Freunde findet man überall
Schon mehrere Jahre vor Absolvierung des Abiturs war ich mir sicher, dass ich nach der Schule ins Ausland gehen wollte.
Da meine beiden älteren Brüder bereits Work and Travel in Neuseeland gemacht und mir viele tolle Sachen erzählt hatten, wollte ich auch gerne dorthin. Ein anderer Grund für meine Entscheidung war, dass ich nach zwölf Jahren Schule flexibel und frei meine eigenen Entscheidungen treffen wollte, wofür Work and Travel perfekt ist. Zudem wollte ich die Reise selbst organisieren, da mir meine Brüder durch ihre gesammelten Erfahrungen viel helfen konnten. Da sich die Pläne einer Freundin geändert hatten, schloss sie sich meinen an. Nachdem alles organisiert und der Rucksack gepackt war, ging es für uns zum Flughafen, wo wir uns auf unsere große Reise zur anderen Seite der Welt begaben. Wir planten einige Wochen in Australien zu verbringen und anschließend nach Neuseeland aufzubrechen. Der erste Flug verlief noch ziemlich tränenreich, da wir uns gerade erst von unseren Familien und unseren Freunden verabschiedet hatten. Ich fragte mich, was ich hier gerade tue, und ob es wohl das Richtige sei. Ab dem zweiten Flug überwog dann die Vorfreude. Die Vorfreude auf all das, was ich mir monatelang ausgemalt hatte und was wohl alles auf mich zukommen würde.
Mitten in der Nacht sind wir in Brisbane gelandet, von wo aus unsere Reise entlang der Ostküste Australiens begann. Die ersten Wochen kamen mir vor, als wäre ich im Urlaub, und ich dachte, dass es bald wieder nach Hause gehen würde. Nach unglaublichen anderthalb Monaten ging schon unser Flug von Melbourne nach Neuseeland, worauf wir uns schon sehr freuten. Sobald wir in Auckland angekommen waren, fingen die ersten Probleme an. An diesem Punkt realisierte ich, dass ich für sehr lange Zeit von zu Hause weg sein würde. Uns ging langsam das Geld aus, also musste ein Job her. Dementsprechend mussten wir uns um ein paar Dinge kümmern, wie zum Beispiel das Eröffnen eines neuseeländischen Bankkontos und die Beantragung einer Steuernummer. Dies war alles ziemlich stressig, da wir zur selben Zeit wie viele andere Backpacker ankamen, die natürlich die gleichen Pläne hatten. Hinzu kamen noch andere Fragen wie beispielsweise, ob wir uns ein Auto kaufen sollten. Allerdings trennten meine Freundin und ich uns am zweiten Tag in Neuseeland aufgrund von persönlichen Problemen. So überraschend das jetzt klingt, so war es auch in Wirklichkeit. Sehr spontan ergab sich für mich die Möglichkeit, mich einer kleinen Reisegruppe anzuschließen, die zwei Wochen lang das „Northland“ bereisen wollte. Anschließend sollte der Roadtrip wieder in Auckland enden. Dadurch konnte ich meine Zeit sinnvoll nutzen und musste nicht Ewigkeiten auf einen Termin in der Bank warten. Außerdem konnte ich mir in Ruhe Gedanken darüber machen, wie meine weitere Reise verlaufen sollte.
