Auslandspraktikum in Wien
Im Rahmen meines Studiums „Soziale Arbeit“ an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg reiste ich für ein dreimonatiges Praktikum in die wunderschöne Stadt Wien, Hauptstadt unseres Nachbarlandes Österreich. Ich wollte das studienintegrierte Praktikum gerne im psychiatrischen Bereich im Ausland absolvieren.
Nach langer Suche und etwas Glück erhielt ich eine Zusage für ein Auslandspraktikum in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Erwachsenenpsychiatrie mit Ambulanz des Krankenhauses Hietzing in Wien. Die Suche nach einem geeigneten Praktikum im Ausland stellte sich zunächst als Herausforderung dar. Ich schickte viele Bewerbungen per E-Mail an Einrichtungen im psychiatrischen Bereich in verschiedene Länder und hatte erst Erfolg, als ich auf das Telefon umstieg. Ich wurde nach Wien zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, welches mich endlich nach dreimonatiger Praktikumssuche mit einer Zusage belohnte. Währenddessen bewarb ich mich auf finanzielle Förderung durch Erasmus+, welche ich nach einer erheblichen Menge Papierkram schlussendlich auch erhielt. Finanziell war dies eine große Erleichterung und somit die Arbeit auch wert. Aufgrund des überschaubaren Aufenthaltes von drei Monaten in Wien suchte ich darauf nach einer möblierten Unterkunft. Um schnell mit anderen Leuten in Kontakt zu kommen und günstig zu wohnen, entschied ich mich für ein Studentenwohnheim. Die sogenannte Wirtschaftshilfe der Arbeiter und Arbeiterinnen und Studierenden Österreichs, kurz Wihast, bietet günstige Studentenzimmer in vielen verschiedenen Bezirken an. Zwei Monate nach meiner Online-Bewerbung hatte ich schon ein Zimmer im Zentrum von Wien, im Bezirk Wieden.
Dann vervollständigte ich die Vorbereitung durch Buchung meines Hinflugs, Abschluss einer Auslandsversicherung inklusive Unfall- und Haftpflichtversicherung und Beantragung einer Prepaid-Kreditkarte, um kostenfrei Geld abheben zu können. Ich informierte mich noch ein wenig über die Gepflogenheiten und die strukturellen Begebenheiten wie beispielsweise öffentliche Verkehrsmittel in Wien und bereitete mich inhaltlich auf das Praktikum in der Psychiatrie vor. In Wien angekommen, bestand mein Wochenalltag größtenteils aus meinem Vollzeitpraktikum. In diesem wechselte ich regelmäßig durch verschiedene Bereiche der Psychiatrie: Ich arbeitete auf der Kinder- und Jugendstation sowie auf der Erwachsenenstation für Menschen mit Behinderungen und der entwicklungsdiagnostischen Ambulanz, auf der substanzabhängige Mütter und ihre Kinder betreut werden. Die Teilnahme an Visiten, Helferkonferenzen und Beratungsgesprächen machte einen großen Teil meines Praktikums aus. Ich selbst hatte die Aufgabe zu dokumentieren, mit wichtigen Institutionen wie beispielsweise Jugendämtern zu telefonieren, Visiten und Helferkonferenzen zu protokollieren und organisieren sowie Wegbegleitungen von Patienten und Patientinnen zu machen. Highlight des Praktikums war für mich, dass ich ein Beratungsgespräch mitführen durfte. Außerdem erhielt ich die Möglichkeit, gelegentlich in andere Bereiche wie beispielsweise Physio-, Ergo-, Kunst-, Musik- und Psychotherapie hineinzuschnuppern.
Nach der Arbeit ging ich schwimmen, spazieren oder besuchte eine der vielzähligen Sehenswürdigkeiten, die Wien zu bieten hat: das Museumsquartier, den Stephansdom, den Karlsplatz, unzählige Parks, Schloss Schönbrunn, Schloss Belvedere, das Hundertwasserhaus, den Donaukanal mit coolen Graffitis am Ufer, den Naschmarkt, den Wiener Wald und vieles mehr. Ich ging außerdem auf mehrere Flohmärkte und kleine Straßenfeste, über die man sich im Internet informieren konnte. Schon Mitte November wurden diverse Weihnachtsmärkte eröffnet, die ich als besonders schön in Erinnerung habe. Viele Lichter und wunderschön kitschige Weihnachtsdekoration schmückten die Stadt. Beim Besuch des Praters, des Wiener Jahrmarkts, beeindruckte mich insbesondere die Fahrt im großen Riesenrad, da man einen schönen Ausblick über die Stadt erhalten konnte. Der Besuch des Tiergartens, des ältesten Zoos Europas, begeisterte mich aufgrund der vielzähligen Tierarten und ihrer guten Haltung. Durch die eher flache und besonders saubere Stadt Wien zieht sich faszinierende, pompöse Architektur mit beeindruckenden Gebäuden. Viele interessante Museen und Ausstellungen waren extrem sehenswert. Mich interessierte besonders das Freud Museum, welches sich im ehemaligen Wohnhaus und der gleichzeitigen Praxis für Psychoanalyse von Sigmund Freud befindet. Für mich als Sissi-Film-Fan war es außerdem ein besonderes Erlebnis, um und innerhalb des Schlosses Schönbrunn einen Blick in die wirkliche Welt der österreichischen Kaiserin zu erhalten. Besonders schmackhafte Erlebnisse hatte ich bei den Besuchen verschiedener Heurigenorte Wiens. In dieser Art von Restaurants bekommt man traditionelle österreichische Speisen.
