Schulsystem in Neuseeland

Ein erster Einblick

weltweiser · Schulsystem Neuseeland
  • GESCHRIEBEN VON: ANNIKE HENRIX
    Stubenhocker, Die Zeitung für Auslandsaufenthalte
  • LAND: NEUSEELAND
  • PROGRAMM: SCHÜLERAUSTAUSCH
  • ERSCHIENEN IN: (NIX FÜR) STUBENHOCKER.
    DIE ZEITUNG FÜR AUSLANDSAUFENTHALTE,
    NR. 1 / 2011, S. 25

Im Sommer 2010, nein, Moment, im neuseeländischen Winter 2010, besuchte ich als Stubenhocker-Redakteurin auf Einladung des Neuseeländischen Generalkonsulats das Land am anderen Ende der Welt. Trotz Flugzeugpanne, Zeitumstellung, frostiger Temperaturen und aufgrund eines mit vielen Schulbesuchen gespickten Terminkalenders reichten die fünfeinhalb Tage vor Ort aus, mir einen ersten Eindruck von Land und Leuten sowie dem dortigen Schulsystem und -alltag zu machen. New Zealand speaks for itself:

„N“ wie National Curriculum und NCEA
Anders als in Deutschland, wo Bildung Ländersache ist, gibt es in Neuseeland einen Lehrplan, der für alle staatlichen und privaten Schulen in Neuseeland bindend ist, das National Curriculum. Da Neuseeland nur gut vier Millionen Einwohner hat, sicherlich eine praktikable Lösung. Das National Certificate of Educational Achievement, abgekürzt NCEA, ist der bekannteste der vier neuseeländischen Schulabschlüsse, die unter Berücksichtigung bestimmter Vorgaben zum Studium aller Studienfächer in Deutschland berechtigen. Folgende Bedingungen müssen derzeit erfüllt sein, damit das NCEA als deutsche Hochschulzugangsberechtigung anerkannt werden kann: Mindestens fünf voneinander unabhängige und allgemeinbildende Fächer müssen belegt werden. Diese Fächer müssen jeweils auf einem vorgeschriebenen Niveau, also Level, mit einer festgelegten Mindestpunktzahl, den „credits“, abgeschlossen werden. Detaillierte Informationen können der Datenbank www.anabin.de, dem Informationssystem zur Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse, entnommen werden. Erwerben können deutsche Jugendliche das NCEA nach eineinhalb oder zwei Schuljahren.

„E“ wie einheitliches Erscheinungsbild
Die Schulen legen Wert auf ein einheitliches Erscheinungsbild ihrer Schülerschaft. Das Tragen einer Schuluniform, die keinem Modetrend folgt, ist vorgeschrieben und oft besonders gewöhnungsbedürftig für deutsche Jugendliche, die ihre Individualität gern über ihren Kleidungsstil ausleben. Anhand der Uniform erkennt man meist das Alter der Schüler, da beispielsweise das Rockmuster oder die Hosenfarbe bei jüngeren Schülern eine andere ist als bei den höheren Jahrgängen. Es gibt Sommer- und Winteruniformen und nicht nur die Kleidungsstücke, sondern auch die Schuhe sind vorgeschrieben. An einigen Schulen ist es Tradition, dass die Schüler des Abschlussjahrgangs „Year 13“ das Privileg erhalten, keine Schuluniform mehr tragen zu müssen. Sie kommen in privater Alltagskleidung, die in Neuseeland gern als „mufti clothing“ bezeichnet wird. Erwerben kann man die Schulkleidung entweder in lokalen Bekleidungsgeschäften, mit denen die Schule ein Abkommen hat, oder man kauft die Kleidungsstücke Second Hand, da die Uniformen durchaus ihren stolzen Preis haben können. Selbst wenn die Schuluniform nicht gefällt, erweist sie sich als praktisch. Gastschüler betonen immer wieder, wie einfach und bequem es ist, morgens nicht darüber nachdenken zu müssen, was man anzieht. Vorschreiben kann die Schule nicht nur die Kleidung, sondern sie kann zudem Regeln aufstellen, was die Frisur, das Schminken oder das Tragen von Schmuck betrifft.

„W“ wie Weg zur Schule
Wege nach Neuseeland gibt es viele, die bekanntesten führen über Singapur oder die amerikanische Westküste. Auch im Land selbst gibt es viele Wege und Straßen, auf denen man oft minutenlang niemandem begegnet. Und natürlich gibt es den Schulweg. Zur Schule geht die Mehrheit der neuseeländischen Schüler zu Fuß und es ist nicht ungewöhnlich, dass für diesen Fußweg pro Strecke bis zu 30min in Kauf genommen werden. Anders als in Deutschland sieht man Jugendliche auf Fahrrädern ziemlich selten und auch die Radständer auf dem Schulgelände bleiben eher verwaist. Natürlich wird der ein oder andere mit dem Auto gebracht und für die ganz langen Schulwege gibt es Busse. Wobei, wer abgelegen und damit allzu weit von einer Schule entfernt wohnt, der lebt als neuseeländischer Schüler unter der Woche im Wohnheim und teilt sich seinen Schlaf- und Arbeitsplatz mit seinen Mitschülern.

