Freiwilligendienst in der weißen Stadt Boliviens

Deutsch unterrichten, fürs Leben lernen

weltweiser · Freiwillige mit Schülern beim Ausflug
GESCHRIEBEN VON: JULIANE KLUG
LAND: BOLIVIEN
AUFENTHALTSDAUER: 12 MONATE
ERSCHIENEN IN: (NIX FÜR) STUBENHOCKER.
DIE ZEITUNG FÜR AUSLANDSAUFENTHALTE,
Nr. 4 / 2014, S. 47-48

Als mich die Mitarbeiter von „kulturweit“, einer Organisation der UNESCO sowie des Auswärtigen Amtes, anriefen und mir einen Platz als Freiwillige anboten, hatte ich eigentlich nicht mehr damit gerechnet. In der ersten Runde war ich leer ausgegangen und rückte dann überraschend nach. Ich sollte ein Jahr lang im Colegio Pestalozzi in Sucre, Bolivien, assistieren, einer Schule der Partnerschulinitiative PASCH.

Da es sich um eine der teuersten Privatschulen der Stadt handelte, wurde ich anfangs nur wenig gebraucht. Die Deutschlehrer, denen ich helfen sollte, kamen entweder aus Deutschland oder besaßen ein gutes Sprachniveau. Ich musste mir daher eigene Aufgaben suchen. Hauptsächlich bereitete ich Unterrichtsmaterial für die Lehrer vor und bastelte so viel wie nie zuvor in meinem Leben. Nach einigen Monaten wurden mir vier Schüler zugeteilt, denen ich Nachhilfe auf Deutsch gab. Sie kamen zu einem Zeitpunkt an die Schule, an dem ihre Mitschüler schon ein paar Jahre lang meine Muttersprache lernten. Memory zu allen erdenklichen Themen lag auf Platz eins der beliebtesten Aktivitäten der Jungen und Mädchen. Da meine Arbeitstage an der Schule aber noch nicht ausgefüllt waren, wurde ich zusätzlich an den Nachmittagen in der Universität von Sucre eingesetzt. Dort wurde meine Hilfe von Anfang an wirklich benötigt. Ich stand für Fragen im Deutschunterricht zur Verfügung, hielt kleine Vorträge über mein Heimatland und gab den Studenten Unterricht, beispielsweise über hiesige Sänger und Bands.

Basteln und Spielen hört sich nicht so erfüllend für euch an? Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass nicht jede Einsatzstelle auf Freiwillige wartet. Viele Projekte funktionieren auch ohne junge Helfer aus dem Ausland, das müssen sie natürlich. Vielleicht werdet ihr, liebe zukünftige Freiwillige, also nicht auf Anhieb wissen, was eure Aufgaben sind, und vielleicht werdet ihr kein einzigartiges Projekt durchsetzen, mit dem ihr in die Annalen eurer Einsatzstelle eingeht. Dennoch sind euch unersetzliche Erfahrungen sicher, wenn ihr auf Reisen geht, versprochen! Ihr werdet viel über euer Gastland, aber vor allem auch über euch selbst und eure Heimat lernen. Darüber hinaus werdet ihr entdecken, wie andere Gesellschaftsstrukturen funktionieren, wie Deutschland in anderen Ländern gesehen wird und feststellen, dass eure Auffassungen von logischem Denken oder auch von Männer- und Frauenrollen nicht unbedingt deckungsgleich mit denen in eurem Gastland sind. Sicherlich ist es auch eine neue Erfahrung, als Ausländer überall Aufmerksamkeit zu erhalten.

