Als Austauschschülerin in den USA

„Hey, you are the new one, right?“

weltweiser · Austauschschülerin · USA · New York
  • GESCHRIEBEN VON: LARISSA EICHLER
  • LAND: USA
  • AUFENTHALTSDAUER: 4 MONATE
  • PROGRAMM: SCHÜLERAUSTAUSCH
  • ERSCHIENEN IN: (NIX FÜR) STUBENHOCKER.
    DIE ZEITUNG FÜR AUSLANDSAUFENTHALTE,
    Nr. 8 / 2018, S. 10-11

„The New One“ gewesen zu sein, ist das Beste, das mir je passiert ist. Dieser unscheinbare Satz, „Hey, you are the new one, right?!“, diese drei Worte, die dich anfangs mit jedem anderen Austauschschüler gleichsetzen. Als wäre ich nur ein weiterer Austauschschüler, der einfach nur da ist, als wäre es nichts Neues.

Mein Auslandsjahr verbrachte ich in einer kleinen Gemeinschaftsschule im Staat New York, die für mich immer mehr als nur eine Schule bleiben wird. Der erste Schultag kam unerwartet schnell, und nachdem ich die Gefühlsachterbahn im gelben Schulbus überstanden hatte, machte ich mich auf den Weg zu meinem eigenen amerikanischen Spind. Ich war umgeben von Leuten, die meinen Namen nicht kannten, und dieser Gedanke machte mich keineswegs traurig. Ganz im Gegenteil, ich begann zu lächeln, als immer mehr Fremde auf mich zukamen und sagten: „Hey, you are the new one, right?!“. Anfangs machte ich mir keine Gedanken über diesen Satz, ich freute mich einfach darüber, dass mich Amerikaner ansprachen. Mein erster Schultag verlief zwar alles andere als reibungslos, aber rückblickend betrachtet war es doch eigentlich der beste erste Tag an einer amerikanischen Schule, den ich hätte erleben können. Der Tag fing gleich damit an, dass ich das Schloss nicht öffnen konnte, also fragte ich einfach den Jungen neben mir, ob er mir helfen würde. Dann kam ich zu jeder meiner acht Klassen zu spät, doch die Lehrer drückten ein Auge zu, nachdem ich ihnen sagte, dass ich eine neue Austauschschülerin sei. Mein erstes „Lunch“ in der Cafeteria dagegen war ein richtig schönes Erlebnis, da ich von einer Gruppe zum Essen an ihren Tisch eingeladen wurde. Somit musste ich nicht alleine sitzen und war gleich voll im amerikanischen Schulalltag.

Als alter Hase oder Returnee kann ich zukünftigen Austauschschülern eine Menge erzählen, doch der wichtigste Teil meines Auslandsjahres waren die zwischenmenschlichen Beziehungen, die ich mit Fremden aufgebaut habe, die, nach 321 Tagen in den Vereinigten Staaten von Amerika, meine Familie und engsten Freunde wurden. Eine meiner größten Stärken ist meine Offenheit für Neues – sei es neue Leute treffen, eine neue Sportart ausprobieren oder mal für ein Jahr in eine andere Kultur eintauchen. Jede meiner neu gewonnenen Freundschaften fingen mit einem etwas emotionslosen „Hey, aren’t you the new one?“ an. Ich betone diesen Satz, da man als Austauschschülerin keine Angst haben sollten, auf neue Leute zuzugehen, aber sich gleichzeitig keinesfalls zu hohe Erwartungen machen sollten. Es wäre falsch zu glauben, dass alle automatisch auf einen zustürmen werden. Ich war auf einer sehr kleinen Schule, alle kannten sich untereinander und deshalb erkannten mich gleich am ersten Tag mehrere Leute und sprachen mich an, was mir die Nervosität ein wenig nahm. Als Austauschschüler kann es einem egal sein, was Leute von einem denken, denn man wird anfangs sicherlich skeptisch angeguckt werden, und doch findet man schnell Anschluss. Es ist ein Neustart, bei dem man sich selbst neu erfinden kann und die Person sein kann, die man schon immer sein wollte.

junger Mann sitzt an Holztisch und tippt auf Laptop
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Für mich waren die folgenden Punkte hilfreich, um Freundschaften an einer amerikanischen High-School aufzubauen. Der erste Punkt ist, immer ein Lächeln auf den Lippen zu tragen. So sieht man nicht nur freundlich aus, aber es überdeckt auch eventuelle Nervosität. Viele meiner Mitschüler und sogar Lehrer erwähnten des Öfteren, dass sie es so schön fänden, dass man mich immer lächelnd antrifft. Es hinterlässt also einen guten Eindruck. Ein weiterer Punkt ist, sich bei Ankunft morgens nach dem Wohlergehen der Mitschüler zu erkundigen und so zu zeigen, dass man sich für sie interessiert. Außerdem ist es ratsam, nicht nur mit den „coolen Kids“ zu reden, sondern sich auch mal an einen „Lunch Table“ zu setzen, an dem nur ein Junge oder Mädchen sitzt. Ich setzte mich öfters mal an einen etwas leereren Tisch und habe echt gute Freunde gefunden. Man sollte generell einfach verschiedene Dinge ausprobieren, da man so Leute findet, die die gleichen Hobbys haben. Beispielsweise trat ich dem Chor bei, obwohl ich vorher nicht einmal Noten lesen konnte, und trat dem Basketball-Team bei, obwohl ich anfangs keinen Ball dribbeln konnte. Zudem nahm ich an den „Auditions“ für ein Musical teil. Neues ist also keineswegs schlecht, sondern ein Weg, tolle und interessante Menschen kennenzulernen. Zuletzt aber ein Wort der Warnung: Man sollte nicht jeden Spaß mitmachen und wissen, wo seine Grenzen sind. Die Amerikaner schienen mir teils auf Drama aus zu sein und man möchte da nicht unnötig hineingeraten. Gerade an meiner sehr kleinen Schule haben sich erfundene Gerüchte wie Lauffeuer verbreitet. Dennoch habe ich in erster Linie viele tolle Freunde gefunden.