„Z“ wie Zahl internationaler Schüler
Die Internationalität der Schülerschaft springt an den meisten Schulen ins Auge. Jugendliche aus aller Welt, vornehmlich jedoch aus den asiatischen Ländern, entscheiden sich für eine Schullaufbahn in Neuseeland. Anders als die deutschen Gastschüler leben insbesondere die Schüler aus Asien gleich für mehrere Jahre vor Ort – entweder begleitet von einem Elternteil oder aber in einer Gastfamilie untergebracht. Zugleich ist das Land ein Einwanderungsland, sodass es sich bei vielen Schülern um, wie es in Deutschland heißt, Jugendliche mit Migrationshintergrund handelt. Bei Schülern aus Deutschland ist Neuseeland ebenfalls äußerst gefragt – nach den USA und Kanada steht dieses englischsprachige Gastland an dritter Stelle der Beliebtheitsskala, gefolgt vom Nachbarstaat Australien. So ist es durchaus üblich und oft unvermeidbar, dass man mit mehreren anderen Deutschen zeitgleich dieselbe Gastschule besucht. Dessen sollte man sich vorab zumindest bewusst sein. Einige Schulen setzen sich mittlerweile eigene Limits in Bezug auf die Anzahl internationaler Schüler bzw. Schüler einer Nationalität, die sie pro Jahr zulassen.

„E“ wie ESOL
Für die vielen internationalen Schüler bieten neuseeländische Schulen häufig ESOL-Klassen an. Dabei handelt es sich um Englischförderkurse. Die Abkürzung ESOL steht für „English for Speakers of Other Languages“. Die Fremdsprachenkenntnisse der Mehrheit deutscher Gastschüler sind allerdings so gut, dass eine Teilnahme an einem solchen Kurs nicht notwendig ist. Für Neuseeländer selbst haben Fremdsprachen nur einen geringen Stellenwert und es ist nicht Pflicht, im Laufe der Schulzeit eine Sprache zu belegen. Die einheimischen Jugendlichen beginnen vergleichsweise spät mit dem Fremdsprachenerwerb und es gibt Schulen, die zunächst ein Schnupperjahr anbieten, während dem man diverse Sprachen ausprobieren kann, bevor man sich für das Erlernen einer bestimmten entscheidet. Typische Fremdsprachen, die an neuseeländischen Schulen unterrichtet werden, sind: Japanisch, Französisch, Spanisch, Latein, Deutsch sowie die Sprache der Maori. Chinesisch wird aufgrund der geografischen Nähe zu Asien und der Wirtschaftsbeziehungen voraussichtlich in den kommenden Jahren verstärkt hinzukommen.

„A“ wie Akademisches Jahr
Das Schuljahr in Neuseeland verläuft entgegengesetzt zum deutschen Schuljahr. Es fängt Ende Januar an und endet Mitte Dezember; es folgen die Sommerferien, die die Weihnachtszeit umfassen. Das akademische Jahr ist in vier ähnlich lange „terms“ aufgeteilt. Gastschüler, die ein ganzes Jahr in Neuseeland verbringen möchten, steigen sinnvollerweise mit dem Schuljahresbeginn im Januar ein, um ein komplettes Schuljahr mitzuerleben. Prinzipiell kann ein Gastschulaufenthalt jedoch zu Anfang jedes „terms“ beginnen. Wissen sollte man, dass der vierte „term“ Prüfungsterm ist und dann weniger Unterricht stattfindet. Zudem wird Schulstoff aus den vorangegangenen „terms“ geprüft, sodass es für Gastschüler ungünstig sein kann, zum dritten oder vierten „term“ einzusteigen.

Basilika St. Ulrich und Afra in Augsburg
11. Mai
Augsburg
Barbarasaal
10 bis 16 Uhr
junger Mann sitzt an Holztisch und tippt auf Laptop
14. Mai
Online
Wherever you are
18 bis 20 Uhr
Schloss Onsabrück
01. Juni
Osnabrück
Gymnasium In der Wüste
10 bis 16 Uhr
Friedrichshafen am Bodensee
08. Juni
Friedrichshafen
Graf-Zeppelin-Gymnasium
10 bis 16 Uhr

