Vive la Suisse!

Als Au-Pair in der wunderschönen Schweiz

GESCHRIEBEN VON: MAREN WIRTH
LAND: SCHWEIZ
AUFENTHALTSDAUER: 12 MONATE
PROGRAMM: AU-PAIR
ERSCHIENEN IN: (NIX FÜR) STUBENHOCKER.
DIE ZEITUNG FÜR AUSLANDSAUFENTHALTE,
Nr. 10 / 2020, S. 36-38

“In die Schweiz? Wie kommst du denn darauf, Deutsch kannst du doch schon?!” “Ich gehe in den französischen Teil der Schweiz.” “Ah… Aber warum gehst du denn nicht gleich nach Frankreich, dann lernst du das richtige Französisch!”

Vor meinem Au-Pair-Aufenthalt musste ich mir gefühlt jedes Mal, wenn ich auf die typische Frage „Was machst du jetzt nach dem Abitur?“ antwortete, dass ich als Au-Pair in die Schweiz gehen würde, das Gleiche anhören. Die Schweiz ist schließlich auf den ersten Blick keine der typischen Au-Pair-Destinationen, sondern eher bekannt als reicher Kleinstaat sowie als Land der Berge, Kühe, des Käses und der Schokolade. Nach zehn einzigartigen Monaten in Neuchâtel bin ich jedoch mehr denn je davon überzeugt, dass „La Suisse“ das ideale Land für einen unvergesslichen Au-Pair-Aufenthalt ist. Doch alles der Reihe nach. Eigentlich hatte ich gar nicht vorgehabt, nach dem Abitur ein Gap Year einzubauen. Je näher das Abi kam, desto öfter hörte ich allerdings von Freunden, welch einzigartige Erlebnisse sie während ihres Gap Years hatten oder auch, wie sehr sie es bedauerten, gleich mit einem Studium oder einer Ausbildung begonnen zu haben. So kam ich schließlich von meinen ursprünglichen Plänen immer mehr ab und begann, mich über Möglichkeiten zu informieren, nach dem Abitur ins Ausland zu gehen. Schnell war klar, dass die Reise in ein französischsprachiges Land führen sollte und da ich mich schon immer gerne bei Kinderferienprogrammen und ähnlichem engagiert hatte, entschied ich mich für ein Au-Pair-Jahr.

Nach vielen Stunden des Lesens von Erfahrungsberichten von Au-Pairs in Frankreich, Kanada, Belgien, Luxemburg und der Schweiz stand endlich mein Zielland fest. Ausschlaggebend war das Argument, dass es in der Roman die (= französischen Schweiz) auch in kleineren Städten viele Au-Pairs gäbe und somit Gleichgesinnte aus der ganzen Welt. Und so schickte ich meine Bewerbung an meine Agentur ab und kurze Zeit später hatte ich auch schon den ersten Gastfamilien-Vorschlag. Das Profil der Familie – eine alleinerziehende Mutter aus Frankreich stammend mit zwei Kindern, Olivia (10) und Matéo(7) – sagte mir sofort zu und so saß ich nach zwei Skype-Interviews gleich am Tag nach dem Abiball im Zug nach Neuchâtel. Zunächst nur für zwei Tage, um die Familie kennenzulernen. Je mehr sich der Zug meinem Zielbahnhof näherte, desto aufgeregter wurde ich. Würden die Kinder mich akzeptieren? Was würde von mir erwartet? Viel Zeit, über alle Fragen, die mir durch den Kopf gingen, nachzudenken,hatte ich allerdings nicht, denn die letzte halbe Stunde bot sich vom Zug aus eine grandiose Aussicht: unzählige Weinberge, ein See nach dem anderen und in der Ferne die schneebedeckten Alpen. Bei der Vorstellung, in dieser Gegend ein Jahr wohnen zu dürfen, wuchs die Vorfreude.