Diese zwei Wochen waren wahrscheinlich die schlimmste Zeit. Ich hatte sehr starkes Heimweh und fühlte mich trotz der Gruppe einsam. Teilweise dachte ich sogar daran, meine Reise vorzeitig zu beenden, weil ich mir über alles den Kopf zerbrach und keine Lösung fand. Es war komisch, ohne meine Freundin unterwegs zu sein, da ich mich nach den knapp zwei Monaten schon sehr an sie gewöhnt hatte. Von nun an war ich auf mich alleine gestellt und musste jede Entscheidung alleine treffen. Ich hatte so lange von dieser Reise geträumt, also überzeugte ich mich selbst davon, dass meine Reise nicht so enden durfte. Damit mein Heimweh besser wurde, schrieb und telefonierte ich oft mit meiner Familie und meinen Freunden. Das gab mir das Gefühl, nicht alleine zu sein. Unter anderem sprach ich auch mit einer Freundin, die schon ein Auslandsjahr hinter sich hatte. Sie erzählte mir, dass es ihr so ähnlich ergangen war wie mir, und sie trotzdem weitergemacht hatte. Sie sagte: „Sobald du diese Phase überwunden hast, kann es nur besser werden, und du wirst die beste Zeit deines Lebens haben.“ Ich hielt an diesen Worten fest und fand neue Motivation. Durch die Änderung meiner Einstellung ergaben sich sogar sehr schnell mehrere Optionen für mich. Zum einen hatte ich die Möglichkeit, auf einer Pferdefarm zu WWOOFen, also für Unterkunft und Essen zu arbeiten. Zum anderen hätte ich auch mit meiner Reisegruppe weiterreisen können. Die dritte Möglichkeit war, auf der Südinsel auf einer Obstplantage zu arbeiten. Dafür entschied ich mich dann auch, da ich lieber im Frühjahr als im Hochsommer arbeiten wollte. Außerdem sah ich darin die Chance, neue Leute kennenzulernen, mit denen ich vielleicht sogar weiterreisen könnte.
„Denn ab dem Zeitpunkt, an dem ich ins Flugzeug stieg, wurde es nur noch besser“
Nachdem ich von der Reise durchs „Northland“ wieder in Auckland angekommen war, hatte ich dort noch zwei Tage Zeit, um endlich mein Bankkonto zu eröffnen und meine Steuernummer zu beantragen. Danach nahm ich einen Flug in den frühen Morgenstunden auf die Südinsel, wo ich den Sonnenaufgang von meinem Gate aus beobachtete. Dieser Sonnenaufgang beschrieb sehr gut meine Situation. Denn ab dem Zeitpunkt, an dem ich ins Flugzeug stieg, wurde es nur noch besser. So wie meine Freundin es mir vorausgesagt hatte. Nachdem ich einige Stunden später an meinem Ziel ankam, zog ich in eine kleine Unterkunft ein, in der bereits ein Neuseeländer, fünf Deutsche, ein Franzose und eine Amerikanerin wohnten. Es dauerte nicht lang, bis ich ein Teil der Gruppe wurde, und mit der Zeit wurden wir zu einer kleinen Familie. Morgens aßen wir immer gemeinsam Frühstück und fuhren zusammen zur Arbeit. Danach kochten wir meistens, spielten Karten und saßen vor dem Kamin. Unsere Arbeit nannte sich „Thinning“ und bestand daraus, Aprikosen, Nektarinen, Pflaumen und Ähnliches auszudünnen. Das bedeutete, dass wir einen Teil der Früchte pflückten, damit der Rest mehr Platz zum Wachsen hat. Es ist keine anspruchsvolle Aufgabe, aber es ist die Erfahrung wert und ist ein „must-do“ in Neuseeland. Als vier von den anderen und ich genug von der Arbeit hatten, beschlossen wir endlich zu reisen. Wir waren alle sehr traurig, dass nun die Zeit in unserer kleinen Familie zu Ende sein würde. Doch es stand fest, dass wir uns zu Weihnachten zusammenfinden sollten, damit wir die Feiertage gemeinsam verbringen konnten. Auf unserer Reise trafen wir noch mehr Gleichgesinnte, die sich unserer Reisegruppe anschlossen und sogar auch mit uns Weihnachten und Silvester feierten.
