Eine erfahrungsreiche Auszeit
Mir war schon immer klar, dass ich unbedingt studieren möchte. Aber ich war mir auch schon immer bewusst darüber, dass ich von der Schule aus nicht gleich an das nächste Lerninstitut wechseln wollte. Ein Au-Pair-Jahr erschien mir als interessante Möglichkeit, eine Pause einzulegen. Das Leben in einer Familie in den USA, der tägliche Umgang mit Kindern und die Übernahme von Verantwortung im Familienalltag schienen genau das Richtige zu sein. Zudem würde Zeit bleiben, an Wochenenden oder nach Beendigung meiner Au-Pair-Tätigkeit die Staaten zu bereisen.
Schnell fand ich die passende Organisation und auch die Anmeldung lief reibungslos. Am aufregendsten war die Kontaktaufnahme zu den ersten an mir interessierten Familien und am nervigsten das Gerenne zu verschiedenen Ämtern und das Zusammensammeln von Referenzen ehemaliger Arbeitgeber. Relativ schnell fand ich die perfekte Familie für mich und hatte so noch genügend Zeit, mich auf die Umstellung vorzubereiten und vor Aufregung und Vorfreude zu platzen. Die ersten vier Tage auf einer Schulung in den USA fand ich teils interessant, teils recht öde. Wirklich gut tat mir vor allem der Kontakt zu den vielen anderen angehenden Au-Pairs. Erste internationale Kontakte wurden geknüpft und Daten ausgetauscht.
Von der Schulung aus fuhr ich per Zug zu meiner Familie nach Boston und wurde am Bahnhof ganz herzlich von meinem Gastvater begrüßt. Die ersten drei Wochen durfte ich gleich im Bundesstaat Maine verbringen, da meine Au-Pair-Familie die Sommerferien dort verbrachte. Mit der Familie sofort in den Urlaub zu fahren hatte Vor- und Nachteile. Wir lernten uns intensiv kennen, da wir fast die ganze Zeit beisammen waren. Die Kinder bauten schnell eine tiefe Bindung zu mir auf und ich konnte mich gut in die Familie einfinden. Ein großer Nachteil war jedoch, dass ich keine Chance hatte, erst einmal im Gastland anzukommen und mich in Ruhe einzuleben. Auch blieb in Maine der persönliche Kontakt zu anderen Au-Pairs und zu meiner Betreuerin aus. Die Erfahrungen allerdings, die ich in dem wunderschönen Neuenglandstaat machen durfte, werden mir immer in Erinnerung bleiben und sind unbezahlbar: Ich aß zum ersten Mal Hummer, fuhr Kajak, ging Segeln und war ziemlich oft mit meiner Familie auf ihrem Motorboot unterwegs, um zum Dinner zu fahren oder auf offenem Meer zu angeln. Zu meinen Aufgaben gehörte es, Frühstück, Lunch und Snacks für die drei Kinder vorzubereiten. Oft waren wir am Strand, spielten im Garten, bastelten oder tanzten.
Leider erfuhr ich noch in Maine, dass meine Gastmutter kurz vor meiner Anreise ungeplant schwanger geworden war und ich somit rechtlich gesehen die Familie wechseln musste. In den USA darf man nur dann als Au-Pair in einer Familie mit Kindern unter zwei Jahren arbeiten, wenn man die nötige Stundenzahl an Erfahrung mit dieser Altersgruppe vorweisen kann. Das konnte ich nicht. Die Familie war natürlich völlig bestürzt und traurig über meinen bevorstehenden Wechsel. Meine Gasteltern waren sich nicht bewusst gewesen, dass ich aufgrund des weiteren Nachwuchses nicht würde bleiben können, und hätten mich gern behalten. Die Ansprechpartnerin meiner Au-Pair-Agentur stand mir bestens zur Seite. Wir führten lange Telefonate und sie unterstützte mich sehr, sodass ich mich wirklich gut betreut fühlte. So suchte und fand ich noch während des Urlaubs in Maine eine neue Familie und fuhr kurz nach der Rückkehr zu dieser Familie nach Greenwich, das eine Stunde von New York entfernt liegt. Ich wurde herzlich empfangen und meine Betreuerin stattete mir am nächsten Tag einen Besuch ab, um zu sehen, wie es mir bei der neuen Familie ging. Drei Tage später fand auch schon unser erstes Treffen mit allen Au-Pairs aus der Gegend statt. So konnte ich sofort neue Kontakte zu Gleichaltrigen knüpfen.