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Natürlich gab es jedoch auch ein Leben abseits der Arbeit: Das spielte sich zum einen in dem Haus ab, in dem ich mit einer dreiköpfigen bolivianischen Familie und einem deutschen Auswanderer wohnte, der vor 30 Jahren nach Südamerika gekommen war. Der kürzeste Weg zum Haus führte über eine Treppe mit 150 Stufen. Weitere 20 musste ich nehmen, um in den ersten Stock des Hauses in mein Zimmer zu kommen. An sich war dies nichts Außergewöhnliches, in einer Höhe von 2.800m über dem Meeresspiegel verursachte so ein Aufstieg allerdings Herzklopfen bei mir. Entlohnt wurde ich in meinem Zimmer mit einer atemberaubenden Aussicht auf die Stadt inklusive malerischer Sonnenauf- und Sonnenuntergänge. Außerdem weckte mich in mancher Nacht der riesige Mond, weil er so hell in mein Zimmer schien. Da immer irgendwo ein Fest stattfand, konnte ich häufig Feuerwerk am Nachthimmel bestaunen. Meine sonstige Zeit verbrachte ich viel mit Freunden beim Kaffee oder bei einem der vielen leckeren Säfte. Ich ließ mich gern auf den bunten Märkten treiben, nahm Salsa-, Merengue- und Tango-Unterricht. Oft saß ich auch einfach auf der Plaza und schaute dem Leben dort zu. Außerdem reiste ich viel, zu sehen gibt es in Bolivien schließlich eine ganze Menge: den Titicacasee, der an Peru und Bolivien grenzt, den Regierungssitz La Paz und zahlreiche Nationalparks. Diese Orte hinterließen nicht nur auf der Speicherkarte meiner Kamera ihre Spuren.

„Meine beiden Aufenthalte in Südamerika waren in vielerlei Hinsicht völlig unterschiedlich“

Zu Silvester setzte ich mich in einen der vielen Fernbusse und besuchte Freunde in Peru. Nach dem Abitur hatte ich in der Hauptstadt Lima bereits neun Monate in einem Kinderheim mitgearbeitet und wollte daher bei den Freunden und Kindern von damals vorbeischauen. Wenn ihr jetzt glaubt, dass ich durch diese Erfahrung schon vollständig auf meinen Aufenthalt in Bolivien vorbereitet wurde, dann stimmt das nicht ganz. Zwar war ich in manchen Situationen abgehärteter, wenn zum Beispiel kein Wasser aus dem Hahn kam oder ich mir einen Floh eingefangen hatte. Auch die anfänglichen Sprachprobleme und der Kulturschock blieben bei meiner zweiten Reise aus. Allerdings waren meine beiden Aufenthalte in Südamerika in vielerlei Hinsicht völlig unterschiedlich. Während ich im Randgebiet der Millionenmetropole Lima einen fast ausschließlich peruanischen Freundeskreis hatte, so fand ich in Sucre mit seinen rund 300.000 Einwohnern vergleichsweise wenige bolivianische Freunde. Das lag wahrscheinlich daran, dass es in Sucre von Backpackern nur so wimmelte. Dazu trugen vor allem die vielen prächtigen, weißen Kolonialbauten bei, die Sucre den Beinamen „die weiße Stadt Boliviens“ einbrachten. Zudem traf ich viele Freiwillige, vor allem auch deutsche.

„Dort tauschte ich mich mit rund 20 anderen Freiwilligen aus“

Von der Organisation „kulturweit“ wurde ich umfassend betreut. Vor der Abreise fand ein zehntätiges Vorbereitungsseminar in der Nähe von Berlin statt. Ein paar Monate nach Beginn meines Freiwilligendienstes reiste ich für ein Zwischenseminar in die chilenischen Anden. Dort tauschte ich mich mit rund 20 anderen Freiwilligen aus Ecuador, Chile und Bolivien sowie drei Seminarleitern über unsere Erlebnisse aus. Zurück in Deutschland wurde außerdem ein Nachbereitungsseminar organisiert. Die Organisation arbeitet mit verschiedenen Partnern, zum Beispiel dem Goethe-Institut und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst zusammen, steht den Freiwilligen jedoch als Ansprechpartner bei Problemen und Fragen zur Verfügung. Neben dem Wohn- und Taschengeld gab es auch ein Budget für Sprachkurse im Gastland. Ich freute mich sehr darüber, vor Ort und mit Muttersprachlern mein Spanisch weiter verbessern zu können. Für einen Tag hatte ich sogar Quechua-Unterricht. Das ist eine der vielen indigenen Sprachen, die in Bolivien gesprochen werden.