„In Wien angekommen, bestand mein Wochenalltag größtenteils aus meinem Vollzeitpraktikum.“
Über Wiens Grenzen hinaus erkundete ich an Wochenenden auch die Städte Bratislava und Salzburg. Diese waren sehr günstig und schnell mit dem Fernbus erreichbar und lohnten sich definitiv. In Salzburg konnte ich Österreich auch mal von seiner bergigen Seite kennenlernen. Abgesehen von den günstigen Fernbustickets waren die Lebenshaltungskosten in Österreich immer etwas höher als im Norden Deutschlands. Dafür waren Freizeitaktivitäten wie Besuche im Schwimmbad, in Museen und im Zoo sowie die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln preisgünstig. Viele meiner Unternehmungen machte ich alleine, da ich im Wohnheim nicht so viele Leute kennenlernte, wie erhofft. Meine Kollegen und Kolleginnen in meinem Praktikum allerdings habe ich als besonders offen, humorvoll und hilfsbereit erlebt. Schnell fühlte ich mich sehr wohl im Team der Psychiatrie. In der Mittagspause kamen wir in einer Gruppe zusammen, aßen gemeinsam und tauschten uns aus. Wenn für mich Situationen bei der Arbeit belastend waren oder sich Fragen ergeben hatten, waren insbesondere meine Ansprechpartnerinnen im Praktikum, zwei Sozialarbeiterinnen, für mich da, um diese Dinge zu besprechen.
„In der Mittagspause aßen wir gemeinsam und tauschten uns aus.“
Aber obwohl ich in meiner Freizeit des Öfteren alleine war, war ich nicht einsam. Ganz im Gegenteil, ich habe es meistens als schön empfunden. Zu Hause in Deutschland bin ich meistens unter Freunden oder Familie, weshalb es auch etwas Besonderes war, Zeit für sich allein zu haben. Ich muss jedoch zugeben, dass es ein paar wenige Situationen gab, in denen ich mir wünschte, eine gute Freundin oder einen guten Freund um mich zu haben, um das Erlebte mit jemandem zu teilen. Die Bewohner von Wien habe ich trotz meiner Erfahrung mit den Personen aus dem Studentenheim als sehr herzlich und hilfsbereit empfunden. Besonders begeistert hat mich der wienerische Dialekt. Ich habe sowohl im Praktikum als auch in der Freizeit anfangs Schwierigkeiten gehabt, alles Gesagte zu verstehen. Mit der Zeit wurde es schnell besser und ich habe wirklich Gefallen an diesem lieblichen, entzückenden Dialekt gefunden. In Wien wird beispielsweise der Chefarzt als Primar bezeichnet. Um mich diesem vorzustellen, sollte ich ihm die Pratzen, also die Hände, schütteln. Meine Aussprache und gegenseitige Missverständnisse sorgten für viele lustige Momente.
Nach drei Monaten Leben in Wien fühlte ich mich dort heimisch, die Zeit verging unglaublich schnell. Andererseits spürte ich besonders in den letzten Wochen, dass mein Zuhause mit meinen Liebsten mir sehr fehlte. Insgesamt war jedoch mein dreimonatiger Auslandsaufenthalt in Wien ein voller Erfolg und eine wunderbare Erfahrung für mich. Wien ist eine Stadt, die ich wegen ihrer Schönheit und Vielseitigkeit lieben gelernt habe. Die zahlreichen Freizeit- und Kulturangebote ließen keine Langeweile aufkommen. Ich habe mehr über meine Grenzen und Unsicherheiten gelernt und weiß nun besser, wie ich mit diesen umgehen kann. Durch das Praktikum fühle ich mich in meinem Wunsch, nach meinem Abschluss im psychiatrischen Bereich zu arbeiten, bestätigt. Und das ist ein ziemlich schönes Gefühl. Die Zeit im Ausland, eine Zeit weit weg aus den gewohnten Strukturen und dem Alltag, war wirklich kostbar. Und dem Primar mal die Pratzen zu schütteln, schon dafür haben sich die drei Monate in der bezaubernden Stadt Wien gelohnt!
Johanna Wessel, 24, schreibt derzeit ihre Bachelorarbeit im Fachbereich Soziale Arbeit an der HAW in Hamburg. Zudem plant sie ihren nächsten Auslandsaufenthalt, dieses Mal drei Monate in Südostasien, bevor sie ihren Master im Bereich „Therapeutische Sozialarbeit“ beginnt.
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