„Neues ist ein guter Weg, tolle und interessante Menschen kennenzulernen“

Ich habe meine engsten amerikanischen Freunde mal zu dem Thema „exchange students“ befragt und ihre Antworten waren: „Amerikaner freuen sich über jeden Menschen aus einem anderen Land, den sie treffen und mit dem sie eine Freundschaft aufbauen können“, „Die meisten Amerikaner unterschätzen schlichtweg andere Länder, da sie gar nicht wissen, dass es solche Unterschiede gibt“, „Amerikaner lieben Akzente und finden es einfach richtig cool, Freunde aus anderen Kulturen und Ländern zu haben“, „Amerikaner sind von Grund aus begeistert und freuen sich total, wenn sie erfahren, dass ein neuer Austauschschüler an die Schule kommen wird. Bonuspunkte gibt es bei Platzierung in der gleichen Stufe“ und „Es macht so viel Spaß, Austauschschüler kennenzulernen und jemanden aus einer anderen Kultur zu verstehen. Es ist so inspirierend zu sehen, dass eine gleichaltrige Person einfach mal so ihre Heimat verlässt, um neue Erfahrungen zu machen. Austauschschüler sind so mutig, und inspirieren dazu zu reisen, die Welt zu entdecken, Neues zu lernen und einfach mal die „Comfort Zone“ zu verlassen!“. Wie man unschwer erkennen kann, haben sich die Amerikaner, die ich kennenlernen durfte, durchaus über Austauschschüler gefreut, sodass man keine Angst haben sollte, auf sie zuzugehen.

„Die Amerikaner, die ich kennenlernen durfte, haben sich über Austauschschüler gefreut“

Auch wenn es nicht sonderlich schwer war, Freunde zu finden, sollte man sich darüber im Klaren sein, dass es anfangs meist oberflächliche Freundschaften sein werden, die sich mit den „Sport Seasons“ ändern werden. Das ist aber durchaus normal. Rückblickend war ich im Herbst mit den Leuten vom Tennis-Team befreundet, im Winter mit den Basketball-Spielern, und im Frühling, nach meinem Gastfamilienwechsel, hatte ich dann die allerbesten Freunde im Softballteam. So hat man das ganze Jahr über viele verschiedene Freunde und trifft so die verschiedensten Persönlichkeiten. Ich habe mich immer auf die Schule gefreut und meine Schultage wurden von Tag zu Tag besser. Jeder Kurs hatte etwas Schönes an sich. Der Tag begann mit der „Pledge of Allegiance“, die wir gemeinsam im Klassenraum mit dem Lehrer ablegten. Dann kamen die „Announcements“, in denen ab und an mein Name fiel, was mich immer sehr glücklich machte. Mein Unterricht war jeden Tag unterschiedlich und ich belegte Kurse wie Living Environment, Algebra 1, Physical Education, Studio Art, English 10, Drawing and Design, Senior High Chorus und U.S. American History, was mein absolutes Lieblingsfach war. Die amerikanischen Lehrer vermisse ich sehr. Für mich waren sie Personen, denen ich vertrauen konnte, und wenn ich Probleme hatte, konnte ich immer zu ihnen gehen. Als ich nach meinem Gastfamilienwechsel in die Schule kam, sagten die Lehrer zu mir, dass sie erleichtert seien, dass es mir wieder besser ging. Amerikanische Lehrer sind ein wesentlicher und prägender Teil eines Auslandsjahres.

„Ich vermisse zu Hause, obwohl ich eigentlich zu Hause bin“

Ich wünschte wirklich, ich könnte bald wieder zurück nach Hause gehen, obwohl ich doch eigentlich zu Hause bin. Jeder Returnee wird mir zustimmen, dass man einfach nie wieder komplett daheim sein wird. Der Abschied in Österreich war schwer, keine Frage, aber ich wusste ja, dass ich meine Familie und Freunde nach einem Jahr wiedersehen würde. In New York jedoch war der Abschied herzzerreißend. Nie zuvor hatte ich in meinem Leben so viel und heftig geweint, es war schrecklich. Dann war auch noch der erste Abschied umsonst, da meine Flüge gestrichen wurden und ich mit allen wieder nach Hause fuhr. So erlebten alle elf Personen den Tag, den wir alle nicht kommen sehen wollten, direkt zweimal. Es ist wirklich ein komisches, doch zugleich wunderschönes Gefühl, daran zu denken, dass nach 321 Tagen fremde Menschen einem so viel bedeuten können. Ich vermisse meine Familie und Freunde in New York, aber es ist viel mehr als das, ich vermisse zu Hause, welches eben einmal am anderen Ende der Welt ist, obwohl ich zu Hause bin. Es bleibt nur noch zu sagen: Welcome to the most amazing time of your life, welcome to the emotional rollercoaster ride, hop on and enjoy, it’ll be over sooner than you think. Remember how it all began with a simple „Hey, you are the new one, right?!“

Larissa Eichler, 16, besucht momentan eine höhere Berufsbildende Schule für Wirtschaft und Tourismus in Wien und möchte demnächst ein Praktikum bei einer Airline oder in einem Verlag machen, um Berufserfahrung zu sammeln. Nach der Schule möchte sie hinaus in die Welt.

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