In meiner jetzigen Familie teile ich mir die Arbeit mit meiner Gastmutter, da sie nicht arbeiten geht und somit den Tag über zu Hause ist. Mein Arbeitstag beginnt damit, dass ich gegen 13:30 Uhr aufbreche, um die Jüngste, vier Jahre alt, aus der Vorschule abzuholen. Der Tag endet meist gegen 20 Uhr mit dem Abendessen. Zwischendurch werden die beiden Großen, acht und elf Jahre, von der Schule abgeholt und nachmittags finden meist irgendwelche Aktivitäten wie Fußball, Ballett oder ein Treffen mit einer Freundin statt, zu denen ich sie hinfahre und abhole. Aufgrund der vielen Freizeitaktivitäten ist jeder Tag anders. Manchmal mache ich morgens die Betten, wenn die Mutter es nicht schafft, und zweimal die Woche wasche ich die Wäsche der Kinder. Jeden Sonntagabend erhalte ich einen Wochenplan mit meinen Aufgaben und jeden Freitag mein geregeltes Taschengeld; circa 140 €. Als Au-Pair stehen mir eineinhalb freie Tage die Woche und ein komplett freies Wochenende pro Monat zu.
„Gleich bei ihrem ersten Besuch gab mir meine Betreuerin zwei Hochschulbroschüren“
Mein Au-Pair-Programm sieht zusätzlich den Besuch von Kursen an einer Hochschule vor. Insgesamt brauche ich sechs „credits“, also eine bestimmte Anzahl an Unterricht, um mein Au-Pair-Jahr erfolgreich abzuschließen. Nur dann erhalte ich am Ende eine kleine Prämie von etwa 350 €. Gleich bei ihrem ersten Besuch gab mir meine Betreuerin zwei Hochschulbroschüren, aus denen die Kurse, Zeiten, Beschreibungen und die Kosten hervorgehen. Die Kosten für den Besuch der Collegekurse übernimmt bis zu einem bestimmten Betrag die Gastfamilie. Sobald ich mich mit meiner Familie bezüglich der Kurszeiten abgesprochen hatte, meldete ich mich an. Momentan belege ich das Seminar „Vocabulary and Culture through American Movies, Music, and TV“. Ich könnte jedoch auch andere Sprachen lernen oder einen Kurs aus dem Bereich Management oder Kunst besuchen. Als Au-Pair hat man die freie Wahl. Je nachdem, was man belegt, trifft man auf mehrere andere Au-Pairs oder aber auf vergleichsweise viele einheimische Studierende. Die Kurse bieten auf jeden Fall Gelegenheit, mehr über das Gastland USA zu erfahren und in verschiedene Studiengänge reinzuschnuppern, sodass einem später die Entscheidung für oder gegen bestimmte Studienfächer womöglich leichter fällt.
„Obwohl ich mich schon vor dem Au-Pair-Aufenthalt sehr selbstständig fühlte, erlebe ich hier noch einmal eine ganz andere Form von Eigenverantwortung“
Aus meinem ersten Familienwechsel habe ich sehr viel gelernt und merke schon jetzt, nach nur drei Monaten in den USA, dass ich viel mitnehmen werde, wenn ich im nächsten Sommer nach Hause zurückkehre. Obwohl ich mich schon vor dem Au-Pair-Aufenthalt sehr selbstständig fühlte, erlebe ich hier noch einmal eine ganz andere Form von Eigenverantwortung. An den vielen Erfahrungen, die ich in der kurzen Zeit bereits gemacht habe und täglich mache, wachse ich. Gestern Abend hatte ich ein schwieriges Gespräch mit meiner Gastmutter, in dem ich ihr meine Entscheidung mitgeteilt habe, die Familie zu verlassen. Diesmal wechsele ich die Familie freiwillig und auf meinen eigenen Wunsch hin. Ich fühle mich einfach nur wie eine Angestellte und nicht wie ein Familienmitglied. Zudem ist die Gastmutter den ganzen Tag zu Hause und ich fühle mich in der Situation nicht wirklich wohl, da ich mich einfach nach mehr Verantwortung sehne. Ich habe mit meiner Betreuerin darüber gesprochen und sie unterstützt mich voll und ganz. Ich stelle mir eine Familie vor, in der beide Eltern arbeiten und die Interesse an einem weiteren Familienmitglied hat. Zusammen mit meiner Betreuerin bin ich potenzielle Familien durchgegangen, die nach einem neuen Au-Pair suchen. Sie gibt den Familien meine Adresse, damit sie sich bei mir melden können, falls sie mich als Au-Pair einstellen möchten. Mittlerweile stehe ich in Kontakt mit ein paar netten Familien und bin gespannt, wohin mich mein Weg diesmal führen wird.
Dorrit Heinze, 20, kommt aus Hanau nahe Frankfurt. Im Anschluss an ihr Jahr als Au-Pair möchte sie gern studieren und interessiert sich für den Fachbereich Immobilienwirtschaft.
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