Weihnachten feierten wir, wie wir es von zu Hause kannten. Wir backten Kekse, wichtelten und schauten alle „Herr der Ringe“- und „Hobbit“-Filme. Wir hatten sogar einen Weihnachtsbaum. Nichtsdestotrotz blieb die Weihnachtsstimmung aus, da es draußen 25°C waren. Silvester verbrachten wir in Queenstown. Da eine aus unserer Reisegruppe dort Bekannte hat, konnten wir in deren Garten campen. Da die Bekannten selbst gar nicht da sein sollten, hatten wir mit niemandem vor Ort gerechnet. Und auch der Untermieter war reichlich überrascht und ganz erschrocken, als er nach Hause kam und sechs Fremde in seinem Garten antraf. Letztendlich verstand er sich aber gut mit uns und verbrachte sogar Silvester mit uns. Der Mann ist der Chefkoch eines Restaurants in Queenstown und erzählte uns, dass er auf der Suche nach Küchenaushilfen sei, und fragte uns, ob wir einen Job bräuchten. Da mir die Stadt sehr gut gefiel, beschloss ich, dass ich dort gerne für längere Zeit bleiben wollte, und nahm das Jobangebot an. Dies hieß aber, dass ich mich von meinen Freunden trennen musste, da sie andere Pläne hatten. Ich wusste aber, dass ich sie sehr bald wiedersehen würde, da wir für Weihnachten einen gemeinsamen Urlaub auf Samoa gebucht hatten. Unsere Reise nach Samoa war für uns alle ein absolutes Highlight. Samoa befindet sich in der Nähe der Fidschi-Inseln, ist allerdings bei Weitem nicht so touristisch wie diese. Aus diesem Grunde lebten wir direkt mit den Einheimischen zusammen und lernten vieles über ihre Kultur. Neben der Gastfreundlichkeit der Einheimischen luden aber auch paradiesische Strände, wie man sie aus Reisekatalogen kennt, zum Träumen ein: weiße Strände, türkises Meer und Palmen, von denen wir die Milch handgepflückter Kokosnüsse tranken.
„Man trifft überall Leute, die ähnliche Interessen haben wie man selbst“
Nachdem mich meine Freunde in Queenstown abgesetzt hatten, war ich wieder alleine. Ich fand zusätzlich zu meinem Job in dem Restaurant noch einen in einem Hostel, wo ich für meine verrichtete Arbeit umsonst schlafen konnte. Ich musste fünf Tage die Woche je vier Stunden arbeiten. Darunter fiel beispielsweise das Beziehen von Betten und das Putzen der Bäder. Auch in Queenstown lernte ich schnell viele, neue Leute kennen. Trotzdem wollte ich mehr Zeit alleine verbringen und ging oft spazieren oder setzte mich an die Waterfront. Ich dachte viel nach und erkannte dabei die Vorteile des Alleine-Reisens. So kann man machen, was man will, und seine Reise gestalten, wie man möchte. Man ist absolut frei in seinen Entscheidungen. Dadurch konnte ich einfach für einen Job auf die Südinsel fliegen, wodurch ich tolle Leute kennenlernte. Oder ich konnte in Queenstown bleiben, wo ich viel über mich gelernt habe. Man braucht keine Angst zu haben, irgendwo alleine hinzugehen, da man überall Leute trifft, die ähnliche Interessen haben wie man selbst. Damit will ich sagen, dass man sich nicht von anderen abhängig machen sollte.
„Ich habe richtig gute Freunde gefunden und stehe mit den meisten immer noch in Kontakt“
Nachdem ich sechs Wochen in Queenstown verbracht hatte, war es wieder an der Zeit, mehr von dem wunderschönen Neuseeland zu sehen. Dieses Mal reiste ich mit einer anderen Freundin, die ich von meinem ersten Arbeitsplatz kannte. Wir reisten entlang der Westküste zum Abel Tasman Nationalpark, wo Sonne und Strand auf dem Plan standen. Danach setzten wir auf die Nordinsel über und waren schon gespannt, was uns dort erwarten würde, da die Inseln ja doch sehr unterschiedlich sein sollen. Das kann ich im Nachhinein auch bestätigen. Die Nordinsel ist wesentlich dichter besiedelt und zeichnet sich durch ihre hügelige und vulkanische Landschaft aus. Die Südinsel ist dagegen geografisch sehr vielfältig. Man kann den einen Tag im Dschungel verbringen und den nächsten neben schneebedeckten Bergen aufwachen. Aber wie auf der Südinsel, hatte ich auch auf der Nordinsel eine unvergessliche Zeit. Nach unglaublichen acht Monaten Work and Travel ging es für mich wieder nach Hause. Ich bin sehr froh, wie alles verlaufen ist, und würde nichts an dem Verlauf meiner Reise ändern wollen. Ich habe richtig gute Freunde gefunden und stehe mit den meisten immer noch in Kontakt. Aber nach acht Monaten habe ich trotzdem noch nicht genug vom Backpackerleben, sodass ich sogar noch ein weiteres Jahr mit dem Working-Holiday-Visum in Australien arbeiten und reisen werde.
Noemi Leupold, 19, verbringt derzeit ein weiteres Auslandsjahr in Australien und macht dort Work and Travel. Nach ihrer Rückkehr möchte sie Geografie studieren.
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