„L“ wie Leben vor Ort
Das Leben der Kiwis soll entspannter sein als das Leben der Deutschen – ob dem so ist, findet man sicherlich am besten selbst heraus. Die meisten deutschen Austauschschüler entscheiden sich dafür, während ihres Aufenthalts bei einer Gastfamilie zu leben. Diese Variante wird als „Homestay“ bezeichnet. In der Regel verfügen die Schulen über einen „Pool“ an „Homestay-Families“, sodass die Ansprechpartner an den Gastschulen versuchen, so weit wie möglich die Vorstellungen der Gastschüler zu berücksichtigen und sie in einer „passenden“ Familie unterzubringen. Angaben machen können die Gastschüler zum Beispiel zur gewünschten Konstellation der Familie, zur Wohnlage – ländlich oder im Ort – und ihren Hobbys. Es ist denkbar, dass mehr als ein Gastschüler in einer „Homestay-Family“ lebt. Dabei wird jedoch darauf geachtet, dass die Schüler nicht die gleiche Nationalität haben bzw. nicht die gleiche Muttersprache sprechen. Ein zweites Zuhause finden die Gastschüler nicht nur bei ihren „Homestay-Families“, sondern – im übertragenen Sinn – auch im „House“ ihrer Schule. Eine Reihe von Schulen hat ein „House System“, wie es viele von „Harry Potter“ kennen. Jeder Schüler der Schule gehört einem „House“ an und die Hausgemeinschaften treten in Wettkämpfen, häufig sportlichen, gegeneinander an und erlangen dadurch Punkte. Am Ende eines „terms“ oder Schuljahrs wird das „House“ ermittelt und belohnt, das die meisten Punkte sammeln konnte. Eine Idee, die den Gemeinschaftssinn und Zusammenhalt fördert und die Schüler motiviert.

„A“ wie Angebot an Schulfächern und Aktivitäten
Das neuseeländische Schulsystem ist ein Gesamtschulsystem. Unter anderem deshalb bieten weiterführende Schulen eine deutlich größere Fächerauswahl an als beispielsweise das heimische Gymnasium. Neben den klassischen akademischen Fächern aus den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften, Sprachen und Gesellschaftswissenschaften können Schüler in Neuseeland aus einer großen Bandbreite musischer und künstlerischer Fächer wählen oder Kurse wie beispielsweise Tourismus oder Wirtschaftswissenschaften belegen. Zudem kann der Unterricht sehr praxisorientiert sein; hier nur einige Fächerbeispiele: Grafikdesign, Zeichnen, Werken, Tanzen, Schauspiel, Kochen, Bewirtung, Modedesign, Nähen, Schönheitspflege, Kinderbetreuung oder Automechanik. Auch im Bereich Sport gibt es vielfältige Möglichkeiten. Typischerweise werden vor allem Rubgy und Netball, ein basketballähnliches Spiel, angeboten. Weitere Sportarten sind Fußball, Cricket, Tennis, Badminton, Feldhockey, Unterwasserhockey oder Wassersportarten wie Segeln.

„N“ wie Naturerlebnis im Unterricht
Die Natur Neuseelands beeindruckt nicht erst seit der Filmtrilogie „Herr der Ringe“ – sicherlich hat jedoch die Verfilmung das Interesse im Ausland geweckt, die beiden Inseln zu bereisen oder eine Zeitlang vor Ort zu leben. Nahe gebracht wird einheimischen Schülern und natürlich auch den internationalen Jugendlichen die Natur über das berühmt berüchtigte Schulfach Outdoor Education, das gern von deutschen Gastschülern belegt wird. Überlebenstraining oder doch „nur“ Spaß und Sport im Freien? Der Lehrplan kann sich von Schule zu Schule unterscheiden und das Fach hat nicht an allen Schulen denselben Stellenwert. So kann es sich durchaus lohnen, sich vorab zu informieren, was im Rahmen von Outdoor Ed angeboten wird. Schulen mit einem großen Programm unterrichten Theorie und Praxis und bieten über das Schuljahr verteilt jahreszeitengemäße Aktivitäten oder Camps an. Wichtig beim Fach Outdoor Education ist nicht nur die Erfahrung und Bewegung in der Natur, sondern auch das Erleben von Teamgeist und Gemeinschaftsgefühl.

„D“ wie Dreißig
Knapp 30 Prozent der neuseeländischen Schulen sind sogenannte „single sex schools“, also reine Mädchen- oder Jungenschulen, die in der Regel vor 1960 gegründet wurden. Kaum eine deutsche Schule unterrichtet noch geschlechtergetrennt, weshalb der Besuch einer Girls School oder Boys School von besonderem Interesse für deutsche Austauschschüler sein kann. Die Nachfrage ist derzeit – gerade bei männlichen deutschen Schülern – jedoch sehr gering. Angst, nicht auf Gleichaltrige des jeweils anderen Geschlechts zu treffen, braucht man nicht zu haben. Gemeinsame Schulbälle oder Schulkooperationen zum Beispiel im Bereich Musik oder Theater sind durchaus üblich.

Im Winter, nein, Moment, wieder im deutschen Sommer angekommen, war ich um einige Erfahrungen und Eindrücke rund um das Thema Schule in Neuseeland reicher. Die Temperaturunterschiede und die zweimalige Zeitumstellung innerhalb weniger Tage hatten Körper und Geist für den Moment der Rückkehr ziemlich durcheinandergebracht. Vergessen würde ich die interessanten Gespräche mit den internationalen und deutschen Austauschschülern, die ich vor Ort hatte treffen können, erst einmal nicht. Im Gegensatz zu mir hatten sie das Privileg, durch einen mehrmonatigen Aufenthalt wirklich tief in die neuseeländische Kultur und den Alltag am anderen Ende der Welt einzutauchen.

Annike Henrix
Stubenhocker – Die Zeitung für Auslandsaufenthalte
0228-391 84 784
stubenhocker@weltweiser.de

www.stubenhocker-zeitung.de

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