junger Mann sitzt an Holztisch und tippt auf Laptop
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Am Bahnhof wurde ich schließlich von der ganzen Familie und dem damaligen Au-Pair begrüßt, so wie es in der Westschweiz üblich ist mit drei „bises“. Die Kinder waren zunächst eher zurückhaltend, doch sobald der Kleine feststellte, dass ich bereits Französisch in der Schule hatte, quasselte er munter drauflos. Nach kürzester Zeit wusste ich alles über sein Leben, die Schule, das Dorf und über meine Aufgaben, die er mir ausführlich auflistete. Die zwei Tage, während derer ich schon mal den Au-Pair-Alltag kennenlernen konnte, gingen viel zu schnell vorbei und so freute ich mich sehr auf den richtigen Beginn meines Au-Pair-Abenteuers. Sechs Wochen später war es dann so weit: Das ganze Auto bis obenhin voll bepackt, inklusive Fahrrad und Skiern, ging es los Richtung Süden. Meine Gastmutter traute ihren Augen kaum, als sie das ganze Gepäck sah. Matéo hingegen half sofort begeistert beim Ausladen und nutzte die Gelegenheit dazu, meinem Vater (der gar kein Französisch spricht) meine Aufgaben zu schildern und stolz das Haus zu zeigen. „Na, der wird dich ganz schön auf Trab halten!“, meinte mein Vater amüsiert beim Abschied. Damit sollte er Recht behalten – und wie!

„An Weihnachten sangen wir gemeinsam „Oh Tannenbaum“ in reinstem Hochdeutsch, zumindest fast.“

Die ersten Wochen waren ziemlich anstrengend. Einen Moment nicht aufgepasst und schon war das ganze Wohnzimmer ein heilloses Durcheinander, oder ich erwischte die beiden Kinder bei – ihrer Meinung nach – „wichtigen Experimenten“. Eines Morgens schafften wir es geradeso, noch vor Schulbeginn die Kaninchen einzufangen, obwohl „niemand“ die Tür des Kaninchenstalls geöffnet hatte. Wenn es darum ging, etwas auszuhecken, waren beide ein eingespieltes Team, ansonsten stritten und kämpften sie wegen jeglicher Kleinigkeit. Es war eine ziemliche Herausforderung und manchmal nahezu unmöglich, stets gerecht zu urteilen. Glücklicherweise stand die Mutter immer auf meiner Seite und half mir zumindest abends dabei, Lösungen zu finden. Nach einiger Zeit wurde alles viel ruhiger, die Kinder hatten ihre Grenzen fürs Erste genug ausgetestet und ich hatte mich an meinen Au-Pair-Alltag gewöhnt. Dieser begann täglich um 7 Uhr und bestand darin, Frühstück, Mittag- und Abendessen vorzubereiten, des Weiteren dafür zu sorgen, dass Olivia und Matéo immer pünktlich in die Schule und zu ihren Freizeitaktivitäten kamen, mit Matéo die Hausaufgaben zu machen sowie an für ihn freien Nachmittagen mit ihm zu spielen. Außerdem sollte ich mit der zehnjährigen Olivia Deutsch lernen und dem Kleinen einfache deutsche Wörter und Sätze beibringen. Auch wenn Deutsch nach Meinung meiner Au-Pair-Kinder ziemlich schnell als „langue bizarre“ galt, waren sie und ich stolz auf die Fortschritte und an Weihnachten sangen wir gemeinsam „Oh Tannenbaum“ in reinstem Hochdeutsch, naja, zumindest fast.

„Ich wurde von meiner Gastmutter mithilfe von Kochbüchern und Rezeptlinks in die Geheimnisse der französischen Küche eingeweiht.“

