genauso ging es mir auch mit meiner Gastfamilie. Am Anfang ist es natürlich merkwürdig, in einem fremden Haus mit einer fremden Familie zu wohnen. Man ist am Anfang immer zurückhaltender und schüchterner und natürlich nicht ganz so, wie man zu Hause in Deutschland ist. Aber nach diesen zehn Monaten kann ich wirklich sagen, dass diese Familie zu meiner zweiten Familie geworden ist. Ich wurde von meinen Gasteltern wie die eigene Tochter behandelt und von meinen Gastgeschwistern wie die eigene Schwester. Zu den schönsten Momenten meines Auslandsjahres gehören definitiv diese kleinen Momente, in denen mich zum Beispiel meine Gastschwester jemandem vorgestellt hat und gesagt hat: „Das ist meine Schwester Celina“. Außerdem kann ich mich glücklich schätzen, dass meine Familie mir so viel von Kalifornien gezeigt hat. Ich habe in einem kleinen Ort in Südkalifornien gewohnt, welcher zu Los Angeles gehört, und ich kann sagen, dass ich in ganz Kalifornien herumgekommen bin. Meine Familie hat mir Städte wie San Diego und San Francisco gezeigt, mich an manchen Tagen an Orte wie Santa Monica, Santa Barbara, Beverly Hills und Venice Beach mitgenommen, und ich war sogar für ein paar Tage im Yosemite National Park und für eine Woche Ski fahren in Nordkalifornien. Das mag sich alles immer so perfekt anhören, jedoch kommen durchaus schon mal Tage, an denen das Heimweh sich bemerkbar macht.
„Ich kann sogar nach diesem Jahr ein bisschen über das Thema Heimweh schmunzeln“
Am meisten habe ich dies definitiv an Weihnachten gespürt. Auch wenn es super aufregend ist, eine neue Kultur mitsamt Traditionen kennenzulernen, hängt man dennoch an den eigenen Traditionen, wie eben Weihnachtstraditionen. Man ist an solchen Tagen immer mit der ganzen Familie zusammen gewesen und meiner Meinung nach ist es so gut wie unmöglich, dann mal nicht an zu Hause zu denken und die eigene Familie, die Traditionen und sogar das Essen, das man an Weihnachten gewohnt ist, zu vermissen. So ist es selbstverständlich, dass man dann auch mal alleine sein möchte. Nichtsdestotrotz hat es mir aber umso mehr geholfen, wenn ich mit jemandem offen darüber gesprochen habe. Es ist völlig normal in solchen Zeiten mit Freunden und Familie in Deutschland besonders viel Kontakt zu haben, jedoch hat das mich teilweise sogar noch trauriger gemacht. Daher war es für mich der beste Weg, mich mit Freunden in Amerika abzulenken oder mit meiner Gastfamilie und Freunden darüber zu reden. Ich kann sogar nach diesem Jahr ein bisschen über das Thema Heimweh schmunzeln, weil ich weiß, dass ich genauso gut Traditionen aus Amerika vermissen werde. Außerdem kann ich sagen, dass mein Auslandsjahr mich zu einer viel selbstständigeren, selbstbewussteren und reiferen Person gemacht hat. Dazu kommt, dass man lernt, Dinge und Personen viel mehr zu schätzen, vor allem die Dinge, die man vorher vielleicht als selbstverständlich angesehen hat. Logischerweise hat sich mein Englisch deutlich verbessert, sodass es sogar dazu gekommen ist, dass ich auf Englisch gedacht und geträumt habe, und wenn es darauf ankam, Deutsch zu sprechen, klappte das manchmal nicht sofort fehlerfrei. Außerdem ist mir aufgefallen, dass ich gelernt habe, Dinge manchmal aus einer ganz anderen Perspektive zu sehen, dadurch, dass man für so eine lange Zeit eine neue Kultur und völlig andere Menschen kennengelernt hat. Ich glaube, um richtig zu verstehen, was ich damit meine, muss man so eine Erfahrung selbst gemacht haben, denn für mich ist es immer sehr schwierig, diesen Punkt genauer zu beschreiben.
„Ich habe fast zwei Jahre vor meinem Abflug entschieden, ins Ausland zu gehen“
Der Abschied in und von Kalifornien ist mir ziemlich schwergefallen, da man im Hinterkopf wusste, dass es nun wirklich vorbei ist. Immerhin hat man sich so lange auf das Jahr gefreut und es vorbereitet. Ich habe fast zwei Jahre vor meinem Abflug entschieden, ins Ausland zu gehen, und dementsprechend hat auch die Vorbereitung sehr lange gedauert. Ich habe so lange die Tage bis zu meinem Abflug heruntergezählt und konnte das Abflugdatum kaum erwarten – und auf einmal sollen diese zehn Monate vorbei gewesen sein. Außerdem trifft es einen schon sehr, wenn Freunde und Familie, die vor zehn Monaten noch Fremde waren, auf einmal weinen, während sie dich das letzte Mal umarmen. Im Endeffekt bin ich aber mit einem lächelnden und weinenden Auge gegangen, da ich es natürlich auch kaum erwarten konnte, Freunde und Familie in Deutschland wieder in die Arme zu schließen. Trotzdem quält einen manchmal der Gedanke, dass es nie mehr dasselbe sein wird. Auch wenn ich zurückkehre, bin ich nicht mehr ein Teil der High-School, und irgendwann verlassen meine Freunde Kalifornien fürs College. So kann ich wirklich jedem empfehlen, für eine längere Zeit ins Ausland zu gehen, egal ob es ein High-School-Jahr, Au-Pair-Jahr, Work & Travel-Aufenthalt oder Ähnliches ist. Für mich steht fest, dass man als eine mehr oder weniger sichtbar veränderte Person wiederkommt und dass man eine Entwicklung durchmacht, die man in seinem gewohnten Umfeld nicht durchgemacht hätte. Nach meiner Zeit in Kalifornien ist mir all das bewusst geworden und ich bin extrem stolz sagen zu können, dass ich Familie und Freunde an zwei verschiedenen Orten der Welt habe, zu denen ich jederzeit zurückkehren kann.
Celina Herrmann, 17, macht derzeit ihr Abitur und freut sich schon auf den nächsten Besuch bei ihrer amerikanischen Zweitfamilie.
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