„Zur Karnevalszeit kann man sich in Bolivien auf ein buntes Treiben freuen“

Nach sieben Monaten kamen mein Bruder und meine Mutter zu Besuch, worüber ich sehr glücklich war. Es ist ein großer Unterschied, ob man nur davon erzählt, wie toll es im Ausland war, und die anderen anhand von Fotos zu begeistern versucht, oder ob man Gerüche, Erlebnisse und den Geschmack von landestypischem Essen mit ihnen teilen und sich gemeinsam daran erinnern kann. Mit meiner Familie machte ich mich zur wohl bekanntesten Sehenswürdigkeit des Landes auf, dem Salar de Uyuní. Das ist eine riesige Salzwüste im Altiplano, der Hochebene der Anden. Wir machten eine dreitägige Tour, die neben dem endlos erscheinenden Weiß des Salzes unter anderem auch farbige Lagunen mit Flamingos zu bieten hatte, einen Eisenbahn-Friedhof sowie bizarre Felsformationen, von denen sich Dalí zu einigen Bildern inspirieren ließ. Sicherlich ist der Salar der von Touristen am dichtesten bevölkerte Ort des Landes, aber dennoch ist er ein Muss für jeden Besucher. Zur Karnevalszeit kann man sich in Bolivien auf ein buntes Treiben freuen. In Oruro gibt es nach Rio de Janeiro den zweitgrößten Karneval des Kontinents. Mehrere Tage lang ziehen verschiedene Gruppen durch die Straßen und führen traditionelle Tänze auf. Die Stadt ist voller Schaulustiger, die auf langen Holztribünen mitfeiern und den Tänzern zujubeln.

“Seitdem ich wieder in Deutschland bin, fehlt mir so einiges von der bolivianischen Speisekarte“

Alles in allem verbrachte ich wundervolle Monate in Bolivien. Auch wenn mir nach einiger Zeit Freunde und Familie fehlten und ich mir zwischendurch wünschte, als Ausländerin weniger Aufmerksamkeit auf der Straße zu bekommen, möchte ich dennoch den Aufenthalt nicht missen. Seitdem ich wieder in Deutschland bin, fehlt mir so einiges von der bolivianischen Speisekarte. Die zahlreichen Obst- und Gemüsesorten sind hier zum Teil unbekannt oder werden meist unreif in unseren Supermärkten angeboten. Auch würde ich hin und wieder gern einen der vielen „platos típicos“, der typischen Gerichte, essen. „Charque“ zum Beispiel ist ein Essen aus ganz fein geschnittenem Trockenfleisch vom Lama, serviert mit einer großkörnigen, mehligen Maisart. Andere Gerichte wie „Salteñas“ und „Empanadas“, gefüllte Teigtaschen, oder „Cuñapes“, eine Art Käsebrötchen, werden auf der Straße und in Cafés als Snacks verkauft. Gekocht wird übrigens auch etwas anders in Bolivien. Zum einen gibt es weit weniger Hilfsmittel wie beispielsweise fertige Gemüsebrühe oder geschälte Tomaten in Dosen. Zum anderen macht sich die Höhe der Anden beim Kochen bemerkbar: Eier brauchen doppelt so lang, bis sie hart gekocht sind, und Nudeln und Kartoffeln habe ich manchmal sogar im Schnellkochtopf gegart.

Zurück in Deutschland kann ich kaum glauben, dass ich das alles wirklich und leibhaftig erlebt habe. Es ist ein komisches Gefühl, dass ich ein Jahr lang in Südamerika in den Anden gelebt habe und Teil einer ganz anderen Welt gewesen bin. Längst meldet sich auch meine Reiselust aufs Neue. Deshalb kann ich euch nur raten: „Traut euch und geht als Freiwillige ins Ausland!“

Juliane Klug, 28, hat ihr Masterstudium Interdisziplinäre Lateinamerikastudien an der FU Berlin abgeschlossen und absolviert zurzeit ein Volontariat bei einer Tageszeitung in Nordrhein-Westfalen. Sobald sie sich im Arbeitsleben ein wenig eingerichtet hat, möchte sie wieder in ferne Länder auf Reisen gehen.

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Koala Bär
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