Während die Kinder in der Schule waren, ging ich einkaufen, saugte Staub, machte die Wäsche oder brachte Abfälle zur „déchetterie“, einer Art Mülltrennungsanlage. Ich hätte definitiv nicht gedacht, wie froh ich um die Hausarbeit sein würde! Wie entspannend doch Bügeln sein kann verglichen damit, kleine Streithähne zu beruhigen … Was mir allerdings weniger gefiel, war das viele Kochen, vor allem abends. Zum einen hatte ich dadurch erst relativ spät wirklich Feierabend, zum anderen beschränkte sich das Kochen nicht auf die im Vertrag beschriebene „Zubereitung einfacher Mahlzeiten“. Nudeln mit Sauce kamen äußerst selten auf den Tisch. Stattdessen wurde ich von meiner Gastmutter mithilfe von Kochbüchern und Rezeptlinks via WhatsApp mehr oder weniger erfolgreich in die Geheimnisse der französischen Küche eingeweiht … Nichtsdestotrotz kam die Freizeit nicht zu kurz. Während die Kinder in der Schule waren, blieb neben der Hausarbeit stets genug Zeit, um sich kurz mit anderen Au-Pairs zu treffen oder joggen zu gehen, je einmal pro Woche übte ich in einem Chor und spielte Geige im Orchester. Mittwochnachmittags hatten so gut wie alle Au-Pairs der Gegend frei, um an einem Sprachkurs, welcher in der Schweiz von der Gastfamilie bezahlt werden muss, teilzunehmen. Meine Sprachschule bot spezielle Au-Pair-Sprachkurse (A1, A2, B1, B2) an und so lernte ich gleich in den ersten Tagen nach meiner Ankunft viele andere Au-Pairs kennen. Diese kamen tatsächlich aus der ganzen Welt: aus Australien, Chile, Deutschland, Estland, Italien, Kanada, Kolumbien, den Niederlanden, von den Philippinen, aus Polen, der Schweiz, Spanien, den USA … Ob auf Englisch, Französisch oder Spanisch, mit Händen und Füßen, irgendwie konnte man sich immer verständigen. Nach dem Sprachkurs blieben wir meistens noch in der Stadt und gingen in eine Crêperie oder eine Bar, im Sommer ging es an den See zum Baden. Es war unheimlich bereichernd, neben der französischen und schweizerischen Kultur auch noch viele weitere Kulturen kennenzulernen.

Am Wochenende hatte ich, so wie auch die meisten anderen Au-Pairs auch, immer frei. Oft ging es mit Freunden mit dem Zug in andere Regionen der Schweiz, nach Frankreich oder nach Italien. Für junge Menschen sind Bahntickets (mit Sparbilletten und Halbtax, einer Art Bahncard 50) ziemlich günstig und man erreicht nahezu alle Städte innerhalb von drei bis vier Stunden und kann sich somit teure Übernachtungen sparen. Von pulsierenden Großstädten wie Genf und Zürich über malerische Städtchen wie Solothurn oder Lugano bis hin zu kleinen Bergdörfern, „La Suisse“ bietet so viel mehr, als ich gedacht hätte. Von all den Seen, Skigebieten und Wanderregionen ganz zu schweigen. Meine persönlichen Highlights waren eine Reise durchs Tessin bis nach Mailand sowie die Ausflüge nach Annecy (FR), Vevey und Olten. Ob die Kinder mit der Zeit ruhiger geworden sind oder ich mich einfach an den täglichen Trubel, regelmäßige Wutanfälle und Streitereien gewöhnte, wer weiß. Auch wenn so manche Aktion mich ziemlich aus der Fassung brachte, lange böse sein konnte ich ihnen nie. Wie auch, wenn die Kinder von ihrer Mutter wissen wollten, wann sie denn nach „Stouttgaar“ fahren würden, um mich zu besuchen, oder ich mit erwartungsvollem Blick gefragt wurde, ob ich den Klassenausflug begleiten möchte. So wurden beide immer mehr wie kleine Geschwister für mich und wuchsen mir ans Herz.

„Warum nach Frankreich gehen, wenn man stattdessen in die Schweiz kann?“

Gegen Ende vergingen die Wochen wie im Flug und schneller als gewollt stand die Rückreise an. Der Abschied von meiner Gastfamilie und den neu gewonnenen Freunden fiel schwer. Ich bin unendlich dankbar für eine einzigartige, lehrreiche Zeit voller neuer Erfahrungen und Begegnungen. Neuchâtel mit seiner pittoresken Altstadt aus der „Belle Époque“ und der Lage am gleichnamigen See ist wirklich ein besonderes Fleckchen Erde. Das Schweizer Französisch ist übrigens kaum anders als das in Frankreich gesprochene. Erst nach einiger Zeit hörte ich überhaupt einen kleinen Unterschied. Was die Schweizer mit den Franzosen gemein haben, ist ein stark ausgeprägter Nationalstolz. Dennoch hatte ich nie das Gefühl, als „Die aus Deutschland“ wahrgenommen zu werden. Ganz im Gegenteil, ich wurde immer freundlich empfangen! Alors? Pourquoi aller en France si on peut aller en Suisse?

Maren Wirth, 19, studiert seit September Unternehmensrecht in Mannheim und möchte auch während ihres Studiums weitere Auslandserfahrungen sammeln.

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